Starker Start für den BergwaldGarten

Polt und die Well-Brüder begeistern in Weißenburg

12.8.2021, 05:48 Uhr
Gerhard Polt und die Well-Brüder sorgten für einen fulminanten Start im BergwaldGarten in Weißenburg.

© Felix Oeder, NN Gerhard Polt und die Well-Brüder sorgten für einen fulminanten Start im BergwaldGarten in Weißenburg.

Blauer Himmel, die Abendsonne auf dem sattgrünen Blätterdach der mächtigen Bäume, ein in tagelanger Schwerstarbeit errichteter Biergarten – und ein Künstlerquartett, das nach langer kultureller Durststrecke mit sichtlicher Spiellaune agierte: Das Umfeld passte in jeglicher Hinsicht.

Seit 40 Jahren steht der inzwischen 79-jährige Polt mit drei der Well-Brüder auf der Bühne; zunächst mit der Biermösl Blosn und ab 2013, als sich Hans Well nicht ganz friedlich von seinen Brüdern trennte und Karl ihn ersetzte, mit den Well-Brüdern aus’m Biermoos.

Musikalische Vielfalt wird in der Familie Well seit jeher groß geschrieben und so gibt es dann eben auch mal Alphörner im südlichen Mittelfranken zu hören.

Musikalische Vielfalt wird in der Familie Well seit jeher groß geschrieben und so gibt es dann eben auch mal Alphörner im südlichen Mittelfranken zu hören. © Felix Oeder, NN

Vier Jahrzehnte, in denen die Multi-Instrumentalisten aus der Nähe von Fürstenfeldbruck zuverlässig, furchtlos und genial hinterfotzig alle und alles aufs Korn nahmen, was sich in der (bayerischen) Politik dafür anbot. Dass man als Künstler vier Jahrzehnte lang damit sein Auskommen hat, sagt auch etwas über die Herrschenden im Freistaat.

In Bestform

Im BergwaldGarten jedenfalls präsentierten sich Stofferl, Michi und Charly in Bestform – und das von der ersten Nummer an, die sie traditionell dem Gastspielort widmen. Mit Stoff versorgt von Kennern der Lokalpolitik reimen sie hinter der Bühne in kürzester Zeit Spottverse darauf, die zwar mitunter beim Vortrag etwas holpern, aber wunderbar ins Schwarze treffen.

So mussten sich die Stadtväter Weißenburgs („der Römertopf vom Frankenland“) für ihren Plan eines „naturnahen Parkplatzes“ in bester Altstadt-Randlage ebenso verlachen lassen wie die Menschen vom Jura, die „so schwarz sind, dass sie sogar tagsüber mit Licht fahren“. Dass die Center Parcs-Manager mit ihren Pländen „bei der Abstimmung badn ganger san“ spießten die Wells ebenso genüsslich auf wie die spezielle Definition, die die Weißenburger ihren Kindern für den Begriff der Ewigkeit bieten: „Des is, wenn amal die Hörnlein-Kreuzung baut is.“

Während sich die Well-Brüder mit Charme und Witz das Publikum zum Lachen bringen, sitzt Gerhard Polt daneben und schaut, als ginge ihn das alles nichts an. Herrlich!

Während sich die Well-Brüder mit Charme und Witz das Publikum zum Lachen bringen, sitzt Gerhard Polt daneben und schaut, als ginge ihn das alles nichts an. Herrlich! © Felix Oeder, NN

Im Feuerwehrlied zog das Trio das für Stadtmenschen nur schwer erträgliche Brimborium bei ländlichen Feuerwehr-Jubiläen kräftig durch den Kakao, der Ski-Tourimus, für den inzwischen Bofrost des Pulverschnee liefert, bekam ebenso kräftig eine mit („Klimawandel scheißegal – Alpinismo tropical“) wie die AfD („Asyl für Deppen“) und deren Frontfrau Alice Weidel: Die habe nicht nur, wie es bei Frauen in der Natur liege, Haare auf den Zähnen, „bei der hat jeder Zahn a eigene Frisur“.

Lieblingsgegner der drei Oberbayern ist aber ein Franke: der Baumumarmer Markus Söder, der nicht nur Wasser in Frankenwein verwandeln kann („Des is net schwer“), sondern beim Liebkosen des Gehölzes dieses auch sogleich in einen 5G-Mast von Huawei transformiert, wie es in der „Lesung aus dem Evangelium Markus’ des Franken“ heißt. Und an dessen Ende „Markus der Corona-Wellenreiter“ samt seinem „Leibwind Dobrindt“ dereinst „auffahren wird in den dritten Stock des Kanzleramtes“. Aber erst, nachdem „Null Null Söder“ im Rahmen seines Raumfahrtprogramms Bavaria One auf jedem Stern im Orbit ein Kreuz aufgestellt und die Milchstraße endlich achtspurig ausgebaut hat.

Eine bajuwarische Urgewalt

Während die Wells solcherart gehoben-bösartigen Blödsinn zelebrieren, sitzt Polt stoisch daneben, als ob ihn das alles gar nichts anginge. Eine Pose, die er seit Jahren pflegt – und die allein schon höchsten Unterhaltungswert hat.

Aber wenn er sich dann gespielt schwerfällig aus seinem Holzstuhl hochwuchtet, zum Mikrophon schreitet und ansatzlos mit dem Publikum in den Dialog tritt, dann wird die bajuwarische Urgewalt dieses Groß-Kabarettisten augenblicklich sicht- und hörbar – und ist beinahe sogar körperlich zu spüren.

Beim BergwaldGarten wird das Bergwaldtheater zum Biergarten mit Kulturporgramm. Noch bis Sonntag ist vielfältiges Programm angesagt.

Beim BergwaldGarten wird das Bergwaldtheater zum Biergarten mit Kulturporgramm. Noch bis Sonntag ist vielfältiges Programm angesagt. © Felix Oeder, NN

Wie er den kleinbürgerlich-selbstverliebten Spießer gibt, der sich empört darüber, angeklagt zu sein, weil er einem Ertrinkenden nicht geholfen hat („Ein Nichtschwimmer am Badesee – was tut der da?!“); oder den Reihenhaus-Nachbarn, der während des Lockdowns die Grillparty nebenan mit der Drohne dokumentiert („19 Personen grillten 84 Paar Bratwürste“) – und dann lamentiert, dass die Gesundheitsministerin nicht prompt auf seinen Spitzelbericht reagiert: „Koa Antwort vo dera Trutschn – ich denunzier’ koan mehr, do hobi koa Lust mehr . . .“

Organklau als Geschäftsmodell

Das ist einfach großartig. Und umso besser, je unscheinbarer, perfider und hinterfotziger sich die Polt’sche Pointe anschleicht. Etwa dann, wenn der Arzt beim Kongress der Tiroler Gebietskrankenkasse beklagt, dass immer mehr verunglückte Skifahrer „von den Piefkes oder den Holländern“ per Helikopter „piratiert werden“ – und den Kliniken vor Ort das Geschäftsmodell zerstören: „Die nehmen die Organe raus, und uns lassen’s nur die Boandl da.“

Ein würdiger, vom kulturhungrigen Publikum heftig beklatschter Auftaktabend war das im BergwaldGarten, an dessen Ende man Gerhard Polt nur eine kleine Unwahrheit vorwerfen kann. Als er nämlich seinen katholischen Geistlichen mit dem Zungenbrecher-Namen, der aus Indien geschickt wurde, um das ungläubig gewordene Bayernland zu re-christianisieren, sagen ließ: „Biergarten is not in Paradise!“

Das weitere Programm im BergwaldGarten gibt es hier!

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