Laut, eng, voll: So ist Radfahren in Erlangen

4.6.2021, 17:02 Uhr
Laut, eng, voll: So ist Radfahren in Erlangen

© Klaus-Dieter Schreiter, NN

Das Fahrrad war schon immer mein bevorzugtes Verkehrsmittel. Da ich kein eigenes Auto habe und mir zu Fuß grundsätzlich alles zu lange dauert, setze ich meist auf die Kombination aus öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrad – je nach Entfernung. Passend zum Weltfahrradtag sollte es aber mal ausschließlich der Drahtesel sein. Und eine neue Stadt lässt sich ohnehin am besten auf zwei Rädern erkunden. Noch dazu, wenn es eine der selbsternannten Fahrradstädte Deutschlands ist – die Zeitungsredaktion besitzt in Erlangen sogar ein Dienst-Fahrrad.

Voll, eng, laut

Helm auf – und schon schwinge ich mich auf das schwarze Drei-Gang-Herrenrad, dessen Korb munter klappert und meinen Rucksack beherbergen darf. Gleich meine erste Route flößt mir Respekt ein: Es ist laut, es ist eng, es ist voll. Auf der Goethestraße biegt von gegenüber ein Auto ein, zwei Busse ziehen hintereinander aus Richtung Arcaden Richtung Bahnhof vorbei. Auf dessem Vorplatz wimmelt es sogar in der Pandemie von Fuß- und Radverkehr, aber: Auch Autofahrer fahren immer wieder durch die für sie eigentlich gesperrte Straße – "Durchwursteln" heißt es für mich. "Das ist leider ein Dauerproblem – trotz guter Beschilderung. Diejenigen, die dort durchfahren, können wir nur ermahnen – es wird immer wieder kontrolliert", bestätigt mir später Josef Weber, Bau- und Planungsreferent der Stadt am Telefon.

Fahrradboom während der Pandemie

Jürgen Schreiber wurde in das Thema Rad bereits hineingeboren und setzt auf das Thema E-Bikes. 

Jürgen Schreiber wurde in das Thema Rad bereits hineingeboren und setzt auf das Thema E-Bikes.  © Katja Kiesel

Ich lasse die Innenstadt hinter mir und verfahre mich erst einmal kurz. Dann liegt er bald vor mir: Der Bike-Center Schreiber in Büchenbach. Wenn sich jemand mit dem Thema Rad auskennt, dann Geschäftsführer Jürgen Schreiber – er wurde ins Radfahren hineingeboren und hat das Geschäft von Vater Georg übernommen. Er gehört – wie alle Fahrradgeschäfte – zu den Profiteuren der Corona-Krise: "Die Pandemie war tatsächlich eine einmalige Situation für uns." Das Fachgeschäft wurde bereits im vergangenen Jahr überrannt: Vor allem E-Bikes sind plötzlich begehrt wie nie zuvor. Doch der Wandel kam schon vor dem Virus: Während früher das Auto ein Prestige-Objekt war, habe sich das umgekehrt: "Die Leute sind bereit, viel Geld für ihr Fahrrad auszugeben und wir waren 2020 sogar bei den hochpreisigen High-End-Modellen schnell ausverkauft." Es habe sogar Kunden gegeben, die weg vom Auto, hin zum Rad wollten. Dieses grüne Umdenken beobachte er immer öfter unter seinen Kunden, der Boom, so hofft Jürgen Schreiber, wird also anhalten.

Bremslicht und Crash-Sensor

Wenn ich schon mal vor Ort bin, zeigt mir Schreiber ein SUV – eine Mischung aus E-Mountainbike und E-Trekking-Bike, tauglich für jedes Gelände. Für 5000 Euro bekäme ich sogar Fern- und Bremslicht sowie einen Crash-Sensor: Erkennt das System einen Unfall, muss der Fahrer bestätigen, dass es ihm gut geht. Sonst setzt das Rad einen Notruf ab. Ein GPS-Tracker sichert es zusätzlich zum Schloss. Doch der Boom hat einen Haken: "Aktuell kriegt man gar nichts mehr. Nur das, was ich bereits bestellt habe." Für 2022 musste er vor drei Wochen bereits die Bestellung absetzen. Die Hersteller sind überverkauft, es steht jetzt schon fest, dass Schreiber nicht alles bekommen wird, was er bestellt hat. "Es sind mehr geordert, als die Industrie fertigen kann." Wer sich also ein Fahrrad zulegen will, der muss schnell sein.

Durch Engstellen und Fahrradstraßen

Christiane Heusel verzichtet seit zwei Jahren gänzlich auf den Pkw – dafür hat sie vier Räder.

