Gunzenhausen: Veranstaltungstechniker schlagen Alarm

19.6.2020, 16:26 Uhr
Gunzenhausen: Veranstaltungstechniker schlagen Alarm

© Erich Neidhardt

"Die Umsätze sind komplett weggefallen. Das ist dramatisch", beschreibt Keitel die Lage bei seiner Firma. Er hat wie viele andere Sofort- und Bundeshilfe beantragt, doch die deckt nicht im Ansatz die laufenden Betriebskosten, geschweige denn den Lebensunterhalt. "Ich lebe praktisch von der Substanz", so Roland Keitel, der noch im Januar neues Equipment – ein großes, hochmodernes Digitalmischpult und noch leistungsstärkere Lautsprechersysteme – angeschafft hat. "Von der Auftragslage her", betont er, "hätten wir ein Super-Jahr gehabt." Momentan sei nach dem (verlängerten) Verbot von Großveranstaltungen bis Ende Oktober jedoch noch keine Besserung der Lage in Sicht. Der Gunzenhäuser hofft, dass es 2021 wieder "voll losgehen wird".

"Die nächsten 100 Tage übersteht die Veranstaltungswirtschaft nicht", lautet der bundesweite Hilferuf des VPLT. Innerhalb kürzester Zeit hätten die behördlichen Auflagen im Zuge der Corona-Krise die gesamte Veranstaltungswirtschaft an den Abgrund gedrängt. Einem riesigen Wirtschaftszweig sei praktisch über Nacht die Arbeitsgrundlage entzogen worden, eine Pleitewelle enormen Ausmaßes drohe: mit gravierenden Folgen für den Arbeitsmarkt und die kulturelle Vielfalt als tragende Säule der Gesellschaft.

In der Nacht vom 22. auf den 23. Juni werden ab 22 Uhr die über 4600 Teilnehmer (Stand Freitagmittag) an der bundesweiten Aktion in vielen hundert Eventlocations, Spielstätten, öffentliche Gebäude und Bauwerke mit rotem Licht illuminieren: viele leuchtende Mahnmale, die sich zu einem gewaltigen Licht-Monument arrangieren. Die Aktion "Night of Light 2020" vereint Marktteilnehmer aus allen Bereichen der Veranstaltungswirtschaft, um in einer konzertierten Aktion ein imposantes Zeichen für eine vom Aussterben bedrohten Branche zu setzen und zu einem Dialog mit der Politik aufzurufen, wie Lösungen und Wege aus der dramatischen Lage entwickelt werden können. Ein flammender Appell zum Einstieg in einen Branchendialog, der die Vielfältigkeit und Systemrelevanz der deutschen Veranstaltungswirtschaft thematisieren soll.

Alle Auftragsbestände verloren

Die Veranstaltungswirtschaft war laut VPLT der erste Wirtschaftszweig, der von der Covid-19-Krise getroffen wurde. Er werde auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit am längsten und tiefgreifendsten von den Auswirkungen betroffen sein. Faktisch alle Unternehmen aus den Bereichen Messebau, Veranstaltungstechnik, Eventagentur, Catering, Bühnenbau, Eventlocation, Messegesellschaft Kongresscenter, Tagungshotel, Konzertveranstalter, Künstler und Einzelunternehmer hätten durch die erfolgten Veranstaltungsverbote seit dem 10. März innerhalb weniger Werktage ihre gesamten Auftragsbestände verloren. "Sie gerieten als erste in die Krise (first in) und werden als letzte wieder aus der Krise herauskommen (last out)", so der Verband.

Seit Mitte März mache die Veranstaltungswirtschaft keinen Umsatz mehr. Anders als im produzierenden Gewerbe könnten weggefallene Umsätze nicht mehr nachgeholt werden, es könne auch nichts "auf Lager" produziert werden; die meisten Unternehmen in der Veranstaltungswirtschaft seien Dienstleister. Selbst wenn nach Beendigung der Krise eine hohe Nachfrage einsetzen würde, könne der erlittene Verlust nicht mehr kompensiert werden.

Die Veranstaltungswirtschaft insgesamt ist einer der größten Sektoren der deutschen Wirtschaft und zählt rund eine Million direkte Beschäftigte, macht der VPLT deutlich. Es werde ein jährlicher Umsatz von rund 130 Milliarden Euro erwirtschaftet. "Rechnet man die Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren veranstaltungsbezogenen Teil- und Zuliefermärkten hinzu, so beschäftigen mehr als 300 000 Unternehmen in über 150 Disziplinen mehr als drei Millionen Menschen und erzielen einen Jahresumsatz von über 200 Milliarden Euro", macht der VPLT auf die wirtschaftliche Bedeutung der Branche aufmerksam. Durch das Verbot von Großveranstaltungen bis Ende Oktober und einen danach noch folgenden Vorlauf zur Planung von Veranstaltungen gebe es einen 80- bis 100-prozentigen Umsatzausfall über einen Zeitraum von vielen Monaten, so der VPLT in einer Pressemitteilung. Daraus resultiere eine akute Insolvenzgefahr für die gesamte Branche. Es sei wichtig, auch die Öffentlichkeit auf die besonders hart getroffene Veranstaltungswirtschaft aufmerksam zu machen und zu verdeutlichen, dass die derzeitigen Hilfeleistungen in Form von Kreditprogrammen nicht ausreichen.

Da diese Kredite nicht wertschöpfend investiert werden könnten, sondern zur Deckung von Betriebskosten aufgewendet werden müssten, führe dies nach dem Verbrauch der Kredite zu einer erneuten Zahlungsunfähigkeit in Verbindung mit einer Überschuldung der betroffenen Unternehmen und Einrichtungen.

Die wirtschaftliche Durchführung von Veranstaltungen sei zurzeit und bis auf Weiteres unter den geltenden Restriktionen und notwendigen Hygieneregelungen nicht mehr möglich. Es bestünden somit besondere, ökonomische Herausforderungen, um die sogenannten "First in – Last out"-Unternehmen sowie die in der Veranstaltungswirtschaft tätigen Einzelunternehmer, mithin die gesamte Branche, zu retten.

"Flammender Appell"

Die für diese Aktion gemeinsam verwendete Farbe Rot soll folgendes ausdrücken: Die Veranstaltungswirtschaft befindet sich auf der "Roten Liste" der aussterbenden Branchen und es herrscht Alarmstufe Rot: Ein Milliardenmarkt und Millionen Arbeitsplätze sind in Gefahr. Obendrein wollen die Teilnehmer an der Aktion deutlichmachen: "Wir sind eine Gemeinschaft und haben das gemeinsame Ziel eines Branchendialogs mit der Politik und wir richten einen flammenden Appell an die Öffentlichkeit." Die Farbe Rot steht nicht zuletzt für die Leidenschaft für den Beruf und soll zeigen: "Wir brennen für das, was wir tun!" Angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Not auch bei seiner Firma steht für Roland Keitel außer Frage: "Ich mach’ da natürlich mit!"

Keine Kommentare