Ein ganz besonderer Sanierungsfall in "Worma"

23.3.2021, 06:01 Uhr
Ein ganz besonderer Sanierungsfall in

© Foto: Tina Ellinger

Nicht in fremde Hände fallen sollte das stattliche Anwesen im Ortskern von Unterwurmbach, das war die Hoffnung der Seniorin, die im Oktober 2019 verstarb. Doch schon vorher war für das junge Paar klar, dass es sich hier gerne niederlassen möchte: "Wir hatten uns echt in das Haus verliebt. Es ist etwas ganz Besonderes."

Und das sollte es auch bleiben: "Wir wollten unbedingt den Charakter des Hauses erhalten", erklären Gideon Oster und sein Vater Werner, der seinem Sohn die letzten Monate tatkräftig zur Seite stand. Gleichzeitig sollte das Gebäude dem heutigen Wohnstandard angepasst werden. Dafür holten sich die Osters mit der Zimmerei Stark aus Auhausen echte Fachleute ins Boot, die die Bausubstanz begutachteten und für sehr gut befanden.

Große Handwerkskunst

Allein der Dachstuhl sei ganz große Handwerkskunst, habe ein Handwerker geschwärmt. "Sie haben uns richtig Mut gemacht, das Projekt durchzuziehen", erinnert sich der 33-jährige Bauherr, dessen Vorfahren offensichtlich nicht am Baumaterial gespart haben. Das geht auch aus den historischen Unterlagen zurück. Fein säuberlich hat Opa Willi Oster die wichtigsten Ereignisse niedergeschrieben und so für die Nachwelt erhalten.

Ein ganz besonderer Sanierungsfall in

© Foto: Tina Ellinger

Darin wird auch der Brand erwähnt, der 1911 durch einen defekten Kamin verursacht worden war. Damals fielen Haus und Stall den Flammen zum Opfer, beides wurde noch im selben Jahr wieder aufgebaut. "Die Eltern haben vieles neuzeitlich gemacht", hat der Chronist dazu vermerkt.

110 Jahre ist das jetzt her, seither wurde von den nachfolgenden Generationen so manches verändert und modernisiert – und aufgehoben: Bevor es mit den umfangreichen Renovierungsarbeiten losgehen konnte, stand das Ausräumen an. Dabei kam der eine oder andere Schatz zum Vorschein, wie eine mobile Heubelüftung, ein Haufen Weizenkörner oder unzählige Nähnadeln.

"Die sind offensichtlich im Nähzimmer auf den Boden gefallen und in den Dielenritzen verschwunden", erzählt Gideons Mutter Lisa. Da auf drei Stockwerken die alten Fehlböden komplett herausgerissen werden mussten, fanden sie nun wieder den Weg zurück ans Tageslicht, zusammen mit Schlacke, Bauschutt und jeder Menge Mäusenestern.

Ein ganz besonderer Sanierungsfall in

© Foto: Tina Ellinger

"Das Entkernen war die dreckigste Arbeit", blickt Gideon Oster auf die insgesamt acht Monate Bauzeit zurück. "Zwischenzeitlich hat es hier echt schlimm ausgeschaut. Wir mussten ja auch etwa 80 Prozent des Verputzes abschlagen." Eine ziemlich staubige Angelegenheit, wie Fotos von der Baustelle beweisen. Danach wurden die Umbauarbeiten in Angriff genommen, der erste Stock mit einer Wasserleitung und Heizung versorgt, ein neuer Kellerabgang gegraben und die Raumaufteilung leicht verändert. Die bestehende Ölheizung wurde gegen eine Pelletsheizung getauscht.

Wenn auch im Inneren fast alles neu und anders ist, hat sich am äußeren Erscheinungsbild des alten Bauernhauses nicht viel verändert. Auf einen Vollwärmeschutz wurde angesichts der 60 Zentimeter dicken Bruchsteinmauer verzichtet, die Rundbogenfenster, mit Stuck verziert, blieben erhalten.

