Sozialdemokraten "waren immer dabei"

24.4.2018, 17:13 Uhr
Sozialdemokraten

© Foto: Athina Tsimplostefanaki

Nicht die CSU hat den Chiemsee ausgegraben und die Regnitz gefurcht. Die SPD auch nicht. Das hat schon der liebe Gott geschaffen, sagte der Festredner, der Vorsitzende des Landtagsausschusses für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen. Franz Schindler aus Schwandorf wies gegen Ende seines ebenso fundierten wie humorigen und emotionalen Vortrags auch ausdrücklich auf die Leistungen der Christsozialen in der zweiten bayerischen Republik nach 1945 hin.

"Aber wir", betonte Franz Schindler, "waren immer dabei und in den entscheidenden historischen Momenten auch immer auf der richtigen Seite."

Nun, gegen Ende des Ersten Weltkriegs, als eine Art Burgfrieden mit dem Kaiserreich geherrscht hatte, spaltete sich die SPD auf. Die Mehrheit der Sozialdemokraten strebte in der MSPD eine konstitutionelle Monarchie an, wollte reformieren, nicht revoltieren. Der Journalist Kurt Eisner und die Genossen in der USPD trugen dagegen die Idee einer sozialistischen Republik in ihren Köpfen.

Franz Schindler hob hervor: Im Gegensatz zu vielen Darstellungen war Eisner kein Marxist, strebte nicht die Diktatur des Proletariats an oder war als Zeitungsmann der "Hausliterat" der Kommunistischen Partei. Und natürlich wies Schindler darauf hin, dass der "Urheber" des Freistaats immerhin 20 Jahre in der SPD gewesen war – vor der Spaltung.

Nach einer Kundgebung auf der Theresienwiese am 7. November 1918 hat die Genossen ob des Zuspruchs von über 15000 Menschen der revolutionäre Funke gepackt. Sie zogen zu den Kasernen, forderten die noch königliche Armee auf, sich ihnen anzuschließen – und die Soldaten taten dies.

Tags darauf war es vorbei mit dem Königreich. "Bayern ist ein Freistaat", war der Geburtssatz der ersten Republik, Kurt Eisner wurde Ministerpräsident, bekam dann 100 Tage Zeit, Arbeiter- und Soldatenräte und die ja noch gewählten Abgeordneten des Landtags "mitzunehmen", wie man es heute ausdrücken würde.

Heraus kam die am 4. Januar 1919 angenommene erste demokratische Verfassung Bayerns. Sie schrieb unter anderem das Frauenwahlrecht fest, den Acht-Stunden-Arbeitstag, führte ein Sozialministerium ein und hob die geistliche Schulaufsicht auf.

Heraus kam auch eine vernichtende Niederlage von Eisners USPD bei den Landtagswahlen am 12. Januar 1919. Die Partei bekam nur 2,53 Prozent der Stimmen. Die MSPD kam auf 33 Prozent, die konservative Bayerische Volkspartei auf 35 Prozent. Referent Schindler: "Also immer noch eine linke Mehrheit im Landtag."

Als Kurt Eisner am 21. Februar gegen alle Warnungen zu Fuß zum Parlament ging, um seinen Rücktritt zu erklären, erschoss ihn der junge Anton Graf Arco auf Valley, Angehöriger der rechtsradikalen Thule-Gemeinschaft, aus Gerichtssicht freilich ein "Einzeltäter".

Wahrscheinlich gerade wegen dieses Mords, so Franz Schindler, brach die Gewalt aus. In München kam es zur Räterepublik, eine Minderheitsregierung von Bamberg aus, wo auch die zweite bayerische Verfassung im E.T.A.-Hoffmann-Theater formuliert wurde, den Aufstand nieder.

"Die Reaktion", so Franz Schindler, "hatte sich durchgesetzt, unterstützt von Wirtschaft, Justiz und weiteren Kreisen". Und ebenfalls in München hatte Adolf Hitler erste Zeichen gesetzt, der nach nur 15 Jahren dem ersten demokratischen Freistaat – am 29. April 1933 – ein Ende setzte.

Warum dieser Freistaat gescheitert ist? Franz Schindlers Antwort: "Weil es zu wenige Demokraten gab und weil sie sich nicht einig waren an den entscheidenden Tagen."

Warum es sich trotzdem lohnt "100 Jahre Freistaat" zu feiern, obwohl es ja nur 87 demokratische Jahre gewesen sind? Um diese zentrale Frage seines Referats mit einem "Ja" zu beantworten, schlug Franz Schindler den Bogen zur dritten bayerischen Verfassung, die bis heute gilt. Der Sozialdemokrat Wilhelm Högner, nach Fritz Schäffer zweiter Ministerpräsident nach dem Krieg, hatte sie mit "einem Wurstbrot, Äpfeln und ein paar Gesetzentwürfen" im Gepäck, zitierte Schindler, als er aus dem erzwungenen Schweizer Exil von den Amerikanern zurückgeholt wurde. "Eine schöne Verfassung", so Schindler, die es sich zu lesen lohnt. Sie gibt den Bayern soziale Rechte und Einmaliges, wie das Betretungsrecht für alle bayerischen Wälder. Sie fordert den Mindestlohn und schreibt vor, dass alle Kinder nach ihren Fähigkeiten gefördert werden müssen.

Weil an diesen Errungenschaften, die einen Fortschritt ermöglicht haben, wie ihn, so Schindlers Beispiel, seine Oma, Jahrgang 1900, in der armen Steinpfalz nie für möglich gehalten hätte, seit 100 Jahren stets Sozialdemokraten maßgeblich beteiligt waren, lohne es sich zu feiern.

Und, so Schindler, weil sich die SPD, obwohl seit 60 Jahren in der Opposition, nicht in die Ecke stellen lasse: "Wir sind auch bei der Feuerwehr und bei den Haserern."

Gäste aus den Hilfsorganisationen, den Kirchen und sozialen Einrichtungen, die Alexandra Hiersemann in das "Kreuz und Quer"-Gebäude am Bohlenplatz eingeladen hatte, dokumentierten dies. Mit Jazz-Standards lockerten Alberto Diaz am Flügel und Rainer Glas am Bass die Feier auf.

Philipp Dees, stellvertretender Fraktionssprecher der SPD im Erlanger Stadtrat, las abschließend drei Botschaften aus der 100-jährigen Geschichte. Sie zeige, dass es bei wichtigen Entscheidungen stets Sozialdemokraten gebraucht habe. Das Scheitern der ersten Republik zeige auch, wie dünn das Fundament der Demokratie sein könne. Beim Erstarken der Nationalsozialisten hätten konservative Kräfte zu lange zugesehen, sie für "Spinner" gehalten. Das könne uns heute nur zur Warnung dienen.

Schließlich, so Dees, zeige die Geschichte, dass eine Demokratie Stabilität gewinne, wenn Wohlstand gerecht verteilt werde. Und auch dies klaffe heute wieder auseinander, die Teilhabe schwinde, bei Wohnung, sozialer Unterstützung und Arbeit.

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