4. Juni 1970: Chemische Untersuchungsanstalt kam zu einem erschreckenden Ergebnis

4.6.2020, 07:18 Uhr
So entsteht der Smog über Nürnberg: ein Blick vom Plärrer-Hochhaus nach Süden.

So entsteht der Smog über Nürnberg: ein Blick vom Plärrer-Hochhaus nach Süden.

Stadtluft macht frei, lautete der Ruf der Fronbauern im Mittelalter. Heute kommt man auch in Nürnberg zu einer anderen Wahrheit: Stadtluft macht krank. Die vielgepriesene „frische Luft“ vor dem Fenster ist lebensfeindlich. Schwefeldioxyd schädigt die Atemorgane und trägt zu Kreislauferkrankungen bei.

Die Chemische Untersuchungsanstalt der Stadt Nürnberg hat im vorigen Jahr langwierige Untersuchungen begonnen, um herauszufinden, wieviel Schwefeldioxyd die Atmosphäre enthält. Das Ergebnis: Nürnberg steht an Luftverschmutzung Städten wie Düsseldorf und Bochum nicht nach und schneidet höchstens im Vergleich mit Duisburg und Gelsenkirchen relativ gut ab.

Das Bundesgesundheitsministerium hat in seiner „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ festgestellt, daß 0,75 Milligramm Schwefeldioxyd-Gehalt pro Kubikmeter Luft in der Einzelwertung nicht überschritten werden dürfen. (Einzelwert – das ist der vorübergehende Schwefeldioxydgehalt, etwa eine halbe Stunde lang in einem Zeitraum von 120 Minuten).

Das bedenkliche Meßergebnis in Nürnberg ergab 0,58 Milligramm, kam also der Höchstgrenze ziemlich nahe. Aber dies war ein Einzelfall denn der Durchschnittswert liegt in der Noris bei 0,27 Milligramm. also weit unter der Alarmstufe I.

Dauerwert erträglicher

Gemessen wurde schließlich auch der Dauerwert. Hier hält das Ministerium einen Schwefeldioxydgehalt von 0,4 Milligramm pro cbm als das höchste noch erträgliche Maß. Nürnberg kommt mit 0,10 Milligramm auch hier glimpflich davon. Um zu einem gültigen Meßergebnis zu gelangen, fuhren die Mitarbeiter der Chemischen Untersuchungsanstalt 25 Punkte im Stadtgebiet insgesamt 26mal an; natürlich immer zu verschiedenen Tageszeiten. Sie absorbierten dann eine gewisse Menge Luft, die im Labor untersucht wurde.

Selbst in Stadtgebieten mit viel Industrie wie St. Leonhard, Steinbühl und Schweinau war aufgrund der Kaminhöhen der Schwefeldioxydgehalt nicht wesentlich höher als in anderen Stadtteilen. Dafür bekommen aber auch die „grünen Lungen“ der Stadt, die Randgebiete wie der Dutzendteich und das Umland einen Teil der Luftschadensstoffe ab.

Hinter Nürnberg liegt derzeit ein von Schwefeldioxyd stark verseuchter Winter. Direktor Dr. Bruno Trinczek von der Chem. Untersuchungsanstalt räumt mit dem Trugschluß auf, die klare Winterluft sei besonders sauber. Die Erklärung: vertikale Luftströmungen können Mensch, Gebäude und Pflanzen von der Schwefeldioxyd-Schicht befreien. Dazu aber bedarf es wärmerer Temperaturen. Deshalb bleiben im Winter die verschmutzten kalten Luftschichten lange auf Nürnberg liegen.

Das spiegelt sich auch sehr deutlich in den in Nürnberg angestellten Untersuchungen wieder. Dr. Trinezek: „Der Schwefeldioxydgehalt war im Februar sehr hoch, nahm in den Monaten bis Mai ab und blieb dann bis Juli konstant gering.“

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