29. Januar 1970: In Zukunft Höhenluft

29.1.2020, 07:00 Uhr
29. Januar 1970: In Zukunft Höhenluft

© Ulrich

Ist diese städtebauliche Operation nach vielleicht zehn Jahren erfolgreich beendet, wird, soviel ist sicher, die Gartenstadt ihren ausgesprochenen Kleinsiedlungscharakter verloren haben.

Schon wurde – wie berichtet – mit dem 1. Bauabschnitt begonnen. Das alte Verwaltungsgebäude der Gartenstadt-Genossenschaft muß der neuen Hauptverkehrsader weichen und schon im Herbst dieses Jahres soll das neue, moderne Gebäude bezugsfertig sein. Ein Wohnhochhaus mit 47 Wohnungseinheiten – in der Höhe differenziert und im Grundriß gegliedert – ist im Modell bereits fertig. Bei diesem Gebäude will man – erstmals in Nürnberg – den Versuch unternehmen, auf den 65 Meter hohen Kamin zu verzichten und eine Elektro-Nachtstrom-Speicherheizung zu installieren. Dem Hochhaus sollen sich später weitere höhere Gebäude anschließen.

Zum 1. Bauabschnitt, der rund 5 Millionen DM kosten wird, gehören Ladengeschäfte und eine Fußgängerplattform. Hier soll der Mensch nicht durch den Autoverkehr belästigt werden, hier sollen Pflanzbecken, Bäume und Kinderspielplatz das Gesamtbild auflockern und beschaulicher gestalten. Damit nicht genug: auf den obersten Terrassen der Hochhäuser sorgen Terrassenpflanzungen für eine freundliche Note. Unter der Fußgängerplattform ist eine Tiefgarage geplant.

Was gab den Anstoß zu diesem gigantischen Vorhaben? Der Bau des Nürnberger Hafens macht umfangreiche Straßenerschließungen erforderlich. In Zusammenhang mit der Neutrassierung der B 2 wird die verlängerte Hafenstraße mit der Verlängerung des „Finkenbrunn“ verbunden und so an das innerstädtische Straßensystem angeschlossen.

Für den Finkenbrunn hat das weitreichende Folgen. Er kann nicht länger eine von Bäumen gesäumte, idyllische Stichstraße bleiben, auf der sich Kinder tummeln. Er wird auf maximal sieben Spuren verbreitert, die Mehrzahl der Bäume muß gefällt, Vorgärten müssen beseitigt werden. Die Architekten des Bauvorhabens, die Planungsgruppe Scherzer-Fink-Scherzer, kam zu dem Schluß, daß die so entscheidend verbreiterte Straße die jetzt noch bestehende Idylle der Gartenstadt völlig zerstören werde. Die Einmündung einer so bedeutsamen Verkehrsader bedürfe einer städtebaulichen Akzentuierung. Durch Konzentration und Verdichtung müsse ein echter Siedlungsschwerpunkt geschaffen werden.

Ein eigener Hausgarten

„Das Wohngebiet weg von dem verkehrsreichen Finkenbrunn“ – diesem Argument konnten sich die Gartenstadt-Genossenschaft und ihre Gremien nicht verschließen. Außerdem: nicht nur Stadtbilder, sondern auch Menschen ändern sich. Der früher anzutreffende Stolz, einen eigenen Hausgarten zu hegen und zu pflegen, ist heute einer gewissen Bequemlichkeit der Menschen gewichen. Deshalb, so meinte Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Heinz Zellner, stand man dem Hochhauskonzept recht aufgeschlossen gegenüber.

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