"Wichtige historische Quelle"

22.6.2019, 05:45 Uhr

© Foto: Isabel-Marie Köppel

Arrest wegen Faulheit, Unfleiß oder ungenügender Vorbereitung steht dort in schnörkelhafter Handschrift auf vergilbtem Papier. Es ist ein Zensurbuch aus dem Jahre 1892, das zusammen mit vielen anderen Schätzen "fast im Keller vermodert", sagt Susanne Weigel, Schulleiterin des Simon-Marius-Gymnasiums in Gunzenhausen. Doch das hat nun ein Ende. Stadtarchivar Werner Mühlhäuser wird sich ihrer annehmen – das hat das Staatsarchiv Nürnberg jetzt erlaubt.

Um die Schriftstücke vor dem Kaputtgehen zu bewahren, beschloss die Schule vor ein paar Jahren, ihre Archivalien in fachkundige Hände zu geben. Eigentlich hätten die alten Bücher und Dokumente in den Nürnberger Bestand übergehen müssen, da es sich bei dem Gymnasium um eine staatliche Einrichtung handelt. Die Verantwortlichen aus Gunzenhausen hielten es jedoch für eine bessere Idee, die Unterlagen hier zu behalten.

Immerhin könne die Schule auf eine fast 500-jährige Geschichte zurückblicken, und anhand der Akten könne man die Entwicklung wunderbar ablesen, so Mühlhäuser. Auch Rückschlüsse auf die Stadt sind anhand der Schulunterlagen möglich, wie etwa das selbstverständliche Zusammenleben der Konfessionen vor dem Dritten Reich. Das lässt sich aus den alten Jahresberichten erschließen, sagt die Schulleiterin.

Bereits in der Vergangenheit haben Schüler für geschichtliche Seminare an den Schriftstücken geforscht. Daher ist es für alle Beteiligten einfacher, wenn das Archivmaterial in Gunzenhausen bleibt. "So müssen sie nicht jedes Mal nach Nürnberg fahren. Die Schüler sind ja meistens auch noch nicht so mobil", erklärt Weigel. Zudem sehen die Anwesenden in den Dokumenten eine "wichtige historische Quelle der Stadtgeschichte", die hier bleiben sollte.

Ein Archivierungsvertrag, den Weigel und Bürgermeister Karl-Heinz Fitz unterschreiben, regelt die Verfügungsrechte. Denn Eigentümer bleibt der Staat. Das Stadtarchiv dient nur als Depot. Warum das Kultusministerium rund drei Jahre für den Prozess gebraucht hat, erklären sich die Anwesenden durch ihre Vorreiterrolle. Es ist vermutlich der erste Vertrag dieser Art.

Renate Wittmann hat sich vor rund sieben Jahren der Schätze im Keller angenommen. Die ältesten Stücke reichen bis ins Ende des 19. Jahrhunderts, schätzt die Lehrerin für Deutsch und Sport. Schüler sollen ihr demnächst bei einer groben Bestandsaufnahme helfen. Das Feinverzeichnis übernimmt dann Mühlhäuser. Das Zensurbuch klemmt er sich gleich unter den Arm. Es darf schon in seine Obhut.

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