12. November 1970: Jungsein ist verboten

12.11.2020, 07:56 Uhr
12. November 1970: Jungsein ist verboten

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Die Klage der Jugendlichen: „Wir dürfen nicht laut sein, wir dürfen nicht dort spielen, wo es uns Spaß macht. Wir werden angeschrien und verjagt, und die Polizei wird uns auf den Hals gehetzt. Wir müssen auf die Erwachsenen und auf die Grünflächen Rücksicht nehmen und sollen möglichst überall verschwinden. Es ist so, als ob es verboten wäre, jung zu sein.“

Wie kam es zu dieser Untersuchung? Im Konfirmandenunterricht schlossen sich Gisela Glenk, Doris Heiden, Doris Dreßler, Regina Flecks, Edeltraud Kunz, Werner Bauer, Horst Lindenbeck und Jürgen Wielsch zu einem Seminar zusammen. Ihr Pfarrer, Rudolf Hackner, war der Meinung, der Unterricht sollte sich nicht auf das herkömmliche Sprüchleinhersagen beschränken.

Statt dessen sollten die Jugendlichen auf das Leben in der Gemeinschaft vorbereitet werden, sollten sie sich Kritikfähigkeit und Verantwortungsgefühl für die Mitmenschen aneignen. Für das Thema „Probleme der Jugend“ interessierten sich fünf Mädchen und drei Jungen. An einem Samstagvormittag gingen sie mit der Kamera auf die Wanderschaft. All die Plätze, auf denen der Drang der Kinder, sich auszutoben, drastisch eingeschränkt ist, suchten die jungen Reporter auf. Die Bilder entwickelten sie selbst.

Sie kamen zu einer kritischen Bestandsaufnahme: viele der versprochenen Fahrradwege seien unterschlagen worden. Die Sandspielplätze seien viereckig und mit kantigen Steinplatten eingefaßt (wohl, damit es beim Spielen ordentlich weh tut?). Zu jeder Wohnung gehöre ein Autoabstellplatz; warum habe man beim Planen die Kinder vergessen? Kinder wollten nicht immer zwischen den gleichen einförmigen Steinen oder Klettergerüsten herumkriechen. Sie möchten an ihrem Spielplatz etwas verändern können.

Zu den Grünflächen sagen die Jugendlichen: „Die wollen wir auch, aber man sollte nicht übertreiben. Wenn kleine Kinder drauf spielen, schaden sie dem Rasen doch nicht. Und kleine Kinder sind auch nicht lauter als Autos, Hubschrauber und Baumaschinen.“

Vorschläge und Anregungen

Die Jugendlichen beließen es aber nicht bei Beschwerden. Im Gegenteil: das Team wendet sich mit einigen praktischen Vorschlägen an die Stadt:

1. Sie haben gehört, daß die Friedensdorfstraße zwischen dem Franz-Reichel-Ring und dem Dr.-Linnert-Ring verschwinden soll. Warum soll sie nicht (wie in München-Perlach) zu einer Spielstraße umfunktioniert werden?

2. Der Garagenhof, so meint die Jugend, wäre ein prima Spielplatz. Jeder Autofahrer muß ohnehin vorsichtig einfahren. Statt ein Verbotsschild sollte ein Schild „Vorsicht, Kinder!“ aufgestellt werden.

3. Bei den Parkplätzen am Gemeinschaftshaus ist noch viel Platz. Wenn Tennisplätze schon zu teuer sind, könnte man doch wenigstens einen Platz für Basketball einrichten.

4. An der Trebnitzer Straße steht seit langem ein halbfertiges Einkaufszentrum. Dort könnte die Jugend im Winter Tischtennis und andere Sachen spielen.

5. Zur Zeit noch treiben sich viele Jugendliche in den U-Bahn-Schächten herum. Warum ist für sie kein Beatkeller da. Ihre Frage: „Sollen wir in Langwasser versauern?“

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