Römerboot lockte Experten an den Altmühlsee

8.10.2019, 06:01 Uhr
Römerboot lockte Experten an den Altmühlsee

© Jürgen Eisenbrand

Im Frühsommer vergangenen Jahres nämlich kreuzte Professor Boris Dreyer erstmals mit einem höchst ungewöhnlichen Wasserfahrzeug zwischen Schlungenhof, Wald und Muhr am See: einem 15 Meter langen, von rund 20 Ruderern angetrieben Holzboot namens "Fridericiana Alexandrina Navis", dem Nachbau eines römischen Patrouillenbootes, von dem Teile in den 1980er-Jahren nahe Manching entdeckt worden waren.

Noch hat die "F.A.N.", benannt nach der Erlanger Friedrich-Alexander-Universität, keinen echten Heimathafen – doch es mehren sich die Anzeichen dafür, dass sie in Gunzenhausen-Schlungenhof vor Anker gehen und einen Großteil des Jahres dort zubringen wird.

"Historischer Kontext"

"Wir hoffen, dass wir hierbleiben können", sagte Dreyer am Rande der Fachtagung "Die Römer zu Wasser", die am Samstag im Altmühlsee-Informationszentrum stattfand. Wobei ein Argument, das für den Standort spreche, der "historische Kontext" sei: Nur wenige hundert Meter entfernt verlief einst der Limes, nutzten die Römer zudem eine Furt, um die Altmühl zu queren.

Derzeit liefen mehrere Anträge auf finanzielle Unterstützung, mögliche Geldgeber seien die Stadt, der Bezirk, das Land, Kulturfonds der Banken – "und natürlich meine Uni", so Dreyer. Das wichtigste – und wohl auch teuerste – Projekt ist eine stabile Unterstellmöglichkeit für das Boot, wo man immer mal wieder anfallende Reparaturen erledigen und wo man die "F.A.N." überwintern kann. "Momentan haben wir eine vorläufige Unterstellmöglichkeit in Arberg gefunden", sagt Dreyer, aber das könne keine Dauerlösung sein.

Römerboot lockte Experten an den Altmühlsee

© Jürgen Eisenbrand

Den Gunzenhäuser Bürgermeister Karl-Heinz Fitz jedenfalls weiß Dreyer voll an seiner Seite. Er sähe es – auch in seiner Funktion als Vorsitzender des Zweckverbands Altmühlsee – natürlich gerne, wenn das Gewässer vor den Toren der Stadt eine weitere Attraktion bekäme. Zumal Dreyer "sein Boot" beileibe nicht im Elfenbeinturm der Geschichtswissenschaft versteckt, sondern es unter dem Motto "Geschichte zum Anfassen" auch für Schulklassen und sogar Firmen-Events anbietet.

Rathaus-Chef Fitz jedenfalls wirft einen begehrlichen Blick auf einen Sonderfördertopf des Bezirks Mittelfranken für Investitionen der drei Seenland-Zweckverbände. Der ist mit jährlich 300 000 Euro ausgestattet – ein Teil davon käme dem Gunzenhäuser Stadtoberhaupt für die "Operation Römerboot" ganz sicher recht.

Nun baut ein leibhaftiger Professor der Alten Geschichte ein solches Boot natürlich nicht, um lediglich ein schönes Fotomotiv für Seenland-Urlauber zu liefern oder Schülerscharen übers Wasser zu schippern. Vielmehr ist dem Erlanger Historiker daran gelegen, mit Hilfe der "experimentellen Archäologie" Erkenntnisse über die Schifffahrt der Antike zu gewinnen.

Wie wenig auf diesem Gebiet gesichertes Wissen ist – und wie viel immer noch Spekulation –, davon vermittelte die (auch von Laien) gut besuchte Fachtagung samt Rudertour in Muhr am See einen Eindruck. Form und Länge der Ruder und Steuerruder, Art und Material der Segel, Länge und Positionierung des Mastes, das Einsatzgebiet der Boote und auch die Aufhängung der Ruder – da ist noch vieles unklar und in der Historikerzunft umstritten.

Die wenigen vorhandenen Funde überliefern nur den Boden der Boote, vieles von dem, was sich über der Wasseroberfläche befinde, habe man sich erschließen müssen. Historische Abbildungen – etwa auf Grabsteinen, Bodenmosaiken oder auf Reliefs der berühmten Trajan-Säule – seien "nicht naturalistisch", wie der Historiker Dr. Timm Weski bedauernd erläuterte. Sprich: Sie seien allesamt "zweifelhafte Quellen".

Genau deshalb gibt es aber die experimentelle Archäologie, mit deren Hilfe man sich neue Erkenntnisse zu den antiken Fluss- und Seefahrern erhofft. Dazu bauen und testen Dreyer und seine Studenten unterschiedliche Ruder und Segel, mischen Farben, mit denen die Römer einst vermutlich ihre Schiffe bemalten und testen diverse Riemenaufhängungen in der Praxis. Heuer unter anderem bei einer Fahrt auf den Donau bis zum Schwarzen Meer.

Dreyer jedenfalls würde sich wünschen, solche Tests auch künftig am Altmühlsee zu fahren, denn: Der vor den Toren Erlangens gelegene Dechsendorfer Weiher sei zwar deutlich besser zu erreichen, aber: "Für wissenschaftliche Tests ist er zu klein, dafür brauchen wir den Altmühlsee."

Keine Kommentare