Deutsches EM-Quartier: Adidas baut Hotel in Herzogenaurach

2.7.2019, 17:03 Uhr
Gut eine Milliarde Euro hat Adidas in den letzten 20 Jahren in seine "World of Sports" investiert.

© adidas Group Gut eine Milliarde Euro hat Adidas in den letzten 20 Jahren in seine "World of Sports" investiert.

Bei der Weltmeisterschaft 2018 war es ein Spa-Komplex südlich von Moskau, der irgendwie auch zum Sinnbild des deutschen Vorrunden-Kollapses wurde. Trist sei es gewesen in Watutinki, sagen Beobachter, menschenleer, abgeschottet, und das möglicherweise mit Absicht. Journalisten sprachen mit Blick auf den oft zitieren "Geist von Malente", der die DFB-Elf 1974 zum WM-Titel mittrug, in Russland spöttisch vom "Ungeist von Watutinki". 

Jetzt soll alles anders werden. Beim nächsten großen Turnier, der Europameisterschaft 2020, wird die DFB-Elf unter Leuten sein. Genauer: unter Adidas-Mitarbeitern. Am Dienstag verkündete der Deutsche Fußball-Bund (DFB), dass man sein Quartier in Herzogenaurach aufschlagen wird.

Die "World of Sports", wie der Komplex im Norden der Stadt heißt, biete ideale Bedingungen. Mehrere Sportplätze findet die Mannschaft von Jogi Löw dort, Beachvolleyball-Anlagen, eine Kletterhalle, ein Stadion, das bis zu 4000 Zuschauer fasst. Einzig eine Unterkunft für Spieler und Trainer-Team fehlt noch. Adidas bestätigt bislang nur, dass man weitere Gebäude auf dem Gelände bauen werde. "Das Basiscamp wird auf die individuellen Bedürfnisse der Mannschaft und das Teams zugeschnitten sein", teilt der Sportartikel-Gigant auf nordbayern.de-Nachfrage mit. Die Anlagen sollen später von Adidas-Mitarbeitern genutzt werden können. "Das temporäre DFB-Quartier ist somit ein nachhaltiges Bauvorhaben."

Unterkunft im Stil des Campo Bahia

Details nennt Adidas dabei nicht und verweist auf einen gemeinsamen Termin mit den Verbands-Verantwortlichen in den kommenden Wochen. "Es steht alles - bis auf das Wohnen, Schlafen und Essen der Mannschaft", wird DFB-Teammanager Oliver Bierhoff im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst aber konkreter. Heißt: Ein Hotel fehlt noch. "Wir werden uns da jetzt mit Volldampf dransetzen." Die Spieler werden beim Gestalten der Räumlichkeiten involviert, sagt Bierhoff. "Es soll die Philosophie vom Campo Bahia (WM-Quartier 2014) umgesetzt werden. Dieser Gedanke des konzentrierten Zusammenseins, eine Mischung aus Arbeiten und Entspannen, werden wir aufgreifen."

Wie die Unterkunft aussieht, dazu sei noch nichts entschieden, betont Bierhoff. Die Spieler könnten in einer Art WG untergebracht werden, das Quartier soll im Stil des Campo Bahia gebaut werden. "Da steht noch nichts. Die gleiche Geschichte wie in Brasilien, es wird etwas aufgebaut. Wir können da Einfluss nehmen und unsere Vorstellungen einbringen." Ein Glücksgriff für die Verantwortlichen.

Stimmung eines olympischen Dorfes

Beim DFB wünscht man sich die Atmosphäre eines olympischen Dorfes, und die Mitarbeiter von Adidas sollen dabei eine Rolle spielen. Das Team soll sich innerhalb der "World of Sports" frei bewegen können, aber auch einen separaten Bereich in der Nähe des Waldes bekommen. "Die Spieler sind froh, wenn sie nicht immer im Bus sitzen und mal zu Fuß oder mit dem Rad zum Training können", sagt Bierhoff.

Bereits in der Vergangenheit war die Nationalmannschaft immer wieder in Herzogenaurach. 2017 etwa, während des WM-Qualifikationsspiels gegen San Marino in Nürnberg, logierten die DFB-Stars dort, wählten aber das Novina-Hotel in unmittelbarer Nähe zum Adidas-Gelände und nutzten die Infrastruktur des Sportartikelherstellers. Zur Europameisterschaft, für die sich Deutschland erst noch qualifizieren muss, soll es individueller, besser, komfortabler werden. 

Kein Nachtflugverbot in Nürnberg

Zuletzt waren neben Herzogenaurach noch Garmisch-Partenkirchen und Murnau im Gespräch. Zwei idyllische Berg-Orte, bei denen die Anreise nach München, wo die DFB-Elf mindestens zwei Vorrundenspiele austragen wird, sogar kürzer gewesen wäre. Den Ausschlag gab aber wohl auch der Nürnberger Flughafen, der von Herzogenaurach bequem in weniger als einer halben Stunde erreichbar ist - und bei dem es kein Nachtflugverbot gibt. Der Dürer-Airport wird damit das "Tor zu Spielorten in ganz Europa sein", wie es der Fußballbund in einer Pressemitteilung formuliert. Rund 230 Kilometer sind es von der "World of Sports" bis zur Münchner Allianz Arena, die damit mit dem Mannschaftsbus erreichbar ist.

"Das ist eine wunderbare Entscheidung", freut sich Herzogenaurachs Bürgermeister German Hacker. Adidas habe aber auch ein tolles Konzept vorgelegt. "Es ist für uns natürlich grandios, dass die Wiege der Sportartikelindustrie die Nationalmannschaft zu Gast haben wird." Ein Eintrag ins Goldene Buch der Stadt sei selbstverständlich gesichert. Und auch darüber hinaus leiste die Stadt gerne Unterstützung. 

Das Gelände, in das Adidas seit 1999 rund eine Milliarde Euro investiert hat, ist hochmodern. Erst kürzlich wurde für 350 Millionen Euro das Bürogebäude "Arena" geschaffen, eine auf Stelzen schwebende Wabenkonstruktion.

2006 bereitete sich die argentinische Nationalmannschaft um Lionel Messi in Herzogenaurach auf ihre WM-Spiele vor. Jetzt also das deutsche Team. "Wir haben eine kleine Oase", sagt Bierhoff. Eine, die eine gewisse Fannähe ermögliche, eine, die keine Tristesse wie die Unterkunft in Watutinki ausstrahle. Die "World of Sports" wirkt wie ein Gegenentwurf zum WM-Quartier in Russland. Denselben Fehler, der Verdacht drängt sich zumindest auf, will der DFB nicht noch einmal begehen.

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