Polizei fahndete mit Hochdruck

Nach Flucht aus Gerichtssaal: Mutmaßlicher Sexualstraftäter gefasst - Sein Aussehen war verändert

Johanna Mielich

Online-Redaktion

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21.2.2023, 12:31 Uhr
 Aus dem Landgericht Coburg ist am Montag während einer Verhandlung ein 47 Jahre alter Angeklagter entkommen.

© Pia Bayer/dpa  Aus dem Landgericht Coburg ist am Montag während einer Verhandlung ein 47 Jahre alter Angeklagter entkommen.

Der mutmaßliche Sexualstraftäter, der am Montag aus dem Coburger Landgericht entkommen konnte, ist gefasst: Wie die Polizei Oberfranken berichtet, haben Einsatzkräfte den 47-Jährigen am Dienstagvormittag in Grub am Forst, eine Gemeinde rund acht Kilometer von Coburg entfernt, aufgegriffen. Zuvor habe es einen Hinweis aus der Bevölkerung gegeben. So habe ein Verkehrsteilnehmer gegen 11.20 Uhr sofort den Notruf abgesetzt, nachdem er den flüchtigen Häftling in der Ebersdorfer Straße entdeckt hatte. Eine Streife nahm den Mann wenige Minuten später im Bereich einer Bushaltestelle widerstandslos fest. Wie eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Oberfranken bestätigte, hatte der Angeklagte in der Zwischenzeit sein Aussehen leicht verändert und unter anderem seinen "Bart abrasiert". Anhand seiner Fingerabdrücke konnte er allerdings zweifelsfrei identifiziert werden, so die Polizei.

Am Montagvormittag hatte der 47-Jährige eine Verhandlungspause am Landgericht Coburg genutzt, um durch ein Fenster zu entkommen, wie ein Polizeisprecher in Coburg sagte. Die Polizei fahndete mit einem Großaufgebot nach dem Mann, auch Hundeführer und ein Polizeihubschrauber waren im Einsatz. Bis zum Dienstagvormittag waren zahlreiche Zeugenhinweise eingegangen, sagte die Sprecherin. Es gab zunächst keine Hinweise darauf, dass der Mann die Flucht geplant oder Hilfe dabei gehabt habe.

Zuvor Haftbefehl wegen Fluchtgefahr erlassen

Der Gerichtskalender in Coburg sah am Montagvormittag eine Verhandlung gegen einen 47-Jährigen vor, der wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt war. Der siebenfache Vater soll sich an seinen beiden Töchtern vergangen haben. Nach Informationen der "Neuen Presse Coburg" hatte das Landgericht erst während der Verhandlung vor 14 Tagen einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr gegen den Mann erlassen.

Der Flüchtige habe bis zur Fortsetzung der Verhandlung am Montag in der Justizvollzugsanstalt Kronach eingesessen, bestätigte der Polizeisprecher. Von der Haftanstalt sei er von einer Polizeistreife zum Gericht begleitet worden. Die Polizisten seien auch während der Verhandlung für die Betreuung des Mannes zuständig gewesen.

Wie genau es zu der Flucht kommen konnte, war zunächst unklar. Der Polizeisprecher sagte, der Mann habe während einer Verhandlungspause ein Fenster in einem Nebenzimmer im Erdgeschoss des Gerichtsgebäudes genutzt. Die Zeitung berichtete, dem Mann seien für einen Toilettengang die Fußfesseln abgenommen worden. Anschließend habe er ein nur wenig gesichertes Fenster zur Flucht genutzt.

"Sicherheitslücken sind nicht akzeptabel"

Nachdem nun innerhalb weniger Wochen einem weiteren Angeklagten die Flucht aus einem bayerischen Justizgebäude gelang, hat sich auch der Justizminister der Freistaats Georg Eisenreich (CSU) zu Wort gemeldet. "Es ist nicht hinnehmbar, wenn Gefangenen die Flucht aus bayerischen Gerichten gelingt. Sicherheitslücken sind nicht akzeptabel", heißt es in einer Mitteilung. Eisenreich habe veranlasst, die Hintergründe der Flucht zusammen mit der Polizei "lückenlos und unverzüglich aufzuklären". Für ihn sei es nun dringend notwendig, die Einsatzkonzeptionen zur Bewachung von Gefangenen zu überprüfen.

Polizei und Justiz hatte nach dem Vorfall in Regensburg mit der Prüfung der Sicherheit in den Gerichten begonnen. Damals war ein verurteilter Mörder entkommen, der sich wegen einer anderen Straftat am Amtsgericht zu verantworten hatte. Auch ihm war die Fesselung abgenommen worden, auch er floh durch ein nicht ausreichend gesichertes Fenster in einem Nebenzimmer im Erdgeschoss des Gerichtsgebäudes. Der Mörder ist inzwischen in Frankreich gefasst worden.

Eine der Erkenntnisse von damals war, dass die Flucht "durch die mangelnden Kenntnisse der Vorführbeamten zu baulichen und sicherheitstechnischen Gegebenheiten begünstigt" worden war. Als Folge sollte die Zusammenarbeit zwischen ortsfremden Polizeikräften und örtlichem Sicherheitspersonal intensiviert werden, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung von Polizei und Justiz vom 23. Januar.

Dieser Artikel wurde zuletzt am Dienstag gegen 12.00 Uhr aktualisiert.