In den Rathäusern ist fast nichts mehr tabu

25.1.2003, 00:00 Uhr
In den Rathäusern ist fast nichts mehr tabu

© Rainer Windhorst

„Alles, was gemeinsam erledigt werden kann, muss zur Disposition stehen“, sagt Balleis. „Was wäre anders, wenn alle vier Städte eine Stadt wären?“, fragt Maly. „Der Individualverkehr kennt doch auch keine Grenzen“, sagt Jung. „Wir müssen die Zusammenarbeit mit den Landkreisen stärken.“

Städtefusion ausgeschlossen

Es tut sich etwas in der Region - und es tut sich nicht in aller Öffentlichkeit. So treffen sich seit einiger Zeit die vier Oberbürgermeister mit den Landräten der Kreise Roth, Nürnberger Land, Erlangen-Höchstadt und Fürth. Alles ganz locker, ohne Protokoll, über Parteigrenzen hinweg. Interner Arbeitstitel: „Gaby trifft ihre Jungs“, weil die Fürther Landrätin Gabriele Pauli die einzige Frau in der Männerrunde ist. Besprochen wird in diesem Kreis alles, was den Politikern und der Politikerin auf den Nägeln brennt im Zusammenleben der rund 1,2 Millionen Menschen im Ballungsraum.

Es ist das „Preisdiktat der leeren Kassen“ (Balleis), das die „Verabschiedung vom Kirchturmdenken“ (Maly) eingeleitet hat. „Muss jede der drei Städte eigentlich ein eigenes Statistikamt haben oder genügt ein Amt für alle drei?“, denkt Jung nach. „Können zum Beispiel Gärtner-Auszubildende nicht auch in einer Berufsschule unterrichtet werden? Sollten die Bildungsangebote der Volkshochschulen gebündelt werden? Können die Feuerwehren nicht gemeinsam zur Ausbildung fahren?“

Alles scheint möglich geworden zu sein in einer Region, in der noch vor rund zehn Jahren jede der drei Großstädte eine eigene Müllverbrennung haben wollte, weil das Konzept des jeweiligen Nachbarn nicht passte. Da gibt es die Planungs-, Kultur-, Umwelt- und Wirtschaftsreferenten, die sich regelmäßig zu Gesprächen treffen. Da gibt es eine Institution mit dem sperrigen Namen „Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung“, eine Art McKinsey für Gebietskörperschaften, die prüft, wo und wie die Städte im Ballungsraum effizient kooperieren könnten.

Allerdings schließen die Oberbürgermeister eine Kooperation natürlich aus: Es wird keinen Zusammenschluss von Nürnberg, Fürth und Erlangen zu einer Stadt geben. In diesem Fall sagen Balleis, Jung und Maly „ist die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihren Städten doch zu groß“. Maly erinnert an das Beispiel der Kunststadt „Lahn“ in Hessen, die 1977 aus Gießen und Wetzlar entstand und keine Zukunft hatte, weil die Bürger dies nicht wollten.

Und es gibt noch eine Hürde, die kein Demokrat überwinden kann: die jeweiligen Stadträte haben immer das letzte Wort, wenn es um die Zusammenarbeit der Kommunen geht. Da können die Oberbürgermeister noch so visionär auf Sparkurs sein - wenn das jeweilige Stadtparlament „Nein“ sagt, müssen die Visionen der Realität angepasst werden.

Zwar versuchen die Stadtoberhäupter in ihren Gesprächen die lokalen Grenzen zu überwinden, „aber die Mitglieder der Stadträte denken daran“ (Balleis). Bei einer Podiumsdiskussion der Karl-Heinz-Hiersemann-Gesellschaft in Erlangen stellte Maly auch die Fragen in den Raum, „ob es nicht eigentlich egal ist, ob Gewerbesteuerbescheide aus Nürnberg, Erlangen, Fürth oder Schwabach verschickt werden? Können Bauhöfe und Fuhrparks zentralisiert werden?“

Gemeinsam verfolgen die vier Oberbürgermeister auch eine Strategie, um für die Region bei den politisch Mächtigen Erfolg zu haben: Siegfried Balleis (CSU) wird in München vorstellig, Ulrich Maly, Thomas Jung und Hartwig Reimann (alle SPD) sprechen in Berlin vor, um die Interessen der Region anzumelden. All das dient dem Ziel, „mental in der Region weiterzukommen“ (Maly). Und gemeinsam zu sparen.