14. Oktober 1969: Radar ohne Irrtum

14.10.2019, 07:00 Uhr
14. Oktober 1969: Radar ohne Irrtum

© NN

Mit dem modernen Radarwagen. den die Stadt vor einigen Wochen für über 50 000 DM erworben hat, wird die Polizei den Verkehrstod nicht matt setzen, ihm aber zumindest Schach bieten können. 1225 Verstöße gegen Geschwindigkeits-Begrenzungen hat das unbestechliche Radar-Auge in den ersten vier Wochen im Bild festgehalten – nicht an Schnellstraßen, sondern vor allem in Bereichen des Stadtinnern, wo es nun gilt, Gefahrenpunkte zu entschärfen.

14. Oktober 1969: Radar ohne Irrtum

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Gestern nachmittag wohnten wir einer solchen Radarkontrolle in der Schweinauer Straße zwischen der Orff- und der Geisseestraße bei. Innerhalb einer Stunde passierten den Radarwagen 668 Fahrzeuge, von denen 39 (!) die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 50 km/h um durchschnittlich 20 Stundenkilometer überschritten, selbst Kleinkrafträder und schwere Lastzüge. Sieben Beamte der Verkehrsstreifen-Gruppe wurden von einem Fachlehrer der hessischen Polizeischule in Wiesbaden für die komplizierten Geräte. deren Anschaffungspreis sich allein auf über 30 000 DM beläuft. in zehn Tagen geschult. Eine Radarwagenbesatzung besteht aus drei Mann, so daß im Ernst-fall rund um die Uhr gearbeitet werden könnte.


Es geht nicht ums Verdienen ...


Gestern erklärten die Beamten immer wieder, um alle in der Öffentlichkeit noch herrschenden Vorurteile auszuräumen, es komme nicht darauf an, möglichst viel zu „kassieren“. sondern allein den Kraftfahrer dort, wo riskantes Fahren erfahrungsgemäß leicht tödlich enden kann, auf eben diese Gefahren hinzuweisen. „Wenn es nur ums Verdienen ginge“, so meinten sie, „dann könnten wir uns auch auf der Fürther Schnellstraße aufbauen. Dann hätten wir gleich einen Film vollgeknipst.“

Bei der Radarkontrolle auf der Schweinauer Straße zeigte es sich, daß viel technisches Feingefühl dazu gehört, das „Radar-Auge“ genau auf 22 Grad Neigung zum Fahrbahnverlauf und millimetergenau auf die Straße selbst einzujustieren. Obwohl ein Mini-Computer während der Aufnahmen jeden Irrtum und jede Fehlerquelle ausschließt, sind die Beamten verpflichtet, bevor die Apparatur zur Jagd auf Raser eingesetzt wird, sie mit Hilfe einer Stimmgabel zu eichen. Das gleiche geschieht auch am Ende der Aktion, um zu prüfen, ob das Gerät bis zum Ende einwandfrei funktioniert hat. Irrtümer könnten sich ergeben, wenn genau innerhalb des Radarstrahles ein Raser einen langsam fahrenden Wagen überholt. In diesem Fall aber warnt der Computer sofort: Meßwert wird ungenau. Dann muß auf diese Messung verzichtet werden. Wer aber auf den Film gebannt wird, dem nützt auch die beste Ausrede nichts.

Innerhalb der einen Stunde, die wir gestern in dem Radarwagen verbrachten, wurden sogar, was allerdings selten geschieht, drei Kleinkrafträder fotografiert, die mit Geschwindigkeiten zwischen 60 und 72 km/h vorüberrauschten. Zweiradfahrer kommen mit Sicherheit auf die Platte, wenn sie Lederbekleidung tragen, die dem Radarstrahl genügend Widerstand bietet.

Glück im Unglück


Glück für die Kraftfahrer: das Gerät spricht erst bei Geschwindigkeiten ab 59 km/h an. Sie ergeben sich aus 5 km/h Toleranz für Tacho-Abweichung und Ablesefehler, und außerdem wird zugunsten des Autofahrers die maximale Abweichung im Radargerät von 3 km/h zugutegehalten. Rund 80 v. H. der nicht von der Kamera erfaßten Wagen, die gestern den Radarstrahl durchfuhren, zeigten zwischen 53 und 57 km/h an. Nur die wenigsten hielten sich an das 50 km/h-Limit innerhalb der Stadt. Andererseits überschritt auch in der besagten Zeit niemand die Grenze, hinter der der Entzug der Fahrerlaubnis steht: bei 50 km/h-Begrenzung wären das 83 Stundenkilometer. Die höchsten Geschwindigkeiten lagen bei 76 km/h.

Ist eine Radarkontrolle beendet, so wird der entwickelte Film im Präsidium unter das Auswert-Gerät gelegt. Auf dem Negativ ist nicht nur das Autokennzeichen des Verkehrssünders messerscharf zu erkennen, sondern ebenso die Uhrzeit, der Tag und der Ort der Aufnahme. Nun entscheidet es sich, ob der Schnellfahrer noch unter den Verwarnungs- oder aber unter den Bußgeld-Katalog fällt.

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