Merkwürdig: Was macht fränkische Biermarke in Übersee?

22.8.2020, 05:58 Uhr
Polsterbräu kommt selten aus dem Zapfhahn. Wer "Blondes", "Gülden Pils" oder "Ur-Märzen" der wiederbelebten Biermarke haben will, muss auf den Online-Handel zurückgreifen. Das Geschäft läuft inzwischen hauptsächlich im Internet ab.

© Roland Weihrauch, dpa Polsterbräu kommt selten aus dem Zapfhahn. Wer "Blondes", "Gülden Pils" oder "Ur-Märzen" der wiederbelebten Biermarke haben will, muss auf den Online-Handel zurückgreifen. Das Geschäft läuft inzwischen hauptsächlich im Internet ab.

Ob dunkler Doppelbock, Zwickelbier oder unfiltriertes Helles: "Polsterbräu" wirbt ungeniert mit "162-jähriger Brautradition" auf seiner Homepage. "Nach 44 Jahren Abstinenz endlich wieder da!", heißt es weiter unten. Doch wer wissen will, wer das "traditionelle Bier aus Oberfranken", das lange nicht mehr zu haben war, wiederbelebt hat und wer hinter den knalligen Etiketten steckt, die tief dekolletierte Frauen im Dirndl zeigen, sucht vergeblich.


Nankendorf: "Die Marke Polsterbräu gehört mir"


Denn der Firmensitz liegt im Ausland: "Polsterbräu Ltd." firmiert, so weist es das Impressum aus, im New Horizon Building, Ground Floor, 3 ½ Miles Philip S.W. Goldson Highway in Belize City. Nicht die beste Gegend im kleinen Staat Belize in Mittelamerika. Eine Journalistin unserer Zeitung, die vergangenes Jahr auf ihrer Amerikareise auch einen Abstecher nach Belize und Belize City gemacht hat, berichtet von einer gefährlichen Hauptstadt, in der Gangs regieren und kaum Frauen auf den Straßen zu sehen sind.

Fürther vermittelte das Geschäft

Der Goldson Highway ist eine nicht sehr einladende Geschäftsstraße, an der sich Bars, Autohändler und Banken angesiedelt haben. Dennoch war sie in der Vergangenheit auch bei europäischen Firmen sehr beliebt: Die panamaische Kanzlei Mossack Fonseca des in Fürth geborenen Anwalts Jürgen Mossack und seines Geschäftspartners Ramón Fonseca vermittelte 40 Jahre lang auch dort Briefkastenfirmen, oft ausgestattet mit Scheindirektoren, um das wahre Geschäftsgebaren zu verschleiern.

Vor vier Jahren enthüllte ein weltweites Journalistenkonsortium unter der Regie der Süddeutschen Zeitung diese Machenschaften, die unter dem Stichwort Panama Papers berühmt wurden. Seitdem ist bekannt, dass im New Horizon Building am Goldson Highway in Belize City sich Briefkastenfirmen in der Steueroase tummeln.

Erlös für die Parteiarbeit?

Hobbybrauer Janus Nowak erschien im Juni 2018 beim Treffen der Rechtsradikalen im thüringischen Themar mit dem Schriftzug "Polsterbräu" auf seinem Hemd. Kurz vorher hatte er die Braurechte in Nankendorf erworben.

Hobbybrauer Janus Nowak erschien im Juni 2018 beim Treffen der Rechtsradikalen im thüringischen Themar mit dem Schriftzug "Polsterbräu" auf seinem Hemd. Kurz vorher hatte er die Braurechte in Nankendorf erworben. © JONAS MILLER, NN

Was bringt das aber einer kleinen fränkischen Biermarke? Auskunft darüber könnte Janus Nowak aus Nufringen im Landkreis Böblingen geben, seit Februar 2018 geschäftsführender Inhaber der "Polsterbräu". Doch Nowak, NPD-Landeschef im Ländle, hält sich im Hintergrund. Mit unserer Redaktion will der 1978 in Polen geborene Rechtsextreme trotz vielfacher Versuche nicht sprechen.

