Islam-Unterricht soll Wahlpflichtfach in Bayern werden

22.7.2020, 06:00 Uhr
Trotz positiver Bewertung durch Schüler und Experten steht die Zukunft des Islamunterrichts in den Sternen.

© Frank Rumpenhorst/dpa Trotz positiver Bewertung durch Schüler und Experten steht die Zukunft des Islamunterrichts in den Sternen.

Es ist inzwischen von knapp 100 Lehreren an rund 350 Schulen im Freistaat Praxis. Jetzt soll der bisherige Islamische Unterricht zu einem Wahlpflichtfach weiterentwickelt. Nach Auskunft des Kultusministeriums laufen bereits die Vorbereitungen, das Bayerische Unterrichts- und Erziehungsgesetz entsprechend zu ändern. Im Herbst soll es so weit sein. Kurse für die Fortbildung der Lehrkräfte, die den bisherigen Islamischen Unterricht erteilen, hätten bereits begonnen. Der Lehrplan werde angepasst.


Lehrerverband fordert mehr Islamunterricht in Bayern


Wenn der Landtag zustimmt, werde, so das Ministerium mit der "möglichen Verstetigung" dieses Unterrichts ab dem Schuljahr 2021/2022 eine Ausweitung der schulischen Standorte "bedarfsgerecht" erfolgen. Auch dafür liefen bereits die Vorbereitungen.

Je nach Bedarf

Ein solches Wahlpflichtfach wird ähnlich bei manchen Sprachen oder auch beim Fach Ethik an den Schulen nach Bedarf eingerichtet. Das heißt, Schüler, Eltern und die Schule selbst müssen gemeinsam feststellen, ob und in welchem Ausmaß ein solcher Islamischer Unterricht gewünscht wird. Dann wird versucht, entsprechende Lehrkräften zu organisieren.

Die Pläne des Ministeriums stoßen auf ein geteiltes Echo. Rainer Oechslen, langjähriger Islam-Beauftragter der evangelischen Landeskirche und engagierter Verfechter eines solchen Unterrichts für muslimische Schüler, spricht von einem Fortschritt. Der Staat verpflichte sich damit, die notwendigen Lehrer auszubilden und diese auf Dauer anzustellen. Bisher mussten die Verträge immer wieder Jahr für Jahr verlängert werden. Das brachte für die Lehrkräfte Unsicherheiten mit sich.

Nach Oechslens Ansicht müsste allerdings sichergestellt sein, dass die Lehrkräfte selbst Muslime sind. Nur so werde der Unterricht von den muslimischen Schülern und ihren Eltern akzeptiert. Und es müssten zentrale Inhalte des Islams vermittelt werden. Nach wie vor handelt es sich auch bei dem neuen Fach nämlich nicht um einen muslimischen Religionsunterricht. Der ist in Bayern nicht möglich, weil dafür eine anerkannte Religionsgemeinschaft als Ansprechpartner fehlt, den das Grundgesetz vorschreibt.

Deutliche Kritik

Deutlich kritischer sieht die Entwicklung zu einem Wahlpflichtfach Tarek Badawia, Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am Lehrstuhl für Islamisch-Religiöse Studien mit Schwerpunkt Religionspädagogik. Man sei für die muslimische Schülerschaft bei einer pragmatischen Wahlpflicht-Option nach dem Motto "Melde dich, wenn nicht, gehe in Ethik" gelandet.


Der Islamunterricht in Bayern steht auf der Kippe


Bayern Kultusminister Michael Piazolo (FW) habe, so Badawia, selbst von einem "erweiterten Ethikunterricht mit besonderer Erwähnung des Islam" gesprochen. Dafür müsse man die dauerhafte Abwertung des Faches sowie den Verlust des Anspruchs auf einen konfessionellen Religionsunterricht, der im Grundgesetz garantiert wird, in Kauf nehmen, meint der Erlanger Wissenschaftler.

Die muslimische Gemeinschaft gerate dadurch in ein Dilemma. Boykottiere sie dieses staatliche Angebot, riskiere man dessen Abschaffung mangels ausreichender Anmeldungen. Mache sie mit, bestätige sie einen Kurs, den sie nie gewollt habe. Man habe nicht die Wahl zwischen gut und schlecht, sondern zwischen schlecht und noch schlechter.

"Unmut und Enttäuschung"

Das Ziel des Islamunterrichts werde, so Tarek Badawia, ausschließlich unter integrationspolitischen Gesichtspunkten definiert und nicht als eigener Religionsunterricht. "Dass diese Haltung unter den Muslimen Unmut und Enttäuschung auslöst und als Ausgrenzung wahrgenommen wird, ist für die Entscheidungsträger offenbar zweitrangig."

Auch das Erlanger Modell sei getragen gewesen von dem Bestreben, einen Religionsunterricht in deutscher Sprache von religionspädagogisch ausgebildeten Lehrkräften anzubieten, mit einem von der Glaubensgemeinschaft mit dem Kultusministerium ausgearbeiteten Lehrplan und Kontakt zu muslimischen Gemeinden vor Ort. "Daran soll das neue Angebot gemessen werden", fordert Badawia.