Neue Fensterläden in Blau

Auch das zusätzlich eingezogene Badfenster folgt diesem Muster. "Man sollte nicht sehen, dass es ein nachträgliches Fenster ist", betont Lena Oster, die deshalb darauf gedrungen hat, den Stuck dafür von einem alten, nicht mehr benötigten Fensterbogen zu retten und dort anzubringen. "Und es hat geklappt", freut sich die 31-Jährige. Wichtig waren ihr und ihrem Mann auch die Fensterläden. Die alten Läden aus Holz waren stark in die Jahre bekommen und wurden durch neue ersetzt, in frischem Blau, wie das komplette Anwesen.


Dittenheim: Neue Nutzung statt Leerstand und Verfall


Ende November, acht Monate nach dem Beginn der Renovierung mit etwa 100 Kubikmeter Bauschutt und unzähligen Arbeitsstunden, zog die – durch die Geburt von Söhnchen Adam zwischenzeitlich auf vier Köpfe angewachsene – Familie ein, die Verschärfung des Lockdowns im Nacken. Überhaupt sei Corona sowohl Segen als auch Fluch gewesen: Zum einen sei es manchmal schwierig gewesen, an das nötige Baumaterial zu kommen, und die eigentlich nötigen Bauhelfer durften auch nur in begrenzter Zahl mit anpacken.

Andererseits hatten Vater und Schwiegervater mehr Zeit als unter normalen Umständen und griffen den Kindern kräftig unter die Arme. "Ansonsten hätten wir das nicht geschafft", weiß Gideon Oster, für den die Bauzeit "eine richtig gute Zeit war. Das hat schon Spaß gemacht, auch wenn ich am Anfang kein Ende gesehen habe."

Ahnenecke geplant

Und vor allem hat sich die viele Arbeit wirklich gelohnt: "Wir alle haben uns hier sofort wohlgefühlt." Auch wenn letztlich ein Neubau nicht teurer gewesen wäre, würden er und seine Frau nicht tauschen wollen. "Wir hätten niemals so viel Platz und auch kein so großes Grundstück", geben sie zu bedenken. Außerdem sei es etwas Besonderes, in einem Haus mit Geschichte zu wohnen. "Es ist spannend, was hier schon alles passiert ist, wer hier alles gelebt hat", finden sie und planen, diese Geschichte mit einer kleinen Ahnenecke sichtbar zu machen.

Ein ganz besonderer Sanierungsfall in

© Foto: Tina Ellinger

Von der schweißtreibenden Renovierung profitiert aber letztlich nicht nur die Familie, sondern der ganze Ort. "Es ist ein tolles Beispiel für eine gelungene Innenentwicklung", macht Stadtbaumeisterin Simone Teufel deutlich. Hinter dem Begriff Innenentwicklung steckt der Gedanke, die leeren Flächen und die bestehende Bausubstanz in den Orten zu nutzen anstatt immer neue Baugebiete auszuweisen. "Wir können nicht alles versiegeln, so können wir nicht weitermachen", betont die Fachfrau.

Am Beispiel von Unterwurmbach zeige sich, dass einiges möglich sei. Hier gibt es schon seit langem keine nennenswerten Bauplätze aus öffentlicher Hand, "deshalb passiert hier im Moment so viel", erklärt sie und verweist auf einige Projekte in dem Stadtteil, bei denen nachverdichtet gebaut oder alte Anwesen saniert wurden.

"Es ist ein Glück, dass es Leute gibt, die das machen mögen. Da braucht es schon viel Herzblut", ist die Stadtbaumeisterin überzeugt. Ein solches Vorhaben sei nun mal schwieriger als ein neues Haus auf der grünen Wiese zu bauen. "Dafür hat man aber auch etwas Besonderes."

Das finden auch Lena und Gideon Oster, die beide froh sind, dass das Haus weiterhin in der Familie bleibt und sie von den Eltern, Geschwistern und weiteren Verwandten nur positive Signale bekommen: "Alle freuen sich, dass das Haus nicht verkauft und so schön geworden ist." Ganz im Sinne der Oma eben.

Keine Kommentare