Genuss der Frühjahrs-Lorchel kann tödlich sein

21.4.2020, 14:00 Uhr
Genuss der Frühjahrs-Lorchel kann tödlich sein

Eine interessante kulturgeschichtliche Entwicklung. Hans Krautblatter hat sie erzählt, der Höchstadter Biologe und Pilz-Experte. Eine Frau aus Hemhofen hat ihm dieser Tage drei schöne Exemplare aus dem Markwald gebracht. Durchaus nicht mehr alltäglich, obwohl der im April und im Mai seine Sporenkörper treibende Pilz sandige Kiefernwälder, wie den Markwald, bevorzugt bewohnt. Und dort, so Krautblatter, liebt die Lorchel Störstellen – Wegränder zum Beispiel, wo das Wurzelgefüge der Wald-Vegetation unterbrochen ist.

Lorchel klingt wie Morchel. Tatsächlich wird sie oft mit Morcheln verwechselt, sogar so genannt. Aber wie ihr wissenschaftlicher Gattungsname Gyromitra zu deutsch "gewundender Hut" ausdrückt, zeigt ihr Hut nicht die wabenartige Oberfläche, die die Spitze einer Morchel aufweist, sondern Windungen, ähnlich wie ein Gehirn. Der Artname esculenta zeigt das Problem, das Gyromitra esculenta den Menschen bereitet. Er bedeutet "essbar". Tatsächlich riecht der Pilz auch angenehm dezent und hat einen guten Pilzgeschmack, den die Menschen bis in die Nachkriegszeit auch durchaus geschätzt haben, so Krautblatter.

Aber auch in älteren Pilzbüchern, zum Beispiel im 1968 erschienenen "Taschenbuch für Pilzfreunde" von Bruno Hennig, stehen hinter dem wissenschaftlichen Namen der Frühjahrs-Lorchel gleich drei Todeskreuze und die Warnung "giftig!" Stimmt, sagt Hans Krautblatter. Der Pilz enthält das starke Gift Gyromitrin. Dieses aber zerfällt bei Temperaturen ab 60 bis 65 Grad Celsius. Wird die Lorchel etwa 20 Minuten gut gekocht, das Kochwasser danach weggegossen, kann man den guten Geschmack der Lorchel unbesorgt genießen.

Das haben die Leute früher so gehalten. Die Lorchel war als schmackhafter Speisepilz beliebt. Aber später kam es immer mehr auf, aus Pilzen einen Salat zu machen, heutzutage auch ein Carpaccio. Wer dies mit einer Lorchel tut, hat schlechte Karten: Er kann sich schwer vergiften und sogar an dem Pilzgift sterben. So hat sich die Lorchel seit etwa 60 Jahren einen immer schlechteren Ruf erworben. Dabei ist er auch getrocknet nach einigen Monaten nicht mehr giftig, sein Gyromitrin zersetzt sich allmählich, wenn die Flüssigkeit fehlt.

Ein Glücksfall

Natürlich, sagt Hans Krautblatter, sollte man nur Pilze sammeln und essen, die man 100-prozentig sicher kennt und zu verarbeiten weiß. Die Frühjahrs-Lorchel wird in unserer Gegend ohnehin nicht mehr für große Mahlzeiten reichen. Als er Anfang der 1970er Jahre in den Aischgrund kam, sagt Hans Krautblatter, war sie weit verbreitet, er selbst kannte in der Grethelmark mindestens acht Vorkommen, weitere im Markwald. Heute ist ein Fund schon fast ein Glücksfall, zwei Lorchel-Ecken kenne er nur noch.

Der Überlieferung nach hat die Verwechslung von Morchel – für Hans Krautblatters Geschmack der Speisepilz "Nummer eins" – und Lorchel schon im Altertum ein prominentes Opfer gefordert. 483 vor Christus starb im indischen Kushinagar nach dem Genuss eines Morchel-Lorchel-Gerichts Siddhartha Gautama, genannt Buddha, der Erleuchtete.

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