Ein Monat danach

Fünf Tote bei Zugunglück nahe Garmisch: Vorgeschädigte Betonschwellen schuld?

1.7.2022, 21:03 Uhr
Fast einen Monat nach dem tödlichen Zugunglück gibt es Hinweise auf die Ursache.

© Angelika Warmuth/dpa Fast einen Monat nach dem tödlichen Zugunglück gibt es Hinweise auf die Ursache.

Ein Zug entgleist, fünf Menschen sterben: Vor einem Monat, am 3. Juni, hat sich bei Garmisch-Partenkirchen eines der schwersten Zugunglücke der vergangenen Jahre ereignet. Vier Frauen sowie ein 13-Jähriger starben. 16 Menschen werden schwer verletzt, etwa 50 leicht. Während Angehörige um ihre Liebsten trauern und Verletzte an den Folgen tragen, mehren sich Hinweise auf eine mögliche Unglücksursache.

Vorgeschädigte Betonschwellen

Eine Drucksache des Verkehrsausschusses des Bundestages, über die der Bayerische Rundfunk zuerst berichtet hatte und die auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, spricht von einer Schienenverschiebung und "zum Teil vorgeschädigten Betonschwellen".

Laut dem Papier wurden "hintereinanderliegende Schwellenbeschädigungen und eine Verschiebung der Schiene" vorgefunden. "Ursache dieser Verschiebung sind horizontale Brüche in den Betonschwellen. Hierdurch konnte sich die Schiene unter Last nach bogenaußen verschieben und die vorgefundenen Schäden verursachen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die durch die Zugfahrt auf den Oberbau einwirkenden Kräfte - insbesondere durch auch zum Teil vorgeschädigte Betonschwellen - nicht mehr aufgenommen werden konnten. In der Folge kam es vermutlich zu einer unzulässigen Spurerweiterung und dem Verlust der Spurführung."

Der Fokus der Untersuchung liege bei den Fahrzeugen sowie bei der Infrastruktur, teilt die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) mit. Eine ähnliche Antwort hatte die BEU zuvor dem Münchner Merkur gegeben. "Die Untersuchungen der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung befinden sich gegenwärtig im Prozess der Sachverhaltsfeststellung", ergänzte ein Sprecher. Ergebnisse würden erst mit den vorgesehenen Berichten veröffentlicht. Die Deutsche Bahn äußerte sich zu dem Papier nicht. Auch die Ermittler der Sonderkommission "Zug" beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd sowie die Staatsanwaltschaft nahmen nicht Stellung.

Schienen waren bereits im Visier

Schon an den Tagen nach dem Unglück waren Schienen und Fahrgestelle im Visier. Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) nannte damals einen technischen Defekt als wahrscheinlichste Ursache. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) äußerte sich ähnlich. Fahrgestelle von Waggons wurden ebenso sichergestellt wie Schwellen und Teile der Gleise. "Jetzt gilt es, all diese Dinge zu untersuchen", sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Stefan Sonntag. "Das müssen Experten machen." Im Wesentlichen liege dies bei der BEU.

Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt gegen drei Bahnmitarbeiter wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung. Was ihnen genau vorgeworfen wird, ist nicht bekannt. Bis zum Abschluss des Verfahrens bleibe offen, ob die Beschuldigten tatsächlich Schuld treffe, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II, Andrea Grape, am Freitag. "Da die Ursache des Unglück nicht feststeht, können wir auch noch nicht feststellen, ob oder wer ein Mitverschulden an dem Zugunglück trägt."

Sanierungsstau bleibt Problem

"Der Sanierungsstau der letzten Jahrzehnte lässt sich sicher nicht kurzfristig beheben", sagt Thomas Strang, Experte für Kommunikation und Navigation am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Er plädiert deshalb für Messtechnik an normalen Zügen. Mit preiswerten Sensoren könnten bei regulären Fahrten permanent mögliche Schwachstellen frühzeitig erkannt werden. Eine automatisierte Datenübermittlung nicht nur an eine Zentrale, sondern auch an folgende Züge könne zudem Zeit sparen. Laut Strang wird der Zustand des Netzes vorwiegend mit speziellen Messzügen geprüft, die nur in gewissen Abständen fahren. Von der Messzugfahrt bis zur Mängelbehebung vergehe eine ganze Weile, und am Prozess seien viele Menschen beteiligt.

Dem Vernehmen soll es von Bahnmitarbeitern vorher Klagen gegeben haben, dass dort etwas nicht Ordnung sein könnte. Ursprünglich hatte die Bahn einem in den Medien veröffentlichten Papier zufolge in der Gegend Gleissanierungen geplant. Ob sich diese aber auf die Unfallstelle bezogen, war stets offen. Die Bahn hat in dem Papier Tausende bevorstehende Arbeiten aufgelistet.

Wann werden an der Stelle wieder Züge fahren?

Offen. Die Instandsetzungsarbeiten an Unglücksstelle haben noch nicht begonnen, da die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind und damit die Stelle nicht freigegeben ist. Die Arbeiten werden dauern: Rund um die Unfallstelle müssen laut Bahn rund 700 Meter Schienen sowie 500 Schwellen erneuert werden. Zudem sind neue Oberleitungen nötig. Dazu müssten auch drei Masten erneuert werden, die teils von umstürzenden Waggons umgerissen wurden und die nun neue Betonfundamente brauchen.

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