Katastrophe wie in London ist auch in Franken möglich

20.6.2017, 05:57 Uhr
Hochhaus in Flammen: Den "Langen Johann" in Erlangen traf es breits mehrfach.

© Klaus-Dieter Schreiter Hochhaus in Flammen: Den "Langen Johann" in Erlangen traf es breits mehrfach.

Es ist derzeit eine brennende Frage: Wie schnell kann sich Feuer an den Fassaden von Wohnhäusern ausbreiten, die mit Dämmplatten ummantelt sind? "Das kann mit unseren Brandvorschriften nicht passieren", erklären die Feuerwehren aus Nürnberg, Fürth und Erlangen zwar einstimmig zur Brandkatastrophe in einem Londoner Hochhaus. Bei Gebäuden mit mehr als 22 Metern Höhe darf nur mit nicht brennbarem Material wie Stein- oder Mineralwolle gedämmt werden, ab 60 Metern muss es zusätzlich eine Sprinkleranlage geben. Doch was ist mit Häusern, die niedriger als 22 Meter sind?

"Bei 21,99 Metern ist eine schwer entflammbare Isolierung der Außenfassade erlaubt", erklärte Fürths Feuerwehrchef Christian Gußner im Gespräch mit den Fürther Nachrichten. Brandriegel aus nicht brennbarem Material sollen verhindern, dass der Brand sich über mehr als zwei Stockwerke ausbreitet. Bei privaten Ein- oder Zweifamilienhäusern darf außerdem "normal" entflammbares Material zur Dämmung verwendet werden, ergänzt Jochen Noack, Prüfsachverständiger für Brandschutz aus Nürnberg.

Ein Knackpunkt in Deutschland ist das Material Polystyrol, das als Wärmedämmung verbaut wird. Im Zuge energetischer Sanierungen (Stichwort: Energieeinsparverordnung) sind die Platten in den vergangenen Jahren an zig Fassaden von Ein- und Mehrfamilienhäusern geschraubt worden. Polystyrol, auch unter dem Markennamen Styropor bekannt, ist bei Häuslebauern und Immobilienbesitzern beliebt, weil das Baumaterial sich leicht verarbeiten lässt und günstig ist.
Doch die Dämmplatten sind aus Erdöl hergestellt und damit brennbar. Zwar mit dem Zusatz "schwer", doch "wenn sie einmal brennen, dann brennen sie richtig", sagt Gerhard Steinmann, Leiter der städtischen Bauordnungsbehörde in Nürnberg.

Verkannte Gefahr

"Wenn vor einem fünfstöckigen Mietshaus ein Pkw brennt, greift das Feuer leicht auf die Fassade über, innerhalb von zwei Minuten brennt die ganze Fassade, die Fensterscheiben platzen, innerhalb von fünf Minuten stehen alle Wohnungen in Brand", verdeutlicht Roland Demke, Leiter der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg. Mehr als 120 solcher Brände in den letzten zehn Jahren seien dokumentiert. "Seit vielen Jahren weisen wir auf die Gefahr hin, getan hat sich seither nichts", meint Demke.

Schwerstarbeit für die Feuerwehr

Für die Einsatzkräfte bedeuten Brände in Hochhäusern unangenehme Bedingungen. Weil ab Feuerherden im achten Stock oder höher die Drehleiter zu kurz ist, müssen die Feuerwehrleute Ausrüstung und Schläuche mit dem Feuerwehraufzug nach oben bringen - oder, in älteren Gebäuden ohne Feuerwehraufzug, über die Treppe hinauf schleppen.

Das passierte zum Beispiel 2012 im Langen Johann, mit 27 Stockwerken das höchste Hochhaus in Erlangen. Als dort in einer Wohnung im neunten Stock ein Feuer ausbrach, mussten seine Leute mühevoll die Treppen hinauf laufen, erinnert sich der Erlanger Stadtbrandrat Friedhelm Weidinger. Der Aufzug war zwar als"Feuerwehraufzug" gekennzeichnet, erfüllte jedoch nicht die heutigen Kriterien. Eine Ausbreitung des Feuers konnten die Einsatzkräfte trotzdem verhindern.

In Nürnberg verliefen Hochhausbrände bisher ebenfalls ohne unkontrollierte Feuersbrünste. Die Grundig-Türme, der Norikus-Bau, Hochhäuser in Langwasser und Großgründlach, überall dort hat es schon gebrannt. Doch die Flammen wurden bisher immer gelöscht, bevor das ganze Gebäude betroffen war.

Eigentümer ist für Brandschutz verantwortlich

Der Nürnberger Brandschutzsachverständige Noack hält die Vorschriften insgesamt für ausreichend - wenn sie denn eingehalten werden. Ausnahmen gebe es bei denkmalgeschützten Gebäuden und Häusern, die unter Bestandsschutz fallen.

Haben Mieter Zweifel am Brandschutz, sollten sie sich an den Eigentümer wenden, rät Noack. Der ist in Deutschland für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich. Im Zweifel können besorgte Mieter außerdem einen Sachverständigen für Brandschutz hinzuziehen.

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