Hans-Georg Maaßen: Chronik einer Entlassung

4.1.2020, 15:37 Uhr

26. August 2018:

Der Deutschkubaner Daniel H. stirbt am Rande eines Stadtfestes in Chemnitz durch eine Messerattacke. Die Polizei benennt drei Asylbewerber als Tatverdächtige. Empörte Chemnitzer drücken ihre Trauer und Wut über die Bluttat aus. Bei Protestdemonstrationen marschieren auch Rechtsextremisten mit. Auf Videoaufnahmen sind später Verfolgungen von ausländisch aussehenden Menschen zu sehen.

September 2018:

Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen mischt sich über ein Bild-Interview in die Debatte über die Vorgänge in Chemnitz ein. Er bezweifelt die Echtheit der Videoaufnahmen und den Begriff einer "Hetzjagd" von Rechtsextremen. So stellt er sich in Widerspruch zur Linie der Bundesregierung und damit seines Dienstherren. Zudem vermutet er "Falschinformationen" der Öffentlichkeit. Das behaupten auch AfD-Politiker. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden bestätigt hingegen die Echtheit der Videoaufnahmen. Jedoch stellt auch sie in Zweifel, ob der Ausdruck einer "Hetzjagd" gerechtfertigt sei.

September 2018:

Bundeskanzlerin Angela Merkel einigt sich mit den Parteichefs Horst Seehofer (CSU, Bundesinnenminister) und Andrea Nahles (SPD), dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz endgültig gehen muss. Die Lösung, ihm einen noch höher dotierten Posten als Staatssekretär im Innenministerium einzuräumen, hatte zuvor zu einer Krise der Großen Koalition geführt. Nahles wurde innerhalb ihrer Partei scharf attackiert, dass sie dieser Lösung zugestimmt hatte.

November 2018:

Horst Seehofer, Bundesinnenminister und damit Maaßens Vorgesetzter, versetzt Maaßen in den einstweiligen Ruhestand. Auslöser waren Äußerungen Maaßens in einer internen Geheimdienst-Veranstaltung, bei der er unter anderem Teile des Koalitionspartners SPD als "linksradikal" bezeichnet hatte. Er sei "menschlich enttäuscht" gab Seehofer zu Protokoll.

Januar-November 2019:

Das CDU-Mitglied Maaßen tritt auf verschiedenen Veranstaltungen der Partei auf, zu denen er eingeladen wurde, zuletzt im November in Augsburg bei der CSU.

Nachdem die AfD um ihn vergeblich geworben hatte, schließt er sich der ultrakonservativen "Werte-Union" an, einem Verein, der der CDU/CSU nahe steht und beansprucht, deren konservativer Flügel zu sein. Maaßen führte noch als Chef des Verfassungsschutzes häufig vertrauliche Gespräche mit führenden AfD-Politikern, die zu teils scharfer Kritik führen. So wird ihm vorgeworfen, er habe die AfD beraten, wie sie eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz vermeiden könne.

September 2019:

Mit einem Tweed auf dem Sozialen Netzwerk Twitter löst Maaßen einmal mehr Empörung (und Zustimmung) aus: Er schlägt eine Reform oder "Abschaffung" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor. Die Sender seien "zu teuer, zu fett, zu borniert und zu parteiisch“, schreibt der frühere Chef des Verfassungsschutzes.

Oktober 2019:

Die Kölner Kanzlei eines Medienanwaltes gibt bekannt, dass der Jurist Hans-Georg Maaßen bei ihr künftig als Anwalt für "öffentliches Äußerungsrecht" tätig sein werde. Die Kanzlei hatte unter anderem die AfD vertreten - in einem Rechtsstreit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz, das Maaßen ein Jahr vorher noch führte.

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