28. April 1969: Raubkatze riß aus

28.4.2019, 07:00 Uhr
28. April 1969: Raubkatze riß aus

© NN

Das gefährliche Tier, bei dem es sich vermutlich um einen südamerikanischen Ozelot handelt, ist sechs Monate alt. Auf der Suche nach der Katze durchstöberten etwa dreißig Beamte stundenlang den Stadtpark, kletterten auf Dächer und nahmen zahlreiche Schuppen und Hinterhöfe unter die Lupe. Doch alle Bemühungen, das Tier wieder einzufangen, sind bisher gescheitert. Sollte es irgendwo gesehen werden, dann ist höchste Vorsicht geboten. Die Polizei: „Keineswegs anfassen. Sonst besteht die Gefahr daß die Katze einen Menschen anfällt“.

Zahm ist der Ozelot nicht. Denn Horst F. hat ihn erst am vergangenen Freitag von einer Zoohandlung in Nordrhein-Westfalen geschickt bekommen. Der 20jährige Stahlformenbauer zu den NN: „Ich hatte einen Käfig gebaut, der in meinem Zimmer stand. Als ich gegen 4.45 Uhr aufwachte, sah ich „Sascha“ auf dem Schrank stehen. Sofort stand ich auf, um das Tier wieder einzufangen. Doch plötzlich sprang es auf das Fensterbrett.“

Der junge Mann konnte nicht mehr verhindern, daß „Sascha“ durch die halbgeöffnete Scheibe kroch und mit einem mächtigen Satz in den Hof sprang. Bis Horst Fleischmann vom dritten Stock auf die Straße lief, war die Raubkatze verschwunden. Sie hatte mit ihren scharfen Krallen ein etwa zwanzig Zentimeter breites Loch in das Drahtgitter des Käfigs geschlagen.

Der Stahlformenbauer, der für seine „Sascha“ 900 Mark bezahlen mußte, wußte noch nicht einmal, um welches Tier es sich genau handelt. „Es ist aus Südamerika gekommen“, meinte er und tippte auf eine Bengalkatze. Nach der Beschreibung – hellbraun mit schwarzen Punkten – ist der wissenschaftliche Assistent des Tiergartens, Dr. Manfred Kraus, überzeugt davon, daß es sich um einen Ozelot handelt. „Bengalkatzen sind kleiner. Außerdem sind sie nur in Ostasien beheimatet.“

Der Ozelot (Leopardus pardalis) wird in der Regel bis zu einem Meter lang und hat einen 50 cm langen Schwanz. Er lebt in vielen Unterarten in Mittel- und Südamerika. Mit Vorliebe hält er sich im Urwald auf, wo er Wirbeltiere aller Klassen bis zur Größe eines jungen Schweins jagt.

Wo sich „Sascha“ aufhält, weiß niemand. Dr. Kraus vermutet jedoch, daß sich die Katze bestimmt in einem Keller, Schuppen oder Gebüsch verkrochen hat. Auch er rät, das scheue Tier nicht anzufassen. Im übrigen bedauert er, daß der Gesetzgeber keine besonderen Auflagen für die Haltung solcher Tiere macht. „Noch nicht einmal eine Sondergenehmigung ist erforderlich“, meint Dr. Kraus. „Jeder kann sich heute eine Raubkatze anschaffen.“

Der 20jährige Stahlformenbauer, der nun seiner „Sascha“ nachtrauert. will sein Hobby nicht aufgeben. „Ich wollte mir zunächst ein Buschbaby anschaffen. Doch wegen der Affensperre ist das im Augenblick noch nicht möglich“, erzählt Horst F. Als er die Katze sah, war er „derart fasziniert, daß er sie gleich gekauft habe“. Der Amateur-Dompteur über seine nächsten Pläne: „Wenn ich eine andere Wohnung bekomme, werde ich mir einen Kojoten zulegen“.

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