Unsichere Zukunft für marodes Kirchlein in Freystadt

15.5.2021, 15:31 Uhr
Unsichere Zukunft für marodes Kirchlein in Freystadt

© Foto: Anne Schöll

Sulzkirchens Pfarrer Alexander Proksch schrieb in einem Brief an die Gläubigen über die aktuelle Sachlage. Das Kirchlein brauche dringend eine Generalsanierung, die die kleine Kirchengemeinde nicht finanzieren könne, zumal auch die Renovierung der Sankt Georgskirche in Sulzkirchen bald angepackt werden müsse.

 

Der Zustand der Sebastianskirche sei bedenklich, das Gotteshaus könne deshalb für sonntägliche Gottesdienste bald nicht mehr genutzt werden. "Das heißt aber nicht, dass die evangelischen Christen in Freystadt heimatlos werden", sagt Pfarrer Proksch. Im September werde der neugebaute evangelische Kindergarten in der Appianistraße in Betrieb gehen. Der modern eingerichtete Mehrzweckraum dort soll zukünftig für Kinder- und Familiengottesdienste dienen. Für die Senioren gibt es monatlich Gottesdienste in der behindertengerechten Kapelle des Caritas-Seniorenzentrums.

Bislang wird jeden zweiten Sonntag in der Sebastianskirche Gottesdienst gefeiert, das soll ab 2022 in der Spitalkirche geschehen. Letztere liege im Stadtzentrum, dort habe es mit Zustimmung der Spitalverwaltung bereits früher evangelische Gottesdienste und Hochzeiten gegeben.

Thema im Stadtrat

"Es ist für mich aber eine Herzensangelegenheit, dass die Sebastianskirche auch in Zukunft würdevoll genutzt wird", sagt Pfarrer Proksch. Für Bürgermeister Alexander Dorr kam diese Anfrage Prokschs überraschend. Es sei ein markantes Gebäude, gehöre zum historischen Stadtbild und zur Stadtgeschichte. "Die Kirchengemeinde hat uns die Rückgabe der Kirche angeboten." Dorr will das Thema nun in der nächsten Stadtratssitzung diskutieren und vorher einen Ortstermin anbieten.

 

Zur Historie: Die Geschichte des Gotteshauses, das 200 Meter vom unteren Torturm entfernt am Rand des aufgelassenen Friedhofs an der Berchinger Straße steht, geht auf das Jahr 1603 zurück, als in Freystadt die Pest ausbricht. Innerhalb von zwei Jahren sterben 226 Männer, Frauen und Kinder, die Hälfte der Einwohner Freystadts. Für die vielen Toten reicht der Platz auf dem Friedhof um die Stadtpfarrkirche "Sankt Peter und Paul" nicht aus. Ein Notfriedhof wird außerhalb der Stadtmauern angelegt, der lange Zeit "Pestfriedhof" genannt wurde. 1617 bauen die Bürger bei diesem Friedhof ein Kirchlein und weihen es dem Heiligen Sebastian, der als Pestpatron verehrt wird. Für die vielen Trauergäste bei Bestattungen wird die Kapelle bald zu klein. Stadtpfarrer Johann Georg Binkhl (Pirkel) vermacht daraufhin der Pfarrei zur Erweiterung der Sebastianskirche 700 Gulden. 1763 lässt der Drahtfabrikant Johann Nepomuk Eichenseher das Kirchlein erneuern.

1803 wird der Friedhof um die Stadtpfarrkirche aufgelassen. Beerdigungen finden nur noch im Friedhof an der jetzigen Berchinger Straße statt. Nach einem Blitzschlag im Jahr 1815 wird die ganze Kirche beschädigt und wegen Geldmangel nur notdürftig repariert. Erst 1910 kann eine umfangreiche Renovierung vorgenommen werden. Ab dem Jahr 1950 verliert das Kirchlein an Bedeutung, ist 20 Jahre später in einem so erbärmlichen Zustand, dass beschlossen wird, sie abzubrechen oder einem vernünftigen Zweck zuzuführen. Unter Bürgermeister Luitpold Kerl ergeht der Beschluss, sie solle so lange stehen bleiben, bis der neue Friedhof, der 1981 bei der Wallfahrtskirche in Betrieb ging, angelegt ist.

Die Lösung für die Sebastianskirche kam mit Pfarrer Holger Bischof aus Sulzkirchen, dem ein evangelisches Pfarrzentrum in Freystadt vorschwebte. Die Schenkung wurde im Dezember 1986 notariell beurkundet, das Kirchlein für knapp 600 000 Mark renoviert und im November 1989 geweiht. Seither ist es geistliches Zentrum und Begegnungsstätte für die wachsende Zahl der evangelischen Christen in Freystadt.

Keine Kommentare