Kochbuch aus dem 18. Jahrhundert

"Geprester wilder Schweinskopf" oder "Haasen-Pastete": Fränkische Rezepte von anno dazumal

21.3.2022, 15:30 Uhr
Erich Zimmermann (links) sowie Ottmar Fick blättern zufrieden in dem neu aufgelegten Kochbuch von 1789.

© Harald J. Munzinger Erich Zimmermann (links) sowie Ottmar Fick blättern zufrieden in dem neu aufgelegten Kochbuch von 1789.

2012 stand im Zeichen des Jubiläums "1100 Jahre Münchsteinach". Nun hat der Steigerwaldort erneut Anlass, stolz auf seine Geschichte zu sein, diesmal im Zusammenhang mit einer außergewöhnlichen Bürgerin, die im Alter von 20 Jahren ein "Kochbüchlein" geschrieben hatte.

Dieses wird nun neu aufgelegt: 233 Jahre nachdem "Demoiselle" Carolina Maria Lederer darin Gerichte notierte, die "in gehobenen Haushalten" genossen worden waren.

Kochbuch tauchte im Internet auf

Als das Kochbuch der Carolina Maria Lederer 2017 im Internet auftauchte, gelang es der Gemeinde Münchsteinach, es für ihr Archiv zu erwerben. Rasch war damals auch das Interesse geweckt.

"Das Büchlein der Allgemeinheit zugänglich zu machen und einige interessante Gerichte daraus nachzukochen", wie Erich Zimmermann die Anfänge des nun vorliegenden dritten Bandes der "Schriften zur Münchsteinacher Geschichte" schildert, herausgegeben wiederum vom örtlichen Fremdenverkehrs- und Heimatverein.

Viele Rätsel um die Autorin

Zunächst hatte die Autorin, über die nichts bekannt war, Rätsel aufgegeben, die der inzwischen verstorbene Konrad Zeilinger durch das Studium in den Kirchenbüchern löste. Mit den von ihm gefundenen Einträgen und anderen Quellen sollte sich "die Familiensituation und soziale Stellung der Kochbuchautorin schon recht genau umreißen lassen", erzählt Erich Zimmermann erfreut.

Der Kulturbeauftragte der Gemeinde Münchsteinach hatte sich mit Zeilinger der Transkription des Originals angenommen und zeichnet für die Konzeption sowie Redaktion des 136 Seiten starken Buches verantwortlich. Dessen Realisierung verdankt man der Förderung durch die Kunst- und Kulturfreunde des Lions Club Neustadt an der Aisch sowie die Lokalen Aktionsgruppe (LAG) Südlicher Steigerwald.

53 Rezepte in Handschrift

Den von Ottmar Fick fotografierten Originalseiten sind in dem Buch die 53 Rezepte so zeilengenau gegenübergestellt, dass man gerne einmal zwischen der Handschrift von "Demoiselle" Lederer und der Transkription pendelt und sich in die Küche des späten 18. Jahrhunderts verführen lässt.

In diese gibt die Professorin für Europäische Ethnologie/Volkskunde an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Dr. Angela Treiber, mit ihrer Einführung in die Kochrezepte-Sammlung von Carolina Maria Lederer als "sozialgeschichtliche und kulinarische Quelle" interessante Einblicke.

Schmankerl seit dem 14. Jahrhundert

Die ersten handschriftlichen Kochrezepte in deutscher Sprache macht sie bereits im 14. Jahrhundert aus und stellt als bemerkenswert fest, dass seit dem 16. Jahrhundert auch Kochrezeptsammlungen von Frauen erhalten sind. Zwei 1697 und 1706 in Nürnberg gedruckte Kochbücher wertet sie als "Beispiele für die bemerkenswerte Bildung und Selbständigkeit von Frauen einer städtisch-bürgerlichen Bildungsschichte von Handerkern und Künstlern der frühen Neuzeit".

