1. September 1970: Ärger mit der Zeppelintribüne

1.9.2020, 05:00 Uhr
1. September 1970: Ärger mit der Zeppelintribüne

© NN

Sie maßen dem Kalkstein eine Lebensdauer von mehr als 2000 Jahren zu. Aber schon heute lassen die schweren Schäden fürchten, daß einem ahnungslosen Passanten eines Tages ein Brocken auf den Kopf fällt.

Wegen der schadhaften und fehlenden Abdeckungen und Isolierungen sickert ständig Wasser zwischen Natursteinverblendungen und Hintermauerung ein und sprengt bei Frost das Material. In offenen Fugen und Rissen sprießen – sogar an den Wänden – kleine Büsche und setzen das Zerstörungwerk fort. Der miserable Zustand der Tribüne ist mit bloßem Auge zu erkennen: Verfärbungen, Wasserfahnen und Schmutzstriemen, Stufen, die nur noch durch die Verzahnung der Bruchstücke zusammengehalten werden.

In drei, vier Jahren wurden an mehreren Stellen die 15 bis 30 Zentimeter starken Quader in einen Zustand verwandelt, der lebhaft an Semmelbrösel oder Gries erinnert.

1. September 1970: Ärger mit der Zeppelintribüne

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Die Diagnose: langsam, aber stetig verfällt das Bauwerk, zumal auch die bisher eingesetzten Betonplomben nur bedingt halten. An den Nahtstellen bilden sich immer wieder neue Risse. In absehbarer Zeit – so hat der Bauhof ausgerechnet – müßten alljährlich zwischen 40 000 und 50 000 DM ausgegeben werden, um die ärgste Gefahr zu bannen. Aber ein Flickwerk bliebe die Arbeit allemal. Deshalb legte Baureferent Otto Peter Görl gestern dem Bauausschuß einen Sanierungsplan vor, der folgende Etappen vorsieht:

1. Jahr: Abbruch der Bauten an beiden Enden bis auf die Höhe der oberen Plattform der Stufenanlage. Abschluß der Stümpfe mit Stahlbetondecken, Abdichtung und Installation von Brüstungen. 2. Jahr: Abbruch des Mittelbaues auf die gleiche Höhe, ebenfalls mit Stahlbetonabschluß, Abdichtungen und bestückt mit Brüstungen.

3. bis 6. Jahr: Generalüberholung der Stufen, wobei die zerstörten Kalksteinquader durch Betonblöcke ersetzt werden müßten.

„Dann hätten wir den Zustand erreicht, der den Erfordernissen von Großveranstaltungen genügt und andererseits für den Unterhalt keine außergewöhnliche Belastung bedeuten kann“, erklärte Otto Peter Görl den Mitgliedern des Bauausschusses.

Die Stadträte spitzten die Ohren, als sie die Kosten vernahmen. Rund 550 000 Mark nach den heutigen Baupreisen dünkte ihnen reichlich hoch. Stadtrat Robert Schedl (SPD) erkundigte sich deshalb: „Wie wär‘s, wenn wir dann gleich das morsche Bauwerk abreißen und eine schlanke, ranke Betontribüne an seine Stelle setzen. Was würde das kosten?“ Walter Schlee von der CSU pflichtete ihm bei. „Ein Faß ohne Boden! Jede Renovierung bedeutet hinausgeworfenes Geld, weil wir dann heute etwas hinstellen, was nicht von Dauer ist“, erklärte er.

Bei Baureferent Otto Peter Görl stießen beide auf Gegenliebe. Er hatte unter anderem schon daran gedacht, einen Erdwall daraus zu machen, der bei Sportveranstaltungen den Vorteil böte, daß Zuschauer an beiden Längsfronten stehen könnten. „Ich bin bereit, die Sache zu überprüfen“, versicherte Görl, der obendrein andeutete, daß in eine solche Untersuchung auch die Umgebung einbezogen werden sollte.

Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechters Anliegen war es ebenfalls, von den hohen Reparaturkosten herunterzukommen. Er regte an, bei der Gelegenheit mit den Veranstaltern der „200 Meilen von Nürnberg“ eine Verlegung der Rennstrecke zu erörtern. „Das ist ja wahrlich kein idealer Kurs“, meinte das Stadtoberhaupt zum „Noris-Ring“. Nun, eine endgültige Entscheidung über das Schicksal der Zeppelintribüne war vom Baureferenten gestern auch noch nicht verlangt worden. Innerhalb der Fraktionen des Stadtrats wird man sich zusammen mit Motorsportkreisen in den nächsten Wochen den Kopf über die wirtschaftlichste Lösung zerbrechen müssen.

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