Wie grün ist der Ökostrom wirklich?

16.10.2020, 17:14 Uhr

Mit ihrer Ankündigung, allen Privatkunden ab 2021 nur noch Ökostrom anzubieten, hat die N-Ergie schon mal eines erreicht: Viele Bürger beschäftigen sich jetzt mit dem Thema. Sie fragen sich, wo dieser Strom überhaupt herkommen soll und was passiert, wenn keine Sonne auf PV-Anlagen scheint und bei den Windrädern Flaute herrscht. Wie funktioniert das also genau mit dem Ökostrom?
Natürlich führen keine direkten Leitungen von Windrädern oder Photovoltaik-Anlagen zu einzelnen Haushalten. Und in den großen Übertragungsleitungen gelten die Gesetze der Physik, da lassen sich keine Strommengen nach Erzeugungsarten differenzieren: Die Leitungen transportieren einen Strommix, zusammengesetzt aus regenerativen Quellen ebenso wie aus Kernkraft, Kohle und Gas.
Dieser Mix variiert ständig: Nachts wird gar keine Solarenergie erzeugt und bei Sturm extrem viel Windkraft, mal wird ein Kernkraftwerk abgeschaltet oder ein Kohlekraftwerk läuft nur mit halber Leistung. Der permanent wechselnde Energiemix ist jedoch zu jedem Zeitpunkt für alle Haushalte einer Region gleich. Gibt es also gar keinen grünen Strom?
Wer einen Ökostrom-Tarif hat, bekommt aus seiner Steckdose zwar die gleiche Mischung wie sein Nachbar mit einem anderen Vertrag. Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied. Es lässt sich nicht individuell steuern, woher der Strom fließt – aber wohin das Geld fließt. Mit dem Geld des Ökostrom-Kunden werden gezielt regenerative Anlagen gefördert. Beim aktuellen Ökotarif der N-Ergie sind das zum Teil eigene Anlagen sowie Kooperationen in der Region, zum Beispiel das Wasserkraftwerk Hammer an der Pegnitz oder das Solarkraftwerk Preith bei Eichstätt.
Beim Ökostrom-Angebot für alle Privatkunden ab 2021 werden die zusätzlich benötigten Strommengen dann nicht über weitere Verträge mit einzelnen Anlagen beschafft, sondern über Herkunftsnachweise. Der TÜV Rheinland wird den Ökostrom des Nürnberger Versorgers zertifizieren, was die N-Ergie auch auf ihrer Internetseite dokumentieren wird. Die angekündigte Einsparung von 480.000 Tonnen CO2 pro Jahr errechnet sich aus der Differenz zum CO2-Ausstoß des bisherigen deutschen Strommixes, den das Unternehmen für die Privatkunden an der Strombörse beschafft hat.

Nur Schönfärberei?

Der Kauf von Herkunftsnachweisen gilt manchen Kritikern jedoch als Schönfärberei. „Diese Zertifikate sind spottbillig“, sagt Peter Mühlenbrock vom Nürnberger Energiewendebündnis. „Wenn 480.000 Tonnen C02-Ersparnis angekündigt werden, dann müsste das nach meinem Verständnis von Ökostrom bedeuten, dass durch den Neubau entsprechend großer Wind- und PV-Anlagen der Strom aus fossilen Kraftwerken verdrängt wird.“ Er hätte hier große und konkret benannte Investitionen der N-Ergie erwartet, finde aber keine Hinweise darauf. „Das Geld aus dem Zertifikatehandel ist für Ökostrom-Anbieter nur ein sehr kleiner Anreiz für den Bau neuer Anlagen.“
Heidi Willer, Sprecherin der N-Ergie, hält dem entgegen: „Je mehr Ökostrom nachgefragt wird, desto mehr wird auch erzeugt.“ Bisher stamme der Großteil der in Deutschland verwendeten Zertifikate von ausländischen Stromerzeugern, vor allem von alten Wasserkraftanlagen aus Norwegen. „Die N-Ergie setzt bewusst auf Herkunftsnachweise aus Deutschland“, betont sie, auch wenn diese teurer seien.
Zudem hat der Nürnberger Versorger laut Willer hohe Summen in die regenerative Energieerzeugung investiert und werde dies auch weiterhin tun: „Wir investieren laufend.“ Bisher wurde insgesamt in 125 Megawatt Leistung investiert, womit rund 40.000 Durchschnittshaushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden können. Für die kommenden Jahre sind Willer zufolge neue Investitionen in Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien von jeweils rund 20 bis 50 Megawatt pro Jahr geplant.

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