Ein prominentes Schlachtenopfer

1.4.2013, 17:00 Uhr
Ein prominentes Schlachtenopfer

© Damm

Kittensee gibt’s nicht mehr. Wenn das Dorf nordöstlich von Velburg noch auf einer Landkarte zu finden ist, dann aber nur in Klammern. Vor 100 Jahren zählte Kittensee 97 Seelen und 14 Häuser, die sich um die spätgotische Sebastianskirche und deren markanten, achteckigen Kirchturm scharten. Heute ist der Ort ein Un-Ort, eine Wüstung im Osten des US-Truppenübungsplatzes Hohenfels; die Bewohner wurden Anfang der fünfziger Jahre zwangsumgesiedelt.

Seinen großen Tag in der Geschichte hat Kittensee am 29. März 1703. In der Nacht trifft ein Jüngling im Eilritt her ein. Es ist der Hohenzollern-Prinz Wilhelm Friedrich, der erst in der Vorwoche mit den Truppen des Generals Styrum Neumarkt eingenommen hatte. Der 18-Jährige stürmt in ein Bauernhaus, in dessen Stube sein Halbbruder mit dem Tode ringt.

Georg Friedrich, der Markgraf von Ansbach, hochtalentiert, aber wie der Adel seiner Tage zur Prunksucht neigend, ist selbst erst 24 Jahre alt. Seinen 25. Geburtstag im April wird er nicht mehr erleben. Eine offizielle Verlautbarung, die im Staatsarchiv Nürnberg aufbewahrt wird, schildert sein Ableben: dass der Markgraf am „Vormittag zwischen 8 und 9 Uhren, nachdem dero Liebden des Tages vorhero, in militarischer Expedition vor die Ruhe und Sicherheit des Heiligen Römischen Reichs und des werthen Vaterlandes Teutscher Nation zu dero unsterblichen Ruhm gestanden, aber leider! durch einen Mousqueten-Schuß tödtlich blessiret worden, (...) aus diesem Zeitlichen abgefordert und in die ewige Herrlichkeit aufgenommen“.

Kampfszenen auf dem Sarg

Der Leichnam des Reichsfürsten wurde nach Ansbach gebracht und dort Ende April beigesetzt. Von seinem Zinnsarg in der dortigen Markgrafengruft grüßt ein Putto mit erhobenem Arm. Die Längsseiten zeigen Szenen aus der Schlacht bei Schmidmühlen, die Georg Friedrich zum Verhängnis wurde.

Das Scharmützel von 1703 war nur eine Randnotiz des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1714), eines heute fast vergessenen europäischen Krieges, durch seiner Ausweitung nach Übersee sogar Weltkrieges. Es ging um nicht weniger als die spanische Krone und deren über den Erdkreis verstreuten Besitztümer. Nach dem kinderlosen Tod des letzten spanischen Habsburgers konnte es sein Vetter in Wien, Kaiser Leopold I., nicht hinnehmen, dass der französische „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. seinen Enkel auf den iberischen Thron setzt.

Der bayerische Kurfürst Max Emmanuel – dessen Sohn ursprünglich zum Universalerben des spanischen Weltreichs auserkoren war, dann aber starb – schlug sich auf die Seite der Franzosen, um vielleicht doch noch wenigstens ein Stück von der entgangenen Torte abzubekommen. Dafür sah er sich alsbald in seinem eigenen Land vom Reichsheer bedrängt, das den Plänen des „Blauen Kurfüsten“, die Reichsstädte an der Donau und Nürnberg zu erobern, entgegentrat. Truppen beider Kriegsparteien zogen durch Bayern und lieferten sich hie und da Gefechte.

Im März 1703 besetzte eine kaiserliche Streitmacht unter der Führung von Generalfeldmarschall Hermann Otto von Limburg-Styrum im Neumarkter Raum (siehe unten). In diesem Verbund befehligte Markgraf Georg Friedrich das Kontingent des fränkischen Reichskreises und war eben erst zum General der Reichskavallerie ernannt worden. Die Bayern lagerten mit fünf Bataillonen in Burglengenfeld. Dann erreichte General Styrum die Kunde vom Vormarsch des Feindes nach Westen. Er schickte ihnen den Ansbacher mit vier Bataillonen und 800 Reitern entgegen, um sie am Übersetzen über die Vils zu hindern.

Schauplatz des Scharmützels wurde Emhof, ein Dorf südlich von Schmidmühlen, heute direkt am Truppenübungsplatz. Hier, im engen Vilstal, gab es eine Brücke, die damals beschädigt war und von den am 27. März zuerst eintreffenden Kaiserlichen wieder hergestellt wurde.

Auf dem Pferd durch die Vils

Währendessen schwamm der Markgraf mit 400 Reitern durch die Vils. Doch hatten bayerische Einheiten bereits die gegenüber liegende, bewaldete Anhöhe unter dem Kommando von Feldmarschall Graf Arco erreicht. Des Markgrafen Kavallerie blieb nur der Rückzug über den Fluss. Zu seinem Unglück traf am frühen Morgen des 28. März auch Kurfürst Max Emmanuel mit weiteren zwei Bataillonen ein. Sogleich ließ er die Franken und Österreicher, die sich in Emhof verbarrikadiert hatte, mit 500 Grenadieren und drei Bataillonen angreifen. Sechs Geschütze nahmen die am Gegenhang lagernden Reiter ins Visier.

Die Beschossenen wichen vor der bayerischen Übermacht zurück. Die Brücke brach ein; die Soldaten der Vorhut, die es bis dahin nicht ans westliche Ufer geschafft hatten, wurden niedergemacht. Die Reichstruppen, alsbald von Panik ergriffen und in wilder Flucht, erlitten schwere Verluste. 700 Tote und 400 Verwundete soll die Schlacht gefordert haben.

Eine bayerische Kugel traf den Ansbacher Markgrafen. „Jäger bei den damaligen Truppen waren Spezialisten und mit Büchsen (Gewehre mit gezogenen Läufen) ausgerüstet, die eine höhere Treffsicherheit auch auf weitere Entfernungen als die gewöhnlichen Musketen der Fußtruppen hatten“, sagt Werner Bürger, der Stadtarchivar von Ansbach und Leiter des Markgrafenmuseums. „Sie konnten die an ihrer Kleidung leicht erkennbaren Offiziere der Gegenseite aus dem Verband herausschießen und damit Verwirrung stiften.“

Max Emmanuel nahm Emhof und Schmidmühlen ein, vermied aber eine Konfrontation mit dem in Neumarkt lagernden Hauptheer von General Styrum. Er zog Anfang April das Lauterachtal hinauf nach Hohenburg, bevor ihn das Kriegsgeschehen in Südbayern zum Abzug zwang. Die Kaiserlichen eilten indessen – den schwer verwundeten Markgrafen „im Gepäck“ – zurück nach Neumarkt.

Georg Friedrich, den eine Zeitgenossin als „schön wie ein Engel“ pries, kam allerdings nur bis Kittensee, auf halber Strecke gelegen. Sein Halbbruder Wilhelm Friedrich erreichte am 29. März das Dorf als Prinz – und verließ es am selben Tag als neuer Markgraf von Ansbach.

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