30. Juli 1970: Hügel ohne Namen

30.7.2020, 06:00 Uhr
30. Juli 1970: Hügel ohne Namen

© Contino

Die Einheimischen nennen die künstlich erschaffenen Hügel allenfalls noch „Monte Klamotte“ oder „Monte Scherbelino“. Aber das sind leider Bezeichnungen ohne Nürnberger Lokalkolorit. Als im Jahre 1945 die Stadt in Schutt und Asche gesunken war, hatte die Geburtsstunde der Hügel geschlagen. Unverdrossen gingen die Bürger daran, die Trümmer beiseite zu räumen. Die aus der Nordstadt karrten sie zum Marienberg. Auch auf das Gelände des alten Tiergartens, auf Forstgebiet bei Fischbach kamen die Überbleibsel der Bombennächte. Auch die Rampen für die Theodor-Heuß-Brücke, die jetzt an der Maximilianstraße entsteht, wurden damals schon aufgeschüttet.

Der Schuttberg, der sich der größten Volkstümlichkeit erfreuen kann, kam am Silbersee zu liegen. Unaufhörlich rollten die Loren der Bahn, bis mit der Währungsreform auf Lastwagenbetrieb umgeschaltet wurde. Mit drei Millionen Kubikmeter Schutt wurde die zehn Meter tiefe Baugrube des „Deutschen Stadions“ – der heutige Silbersee – teilweise zugeschüttet und ein 35 Meter hoher Berg aufgehäuft. Nichts mehr erinnert heute an die Entstehungsgeschichte des Hügels, der inzwischen in das Erholungsgebiet rings um den Dutzendteich einbezogen worden ist und der durch seine Lage künftig noch an Bedeutung gewinnen wird. An seinem Südfuß liegt das neue Nürnberger Messegelände.

Theo Friedrich, der Chef des Gartenbauamtes, hat zwar wenig Geld, dafür aber gute Ideen, wie die Erhebung noch attraktiver gestaltet werden könnte. Er denkt an ein Terassencafe am Südhang oder auf der Kuppel, ein Vorhaben, das freilich von privater Seite verwirklicht werden müßte. Mit dem Messegelände könnte die gastliche Stätte durch einen Lift oder eine Gondelbahn verbunden werden. Der zweite Schuttberg, draußen in Maiach, ist erst durch den Bau des Staatshafens Nürnberg aus seinem Dornröschenschlaf gerissen worden. Auf seiner Ost-, Nord- und Südseite wird noch geschüttet, aber von seiner Spitze – die beiden Kuppen liegen jetzt 52 und 38 Meter über dem Erdboden – bietet sich bereits ein großartiger Blick über die Hafenanlagen. Wenn die Finanzierung klappt, will Theo Friedrich bald mit der Erschließung und Wiederaufforstung beginnen, zunächst an der am Hafen zugewandten Westseite, damit zur Eröffnung der Großschiffahrtsstraße bis Nürnberg Ende 1972 die Festgäste nicht auf Müll und Abfall sehen. Um aber beide Berge mehr ins Bewußtsein der Bevölkerung zu rücken, braucht es originelle Namen. Am besten wäre es freilich, wenn die Bürger selbst einige Vorschläge parat hätten. Wenn ja, dann brauchen die Leser ihre Zuschrift nur an die Lokalredaktion der Nürnberger Nachrichten zu richten. 

Wir befragten Spaziergänger am Silbersee, wie sie den beliebten Ausflugsberg gerne umtaufen würden: Ein Ehepaar: „Den sollte man ‚Mandolino‛ nennen, weil viele junge Leute hierher kommen und Gitarre spielen.“ Ein Kaufmann: „Jaja, ‚Schöne Aussicht‛ wäre ein guter Name, weil man einen herrlichen Rundblick hat.“ Ein griechischer Gastarbeiter: „Ich würde ihn ‚Penkadia‛ nennen, das bedeutet soviel wie einsamer Berg mit Bäumen.“ Ein Lehrling: „Für mich ist es der ‚Berg der guten Hoffnung‛.“ Ein Polizist: „Warum nicht einfach ‚Silberhügel‛?“ Drei 12jährige Schüler: „Da kann doch jeder anders sagen, mir sag‘n manchmal Kirschenberg, Glasberg oder Sonnenberg.“ Ein Rentner: „Des is halt der Nürnberger Griesnockerl-Berg.“