Christiane Heusel verzichtet seit zwei Jahren gänzlich auf den Pkw – dafür hat sie vier Räder. © Katja Kiesel

Nicht auf der Suche nach einem neuen Rad ist Christiane Heusel, denn sie besitzt schon vier. Auf einem sitzt sie, als ich in Frauenaurach ankomme – es ist ein Klapprad, das sie handlich auch im Zug mitnehmen kann.Vor zwei Jahren hat sich die Bruckerin, die sich Kreisverbandes des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) engagiert, gänzlich vom Auto verabschiedet. Sie brauche es einfach nicht, sagt sie. Wir fahren über den Herzogenauracher Damm zurück ins Zentrum. An der Überquerung der Regnitz wartet eine Engstelle, auch der Radweg ist sehr schmal. Lkw und Autos rauschen dicht an uns vorbei, mir wird mulmig. Wir überqueren in der Folge eine schlecht einsehbare, stark befahrene Straße, und landen in einer Fahrradstraße wie der Michael-Vogel-Straße. Hier hat der Radfahrer Vorrang vor den Autos, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 30 km/h, der Radler darf nicht überholt werden. Der Haken: Welcher Autofahrer weiß das schon? Prompt werden wir überholt, an beiden Straßenseiten parken Autos – sicher und übersichtlich geht anders. Es braucht eine bessere Beschilderung und weniger Parkplätze, findet Heusel.


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Durchgängigkeit fehlt an mancher Stelle

Die Michael-Vogel-Straße gehört zu acht Erlanger Fahrradstraßen, die in den nächsten drei Jahren umgestaltet werden sollen. Beim Abbiegen in die Koldelstraße endet der Radweg plötzlich, ich finde mich auf dem Gehweg wieder. "Das ist ein ganz schöner Flickenteppich: Manchmal enden die Radwege, manchmal sind sie in beide Richtungen befahrbar und auf einmal nicht mehr." Trotzdem, findet Heusel ist Erlangen noch verhältnismäßig fahrradfreundlich: "Wenn Sie zum Beispiel einmal in Nürnberg radeln, fürchten Sie um ihr Leben!" Für den ADFC haben ein durchgängiges Fahrradnetz sowie wetterfeste Talüberquerungen, eine bessere Anbindung der Pendler und damit die Einbeziehung der Landkreisgemeinden Priorität. Sie wünscht sich, dass ein Umdenken stattfindet, mehr Leute so wie ich heute ausprobieren, was mit dem Fahrrad möglich ist und das Auto häufiger stehen lassen.

Ein Schnellweg für Pendler?

Auch Josef Weber aus dem Planungs- und Baureferat ist auf dem Dienstrad unterwegs.

Auch Josef Weber aus dem Planungs- und Baureferat ist auf dem Dienstrad unterwegs. © Stadt Erlangen

Ähnlich sieht das Josef Weber, der Planungsreferent der Stadt. Ein Fahrradschnellweg für Pendler gehört zu den diskutierten Projekten. "In vier bis fünf Jahren", so Weber, sollen Nürnberg und Erlangen so vernetzt sein. "Wir liegen auf einem sehr guten Niveau, weil auch die Zusammenarbeit mit den Verbänden sehr gut funktioniert und wir auch innerhalb der städtischen Verwaltung sehr fahrradaffin sind", findet er. Weber selbst fährt genau wie ich Dienstrad. Es gibt Lastenräder für Mitarbeiter und wer auf einen Autostellplatz verzichtet, bekommt Vergünstigungen im ÖPNV inklusive Fahrradmitnahme. Ziel der Stadt sei es, das Radfahren attraktiver zu machen.

Sicherheit auf der Signalfarbe

Ein Beispiel dafür hier die Henkestraße, deren rot eingefärbte Fahrradspur ich auf dem Rückweg in die Redaktion befahre. Auch hier rauscht der Verkehr zügig an mir vorbei – doch die Signalfarbe zeigt Wirkung: Die Fahrzeuge halten Abstand, ich werde gesehen, fühle mich sicherer. Am Bahnhof angekommen suche ich lange vergeblich zwischen all den Drahteseln, die hier kreuz und quer liegen und lehnen, einen freien Abstellplatz.

Ich treffe Carmen Schmehl, die zwischen Hirschaid und Erlangen pendelt, an beiden Bahnhöfen ein Rad stehen hat. "Es gibt deutlich zu wenige Stellplätze", findet sie. "Die Schrott- und Geisterräder sollten entfernt werden." Anne Steiner-Lindner, die ebenfalls einen Parkplatz sucht, nutzt in der Innenstadt nur noch ihr Rad mit den zwei Körben. "Ich wohne in Sieglitzhof und entlang der Schwabach ist die Anbindung toll zu fahren." Mein Eindruck ist ähnlich: Natürlich habe ich heute nur einen kleinen Teil Erlangens beradeln können, doch ich spüre: Es tut sich was für die Fahrradfahrer – und für die Umwelt, die Gesundheit und den innerstädtischen Wohlfühlfaktor.

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