Über die Bildung, insbesondere der Lese- und Schreibfähigkeit von Frauen wie auch Männern auf dem Land im späten 18 Jahrhundert – der Zeit, als Maria Lederers Kochbuch niederschrieben wurde – wisse man bis heute wenig, sagt Treiber.

Gegessen, gekocht oder davon gehört

In jenem Zeitraum sei es eine regelrechte Mode geworden, handschriftliche Rezeptsammlungen anzulegen, was vor allem von Frauen aus dem familiären Umfeld berühmter Männer bekannt sei. Die Praxis von Frauen des neuen gebildeten Bürgertums hätten sich auch Geschlechtsgenossinnen gehobener Kreis auf dem Land angeeignet. Zu diesen zählt die Wissenschaftlerin die junge Carolina Maria Lederer.

In deren Koch-Buch weise einiges darauf hin, "dass die Demoiselle aus Münchsteinach ihr persönliches Repertoire an Rezepten eigenhändig zusammengestellt hat aus Gerichten, die sie aus unterschiedlichen Erfahrungszusammenhängen kennen mochte, die sie gegessen, gekocht, oder von denen sie lediglich gehört oder gelesen hatte".

Aus dem Buch für die Markgräfin?

Mehrere Rezepte seien aller Wahrscheinlichkeit nach einem Kochbuch von Johann Albrecht Grunauer entnommen, der seine Rezeptsammlung der späteren Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth, Elisabeth Sophie, gewidmet hatte. So dürfte es dem damaligen Herrschaftsbereich, zu dem Münchsteinach gehört hatte, "auch in den bürgerlich orientierten ländlichen Schichten nicht unbekannt gewesen" sein mochte.

Über die alltäglichen Essgewohnheiten der Familie Lederer sagt das Kochbuch der Tochter nach Auffassung von Professorin Angela Treiber wenig aus, doch dürften diese von denen breiter Bevölkerungsschichten unterschieden haben. Darauf lassen teuer importierte Zutaten und die Rezepte schließen, die auf "die genusshafte kulinarische Aneignung einer international orientierten Küche durch eine privilegierte Schicht und deren Einzug im Dorf Münchsteinach des späten 18. Jahrhunderts" schließen lassen.

Für den "gehobenen" Haushalt

Dass die Familie zur sogenannten Oberschicht zählt, in der die Schulbildung sowohl der Söhne als auch der Töchter selbstverständlich gewesen sei, schreibt Erich Zimmermann über die Lederers. Vor diesem sozialen Hintergrund sei es erklärbar, dass es sich bei dem Kochbuch um eine Sammlung von Gerichten für den gehobenen Haushalt handelt.

In deren Genuss ist man in Münchsteinach unterdessen schon gekommen, da es sich ein engagiertes und experimentierfreudiges Team aus dem Heimatverein nicht nehmen ließ, einige Rezepte auszuprobieren.

Von der "wilden Gans" bis zur "Citron-Dorte"

Mit diesen einmal an eine große Tafel einzuladen, ist in Münchsteinach geplant, wenn es eine entspannte Infektionslage zulässt. Die Palette reicht von "Quitten Zelten" über "Haasen-Pasteten", einen "gepresten wilden Schweinskopf", eine "wilde Gans" oder Schnecken und Austern bis zur "Citron-Dorte" und "gebackenen Apfelschniz".

Auf der Zunge zergehen lassen kann man sich beim Blick in das ansprechend aufgemachte und illustrierte Kochbuch "auf den ersten Blick unverständliche oder nicht mehr gebräuchliche Begriffe", die ein ausführliches Glossar erläutert.

500 Stück verfügbar

Die 500 Exemplare des kulinarischen Führers in Münchsteinachs feinste Küche des späten 18. Jahrhunderts sind über die Gemeindeverwaltung Münchsteinach (Telefon: 09166/210) oder über den Fremdenverkehrs- und Heimatverein Münchsteinach (09166/1222 oder 09166/540) erhältlich. Für den bleibt Carolina Maria Lederer interessant, denn deren weiterer "Lebensweg ist derzeit nicht bekannt".

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