Mollath will auch einen Ausgleich für seelische Qualen

5.3.2018, 05:52 Uhr
Mollath will auch einen Ausgleich für seelische Qualen

© Lino Mirgeler/dpa

Der Nürnberger verlangt über seinen Münchener Anwalt Hildebrecht Braun jetzt 2,1 Millionen Euro vom Freistaat Bayern für seine zu Unrecht erlittene Zwangsunterbringung in der Psychiatrie. In der Klageschrift, die unserer Zeitung vorliegt, ist genau aufgeschlüsselt, aus welchen Einzelposten sich diese Summer zusammensetzt.

Zu den materiellen Schäden zählt der Anwalt unter anderem Verluste durch entgangenes Einkommen (288.000 Euro) während der über sieben Jahre, die sein Mandant aus Nürnberg eingesperrt war. Hinzu kommt der Verlust seines Hauses im Nürnberger Stadtteil Erlenstegen samt Grundstück (458.300 Euro). Mollaths Ex-Frau - sie ist inzwischen verstorben - hatte damals die Versteigerung betrieben und das Anwesen dabei selbst erworben.

Keine Wiederanstellung

Nach seiner Entlassung habe Mollath, so die Klageschrift, durch die öffentliche Stigmatisierung als gemeingefährlicher, wahnkranker Gewalttäter unter anderem durch die damalige Justizministerin Beate Merk - sie verlor ihr Amt 2013 im Zuge der Affäre und ist heute Europaministerin - keine Wiederanstellung finden können. Als Entschädigung dafür werden 352.904 Euro veranschlagt. Zusammen mit einigen anderen, niedrigeren Forderungen kommen gut 1,3 Millionen Euro zusammen.

Weitere 800.000 Euro werden nach den Berechnungen Brauns an immateriellen Schäden addiert. Diese werden für den langen Freiheitsentzug in der Psychiatrie "ohne eine wirkliche Aussicht auf Entlassung", für die Zufügung seelischer Qualen, die "Vereitelung einer erstrebten Lebensführung in der Zukunft, insbesondere auch die unüberwindliche Erschwernis, wieder eine Lebenspartnerin zu finden", die Nichtbestrafung der Schuldigen und das erlittene schwere Trauma.

In seiner juristischen Argumentation für diese insgesamt hohe Summe stützt sich Hildebrecht Braun vor allem auf eine erschütternde Einschätzung des alten Mollath-Prozesses in Nürnberg durch die Staatsanwaltschaft Regensburg.

Diese hatte einen Wiederaufnahmeantrag formuliert. Justizministerin Merk hatte das 2012 verlangt, als nach Recherchen unserer Zeitung bekanntwurde, dass der Richter, der Mollath 2006 verurteilt hatte, bei den Finanzbehörden angerufen und Mollath dabei wegen seiner Anzeigen illegaler Bankgeschäfte als nicht ernstzunehmenden Spinner bezeichnet hatte. Das Finanzamt stoppte daraufhin die Bearbeitung von Mollaths Anzeigen. Viel später stellte sich heraus, dass sie zum großen Teil fundiert waren.

"Elementare Verstöße gegen die Rechtspflege"

Die Regensburger Justiz kam in ihrem Antrag zu einer äußerst bestürzenden Bewertung der Arbeit des Nürnberger Gerichts im Fall Mollath. Es habe sich "elementare Verstöße gegen die Rechtspflege" zuschulden kommen lassen und sich "bewusst und in schwerer Weise vom Gesetz entfernt".

Der Richter habe, so heißt es dort, ein "eklatant prozesswidriges Verhalten" an den Tag gelegt, das ein "eigenständiges rechtsbeugendes Verhalten" darstelle. Die Verurteilung Mollaths sei "nicht begründbar und bar jeder tragfähigen Beweise" gewesen. Und das ist noch lange nicht alles.

Dem Bundesgerichtshof, der das Urteil gegen Gustl Mollath später bestätigte, sei, so hält die Staatsanwaltschaft Regensburg seinerzeit fest, die Aufhebung der Nürnberger Gerichtsentscheidung von 2006 unter den gegebenen Umständen gar nicht möglich gewesen. Die Urteilsfeststellungen seien entsprechend manipuliert worden. Dies stelle einen "besonders gravierenden Gesetzesverstoß" dar.

Neu aufgerollt

Bis heute ist nicht geklärt, wie es zu diesen schweren Missständen in der Nürnberger Justiz kommen konnte, ganz zu schweigen von den Konsequenzen, die ein solches Versagen nach sich ziehen müsste.

Eingereicht wurde beim Landgericht Regensburg, das den Fall neu aufrollte und Mollath freisprach, dann allerdings nicht diese Fassung des Wiederaufnahmeantrags, die konkrete und belegbare Begründungen für sein vernichtendes Fazit enthält, sondern eine weichgespülte Version. Plötzlich war dann nur noch von "Nichtbeachtung prozessualer Normen" oder einer "Fülle von Rechtsfehlern" die Rede.

Justizministerin Merk und der seinerzeitige Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich schoben sich 2013 die Verantwortung für die Wandlung des Textes gegenseitig zu. Geklärt wurde auch das nie.

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