Auf Treffen von Neonazis im thüringischen Themar jedoch ist er gesichtet worden, auf dem Sommerfest der Berliner NPD vor zwei Jahren wurde "Polsterbräu" ausgeschenkt. In der Parteizeitung "Deutsche Stimme" teilte er vor zwei Jahren mit, der Erlös aus dem Verkauf der "oberfränkischen Bierspezialitäten" fließe zu großen Teilen in die "politische Arbeit". Zudem wolle er den Verkauf im "polnisch verwalteten Schlesien" ankurbeln, um "so wieder einen Fuß auf den Boden unserer Heimat im Osten zu bekommen", wie ihn die Stuttgarter Wochenzeitung Kontext zitiert.

Urteil wegen Volksverhetzung

Nowak ist mehrfach vorbestraft, 2010 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen Volksverhetzung, weil er KZ-Häftlinge verharmlosend als "jüdische Kriegsgefangene" bezeichnet hatte. Der gelernte Stahlbetonbauer arbeitet heute als Internetunternehmer. Auch sein Bier, das er seit dem Erwerb der Marke anbietet, wird fast ausschließlich im weltweiten Netz vertrieben.

Er gilt als Hobbybrauer, doch in der Branche will man mit ihm nichts zu tun haben. "Das ist kein Bier, für das sich normale Menschen interessieren", sagt Experte Markus Raupach aus Bamberg. Auch andere Kenner halten Abstand zum "braunen Bier". Doch wo lässt Nowak, der über keine eigene Braustätte verfügt, weil sich die Gemeinde Waischenfeld das brachliegende Gebäude in Nankendorf in letzter Minute gesichert hatte, seinen Sud brauen?

"Abgefüllt in Oberfranken"

"Gebraut und abgefüllt in Oberfranken" ist auf den Etiketten in Deutsch und Polnisch zu lesen. Wo genau? Die geografische Herkunftsangabe sei verpflichtend, heißt es beim Bayerischen Brauerbund. Korrekterweise müsse Nowak darauf hinweisen, dass er den Gerstensaft nicht selbst herstellt, sagt Justiziar Robert Scholz. Nähere Angaben zu Hersteller und Abfüller seien vorgeschrieben, doch leider habe man es öfter mit unzureichender Kennzeichnung zu tun.

Recherchen unserer Zeitung haben ergeben, dass Nowak gelegentlich bei einer Familienbrauerei in Oberfranken abfüllen lässt. Er bestelle kleinere Mengen, bis zu zehn Hektoliter, zahle auf Rechnung und sei stets nett, sagt die Chefin. In Corona-Zeiten sei sie froh, wenn sie überhaupt Abnehmer finde, den Brauern gehe es schließlich schlecht. Dass sie Geschäfte mit einer Firma macht, die im mittelamerikanischen Staat Belize sitzt, weiß die Unternehmerin nicht.

Wohin fließen die Lizengebühren?

Wirtschaftsexperten halten dieses Firmenkonstrukt für "ominös". Möglicherweise diene die Offshore-Firma dazu, um sich über Lizenzgebühren, die dorthin fließen, steuerliche Vorteile zu verschaffen, sagt ein Nürnberger Wirtschaftsberater, der ungenannt bleiben möchte. Er hat es aber auch schon erlebt, dass Geschäftsleute Briefkastenfirmen als Plattform nutzen, weil sie in Deutschland die Erlaubnis, eine Geschäftsführertätigkeit auszuüben, verloren haben.

Mossack Fonseca, die Kanzlei in Panama, die mindestens 214.000 solcher Briefkastenfirmen, vorzugsweise auf den Seychellen, den Britischen Jungferninseln oder in Belize installiert haben soll, hat im März 2018 ihre Arbeit komplett eingestellt. Fast zeitgleich, als Janus Nowak die Marke "Polsterbräu" in Oberfranken gekauft hat.

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