Fünf neue Stolpersteine in Neumarkt und Sulzbürg

30.10.2019, 05:38 Uhr
Fünf neue Stolpersteine in Neumarkt und Sulzbürg

© Foto: Hubert Bösl

Stolpersteine sind kleine Messingplatten im Pflaster, unscheinbare Mahnmale, sie erinnern an Menschen, die vor acht Jahrzehnten als gewöhnliche Bürger mitten in Deutschland lebten, bis sie wegen ihrer Religionszugehörigkeit, einer Krankheit oder politischer Unliebsamkeit von der nationalsozialistischen Unrechts- und Gewaltherrschaft schikaniert, drangsaliert und millionenfach ermordet wurden.

2016 bis 2018 wurden alleine in Neumarkt 24 der quadratischen Gedenktafeln aus Messing verlegt, sie erinnern an jüdische Menschen, die hier lebten, verfolgt und in Vernichtungslager deportiert wurden. Weitere acht Steine gibt es in Sulzbürg. Am Dienstag, 5. November, verlegt der Künstler Gunter Deming, fünf weitere Stolpersteine in den beiden Gemeinden.

Die "Initiative Stolpersteine" erinnert mit ihnen an Mitglieder der Familie Neustädter. Diese gehörte zu den alteingesessenen Bewohnern Sulzbürgs, lebte dort seit dem 30-Jährigen Krieg. Die meisten von ihnen werden als "Handelsleute" in den Registern geführt, in der Regel waren sie Viehhändler. Ende des 19. Jahrhunderts zogen viele nach Neumarkt, wo sie nicht zuletzt wegen des Bahnhofs bessere wirtschaftliche Möglichkeiten für sich sahen.

 

Etwa Jakob Hirsch Neustädter. 1883 geboren wuchs er mit drei Geschwistern in Sulzbürg auf. 1909 zog er nach Neumarkt, wohnte zunächst am Oberen Markt, später lebte die Familie in der Hindenburgstraße, der heutigen Bahnhofstraße.

Bei den Pogromen im November 1938 stürmte ein  aufgepeitschter Mob  Neumarkts Synagoge. Neustädter musste er zwölf Tage in einem Gefängnis der Gestapo verbringen. 1939 zog er mit seiner Frau Kathi nach Nürnberg. Zwei Jahre später wurden sie von dort in ein Vernichtungslager nach Riga deportiert, wo sich ihre Spur verliert. Ihre zwei Kinder Curt Siegfried und Adelheid Charlotte entkamen den Nazi-Mördern. Sie waren 1939 nach Palästina ausgewandert, wo sie in einer Siedlung bei Haifa wohnten.

Am 5. November ab 14.30 Uhr wird Gunter Deming die Stolpersteine für Jakob Hirsch Neustädter und Kathi Neustädter in der Bahnhofstraße 9 verlegen. Die zweite Verlegestelle ist die Schützenstraße 15, wo Julius Neustädter gedacht wird. Ab 16 Uhr ist Günter Deming in Sulzbürg, Hinterer Berg 14. Dort wohnten Siegfried Neustädter und seine Frau Martha. Sie war 1919 an der Spanischen Grippe erkrankt, der Epidemie fielen mindestens 25 Millionen Menschen weltweit zum Opfer.

In der Heilanstalt vergast

Martha Neustädter überlebte die Krankheit zwar, behielt aber schwere Lähmungen zurück. Seit 1922 war die "grazile, freundliche Frau", wie es in den Akten heißt, in Heilanstalten untergebracht. 1940 wurde sie im Zuge der sogenannten T4-Aktion ermordet, der mehr als 70 000 Menschen mit Behinderungen zum Opfer fielen.

Mit den fünf Stolpersteinen sind längst nicht alle Opfer dem Vergessen entrissen. In den kommenden Jahren werden einige Steine folgen.

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