Blütenpracht im ausrangierten Waschbecken

17.10.2012, 07:59 Uhr
Blütenpracht im ausrangierten Waschbecken

© Distler

Herr Braun, warum soll man Tomaten anbauen, wenn man sie doch einfach im Supermarkt kaufen kann?

Blütenpracht im ausrangierten Waschbecken

Frank Braun: Um wieder einen Bezug zur Natur zu bekommen. Man erfährt beim Gärtnern, wie viel Arbeit in einer Tomate steckt und lernt, Lebensmittel zu schätzen.

Welche Rolle spielt dabei das Geld?
Braun: Frei nach dem Motto ,alles bio‘ ist das Gemüse aus Eigenanbau besser und preiswerter. Mit der Wertschätzung von Lebensmitteln geht beim Verbraucher eine Bewusstseinsveränderung einher: Man ist bereit, mehr Geld für Qualität auszugeben. In weiten Teilen unserer Gesellschaft zählen beim Obst- und Gemüsekauf primär, dass die Ware gut aussieht und billig ist. Nirgendwo in Europa sind die Pro-Kopf-Ausgaben für Lebensmittel so niedrig wie in Deutschland.

Und was ist mit Konservierungsstoffen und Pestiziden?
Braun: Auch dieser Aspekt spielt eine große Rolle. Immer mehr Menschen verlieren das Vertrauen in die Lebensmittelindustrie, in der viel gelogen und betrogen wird. Wenn man das eigene Gemüse erntet und verarbeitet, weiß man, was drinsteckt und muss auch nicht befürchten, dass heimlich mit Pestiziden gearbeitet wurde.

Was bedeutet für Sie der Begriff „Selbstversorgung“?

Braun: Das heißt für mich, möglichst mit Ressourcen durchs Leben zu kommen, die in meinem Umfeld wachsen und saisonal einzukaufen. Ich habe dieses Jahr vieles, was in Franken wächst, in unserem Stadtgarten geerntet. Grundsätzlich kaufe ich nur bei Bauern aus der Region — bis auf Südfrüchte natürlich. Hier greife ich ausschließlich bei zertifizierter Bio-Ware zu.

Kann man denn den Bio-Siegeln voll und ganz vertrauen?
Braun: Ich drehe die Frage um: Kann man den anderen Produkten mehr vertrauen? Sicher gibt es hier wie überall schwarze Schafe, aber die weißen Schafe sind in der großen Überzahl. Anders einzukaufen könnte ich auch gar nicht mit meinem Gewissen vereinbaren — mit Blick auf die Qualität und den sozialen Aspekt. Ich spreche vom fairen Handel.

Stichwort anders Gärtnern: Im Mai hat der mobile Stadtgarten an der Wandererstraße seine Premiere gefeiert. „Urban Gardening“ ist keine Nürnberger Erfindung, warum passt es hierher?
Braun: Los ging es in New York, dort startete die Bewegung Ende der 70er mit grünen Dachlandschaften. 2009 kam mit dem Berliner Prinzessinnengarten das „Urban Gardening“ nach Deutschland und hat sich schnell ausgebreitet. Grundsätzlich ist städtisches Gärtnern in jedem urbanen Raum möglich, wo es Gebiete gibt, in denen Menschen keinen Zugang zu einem Garten haben.

Wenig Grün, viele Menschen — da hat sich die Nürnberger Weststadt angeboten.
Braun: Genau. Ausgangspunkt war für uns die Süd- und Weststadt, da hier viele Menschen leben und eine Unterversorgung mit Grünflächen herrscht.

Welche Überzeugung steckt hinter dem mobilen Stadtpark?
Braun: Wir wollen in der Großstadt die Natur wieder erlebbar machen sowie eine nachhaltige und ökologische Kochkultur fördern — also weg vom Fastfood. Jeder kann bei uns mitgärtnern.

Wer hat Ihre Einladung angenommen?
Braun: Männer und Frauen kamen gleichermaßen, rund 20 Leute waren regelmäßig dabei. Zudem standen Workshops auf dem Programm, Schulklassen haben bei uns Projekttage durchgeführt.

Wie hat der Nachwuchs auf die geballte Natur reagiert?
Braun: Sehr überrascht. Viele Kinder dachten etwa, dass Tomaten auf Bäumen wachsen, andere haben zum ersten Mal einen Kohlrabi in ihrem Leben gesehen.

Zu guter Letzt: Haben Sie noch einen Tipp für Balkon- oder Fensterbankgärtner?

Braun: Ob in der Kiste oder im Blumentopf — Kräuter gehen immer. Sie verfeinern jedes Essen und sind relativ robust. Wer einen sonnigen Balkon hat, dem sei der Anbau von Paprika und Tomaten empfohlen. Das funktioniert auch auf kleinem Raum.

 

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