2. Mai 1969: Nürnberger Jusos unterstützen DGB

2.5.2019, 07:57 Uhr
Jungsozialisten bieten Information: An ihrem Stand in der Fußgängerzone Pfannenschmiedsgasse holten sich viele Passanten Schriften über die DGB-Forderung zum 1. Mai: "Für wirtschaftliche Mitbestimmung!" Juso-Vorsitzender Horst Schmidtbauer (im hellen Mantel mit Mikrofon) fragt die Bürger nach ihrer Meinung.

© NN-Archiv Jungsozialisten bieten Information: An ihrem Stand in der Fußgängerzone Pfannenschmiedsgasse holten sich viele Passanten Schriften über die DGB-Forderung zum 1. Mai: "Für wirtschaftliche Mitbestimmung!" Juso-Vorsitzender Horst Schmidtbauer (im hellen Mantel mit Mikrofon) fragt die Bürger nach ihrer Meinung.

Juso-Vorsitzender Horst Schmidtbauer animierte am Mikrofon die Passanten zum Zugreifen und zum Gespräch, das – nach anfänglichem Zögern – auch zustandekam. Außerdem stand Stadtrat Hans Batz, SPD-Kandidat für den Bundeswahlkreis Nürnberg-Nord, unter den Leuten, verteilte Schriften und unterhielt sich mit ihnen nicht nur über die Forderung des DGB. sondern auch über andere soziale Fragen. 

"Liebe Mitbürger, morgen ist Maifeiertag. Wir möchten Sie fragen: was halten Sie von der Mitbestimmung?" rief Horst Schmidtbauer – zunächst ohne großen Erfolg. Erst allmählich überwanden die Umstehenden ihre Scheu und gaben ihre Meinung zum Argument des DGB preis, daß demokratische Bürger im Wirtschaftsleben nicht wie Unmündige behandelt werden dürften. Die meisten Angesprochenen bekannten sich zur Mitbestimmung, durch die das Selbstbestimmungsrecht des Menschen auch im Unternehmen verwirklicht werden soll.

"Dafür treten wir schon 50 Jahre ein", meinte einer, "Kapital und Arbeit sollen gleichberechtigt nebeneinander stehen", wünschte ein anderer. "Ich habe Bedenken, daß damit wieder ein paar Posten für Gewerkschaftsfunktionäre geschaffen werden sollen. Ich wünsche, daß die Belegschaft selbst ihre Vertreter wählt", erklärte ein Passant, der damit – vielleicht ohne es zu wissen – mit dem DGB einig war.

Denn in einer Schrift, die der Deutsche Gewerkschaftsbund unter dem Titel "Mitbestimmung – eine Forderung unserer Zeit" veröffentlicht hat, bekennt er: "Mitbestimmung heißt nicht, daß von allen Seiten in die Unternehmensleitung hineinregiert wird. Genau wie in der Politik die Staatsbürger, so übertragen in der Wirtschaft die Arbeitnehmer ihr Recht, mitzuentscheiden, auf ihre gewählten Vertreter. Männer und Frauen, die für diese neue Verantwortung befähigt sind, handeln stellvertretend für ihre Kollegen."

Stadrat plädiert für Mitbestimmung

Auch Stadtrat Hans Batz bekannte sich nachdrücklich zur Mitbestimmung, die der DGB in allen großen Kapitalgesellschaften – mit über 2000 Beschäftigten, einer Bilanzsumme von 75 Millionen Mark und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Mark – einführen will. Doch daneben wollten die Nürnberger beispielsweise auch wissen, wie er über eine herabgesetzte Ruhestandsgrenze denkt.

"Man sollte es dem Arbeitnehmer überlassen, ob er mit 60 Jahren aufhören will. Eine generelle Einführung halte ich jedoch wegen der Alterszusammensetzung der Arbeitnehmerschaft für nicht möglich", erklärte der SPD-Kommunalpolitiker mit Bundestags-Ambitionen.

So entwickelte sich am Ende doch eine Diskussion, nicht nur zwischen den Jungsozialisten und den Passanten, sondern sogar unter den Passanten selbst, die im übrigen der Aufforderung gerne nachkamen und die ausgelegten Broschüren und Flugblätter geradezu hamsterten. 

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