26. März 1969: Der „Feind“ hört mit: heimlich, still und leise

26.3.2019, 07:00 Uhr
26. März 1969: Der „Feind“ hört mit: heimlich, still und leise

© Kammler

Prominentestes Nürnberger Telefonopfer ist Hansheinz Porst gewesen. Ehe seine Landesverrats-Affäre an die Öffentlichkeit drang, war sein „heißer“ Draht monatelang belauscht worden.

Damals hatte es die Post noch mit den Alliierten zu tun. Seit dem 1. November 1968 ermöglicht das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses deutschen Behörden das Mithören oder -lesen. Die Praxis ist relativ einfach: über die Innenministerien melden der Bundesverfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Bundesnachrichten-Dienst (BND) oder die Verfassungschutzbehörden ihre Wünsche an. Und die Post muß die Forderungen bedingungslos erfüllen, denn die politische Anwendung des Gesetzestextes wird von Bonner Parlamentariern überwacht.

„Wir sind nur Handlanger“, bestätigt Oberpostrat Hermann Meyer. Obwohl „wir die Anweisungen der Bedarfsträger befolgen müssen, lassen wir keine Verfassungshüter in die Räume hinein, in denen das Abhören möglich ist“. Das brauchen die V-Männer auch nicht, denn die Technik ist unkompliziert: in jeder der 29 Vermittlungsstellen in Nürnberg-Fürth gibt es einen Hauptverteiler. Mit wenigen Handgriffen wird der heimliche Lauscher in den zu überwachenden Anschluß zugeschaltet.

26. März 1969: Der „Feind“ hört mit: heimlich, still und leise

© Kammler

Das Ergebnis: wenn bei Herrn Schulze, der auf der Liste verdächtiger Personen steht, das Telefon schrillt, klingelt es gleichzeitig auch in der Dienststelle der Verfassungsschützer. Noch einfacher geht es bei Brief- und Paketsendungen zu, in die solche Stellen einen unauffälligen Blick werfen wollen. Dazu die Oberpostdirektion: „Wir sondern diese Sendungen aus und legen sie für eine bestimmte Behörde bereit. Was dann mit den Briefen geschieht, wissen wir nicht.“

Richter können das Abhören verfügen

Ebenfalls geändert ist die strafprozessuale Seite des Postgeheimnisses. Wie ein Richter Haftbefehle erlassen und Hausdurchsuchungen anordnen kann, so ist er nun auch in der Lage, das Abhören von Telefongesprächen zu verfügen – bei Mord, Totschlag, Münzverbrechen, Raub, Verschleppung, Kindsentfültrung, Mädchenhandel oder Erpressung. Diese Anordnungen werden nicht – wie bei spionage- oder landesverräterischen Fällen – von Politikern überwacht, sondern sie obliegen örtlichen Richtern und werden meist auf Antrag von Kriminalbeamten verfügt. Dazu das Polizeipräsidium: „Wir haben in den vergangenen Monaten von dieser Möglichkeit noch nicht Gebrauch gemacht. Wenn es aber erforderlich sein sollte, nehmen wir dieses Gesetz selbstverständlich in Anspruch.“

Auf besondere Fairneß können die Leidtragenden unter den 100 000 Telefonbesitzern in Nürnberg nicht hoffen. „Die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs“, so heißt es in der Begründung des Gesetzestextes, „ist nur sinnvoll, wenn dies dem Betroffenen nicht bekannt wird.“ Die meisten Einwohner, die wir zu diesem Problem befragt haben, sind skeptisch. Ein 37jähriger kaufmännischer Angestellter: „Der Willkür ist Tür und Tor geöffnet. Ähnlich gelagerte Fälle zeigen in erschreckendem Maße, wie schlecht es um Kontrollfunktionen des Parlaments bestellt ist.“ Sowohl die Techniker bei der Post als auch Beamte bei Justiz und Kriminalpolizei schätzen den Abhörerfolg sehr gering ein. „Welcher Spion“, so fragen sie sich, „plaudert schon an seinem Haustelefon über seine Aufträge?“ Auch im Fall Porst erfuhren die beamteten Spitzel nichts von den angeblichen landesverräterischen Beziehungen des Millionärs, als sie den Draht des Unternehmers anzapften. Erst als ein sowjetischer Agent zu den Amerikanern übergelaufen war und „auspackte“, schlug der Verfassungsschutz damals zu.

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