Weniger Platz für Benzinkutschen

24.9.2018, 19:48 Uhr
Weniger Platz für Benzinkutschen

© Fotos: Michael Matejka

Vor allem an der Von-der-Tann- Straße, also am vielbefahrenen Westring, werden die Grenzwerte seit Jahren regelmäßig überschritten. Das ist durch eine Messstation des Landesamts für Umwelt hinreichend belegt und bekannt. Hohe Belastungen gibt es aber auch dort, wo die Konzentration nicht erfasst wird. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass das zulässige Niveau an rund der Hälfte der Nürnberger Hauptverkehrsstraßen nicht eingehalten wird – nur fehlen akribische Messungen und eine entsprechende Dokumentation.

Zu der dennoch gut begründeten Einschätzung kommt das Karlsruher Ingenieurbüro Lohmeyer, das für die Stadt Nürnberg einen "Masterplan zur Gestaltung nachhaltiger Mobilität" erarbeitet hat. Das Papier bündelt viele laufende und mögliche Vorhaben, die zur Reduzierung der Luftbelastung beitragen können – von Radschnellwegen über mehr Carsharing, mehr E-Busse und neue Straßenbahnen bis zur Citylogistik mit Lastenrädern (wir berichteten). Und Gutachter Torsten Nagel macht mit ein paar Modellrechnungen deutlich, wie groß die Herausforderungen sind:

- Was passieren müsste, um Schadstoffausstoß dauerhaft und verlässlich unter den zulässigen Grenzwerten – bei Stickstoffdioxid liegt er bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (im Jahresmittel) – zu halten, zeigt exemplarisch die Tabelle unten. Ausgehend von der heutigen Verkehrsbelastung (li. Spalte), müsste beispielsweise auf der Sigmundstraße entweder die Zahl der Pkw und Lkw um knapp ein Fünftel gedrosselt werden. Oder mehr als ein Viertel des Verkehrs auf Elektromobilität umgestellt sein.

- Was aber lässt sich mit den jetzt ins Auge gefassten Maßnahmen konkret erreichen? Nach den Berechnungen des Gutachters, der sich auf zahlreiche einschlägige Untersuchungen stützt, brächte eine Umrüstung der Dieselbusse auf Euro-VI-Norm eine Schadstoffreduzierung um bis zu neun Mikrogramm – allerdings nur entlang der Linienbusstrecken. Immerhin noch bis zu fünf Mikrogramm Einsparung wären mit einer Umstellung der halben Flotte auf Elektrobusse zu erreichen.

Bescheidene Wirkung

Alle anderen Ansätze, von der Fahrradförderung über die Lastenräder bis zu Mobilitätsstationen, lassen nicht mehr als jeweils rund ein Mikrogramm Verringerung erwarten. Einfache Lösungen mit besonders hoher Wirkung sind demnach nicht in Sicht.

Nötig erscheint ein ganzes Paket. Dabei verspricht nicht einmal die vielbeschworene ÖPNV-Förderung für sich allein herausragende Effekte (zur Luftreinhaltung) – sondern nur dann, wenn die Zahl der Umsteiger nicht postwendend wettgemacht wird durch neue Autofahrer mit einem Riecher für sich bietende Freiräume.

Schlussfolgerung des Gutachters: Um eine "relevante und dauerhafte Minderung der Luftschadstoffe" zu erreichen, muss schon die Gesamtzahl der Pkw-Fahrten gedrosselt werden. Im Klartext: Ohne Einschnitte für den Individualverkehr ("Verringerung der Kapazitäten") wird es nicht abgehen. Anstelle von Fahrverboten ist vor allem an die Verringerung von Fahrstreifen und die Reservierung für Busse, Straßenbahnen und auch Radfahrer gedacht. Zu verkraften und zu vertreten und damit realistisch scheinen solche Schritte allerdings nur bei entsprechend gutem ÖPNV-Angebot – womit sich der Kreis schließt.

Im Stadtrat, wo Torsten Nagel den Masterplan in der vergangenen Woche vorstellte, lösten die Ergebnisse quer durch die Parteien Betroffenheit aus. Von einer "kalten Dusche" sprach Thomas Schrollinger (ÖDP), für die CSU machte Andreas Krieglstein schon vorsorglich Front gegen Spurreduzierungen, während Achim Mletzko (Bündnisgrüne) vor der Illusion warnte, alles lasse sich ohne ordnungspolitische Eingriffe regeln.

Der Masterplan ist Bedingung und Grundlage, um von der sogenannten Dieselmilliarde des Bundes zu profitieren. Dabei reicht dieser Betrag nicht mal für die wichtigsten Großstädte im Land – und allein Nürnberg hat schon Anträge mit einem Finanzvolumen von 160 Millionen Euro gestellt und in der Schublade.

Aus den Fördertöpfen erhofft sich die Stadt zum Beispiel Geld für die Beschleunigung der Ringbuslinie, die Erweiterung des Verkehrsleitsystems Messe/Stadion und einige weitere Bausteine. Dickster Brocken könnte die Umstellung der U 1 auf fahrerlosen Betrieb werden, um vor allem in Stoßzeiten mit einem dichteren Takt mehr Fahrgäste befördern zu können.

Insgesamt gehe es allerdings nicht allein um Schadstoffe, betonte Ulrich. Ebenso entscheidend sei die Reduzierung der Lärmbelastung und die (Rück-)Gewinnung von Frei- und Lebensräumen. Beides sind, wie auch Aktionen zum jüngsten Parking Day demonstrierten, entscheidende Faktoren für urbane Lebensqualität.

 

 

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