5. November 1970: Weiche Knie nach Renn-Illusion

5.11.2020, 07:00 Uhr
5. November 1970: Weiche Knie nach Renn-Illusion

© Contino

Man dreht also eine 31-Sekunden-Runde auf dem Weltmeisterschaftskurs von Brands Hatch. Mit einem Formel III Lotus, versteht sich, nicht mit dem „Käfer“. Wird vom Rausch der Geschwindigkeit erfaßt, besteigt wieder sein Alltagsgefährt und tastet sich von Ampel zu Ampel nach Hause. Der Traum von der 1,4 Kilometer langen, völlig leeren Rennstrecke war kurz. Aber schön.

Man wird um ein paar Erfahrungen reicher, eines Besseren belehrt und bekommt ein völlig neues Bild von PS-Bändigern aus Profession. Dazu trägt keineswegs das reichhaltige Angebot der „Consumenta 70“ bei, sondern ein Stand (für Interessenten: in der Halle 1), zu dem heißer Beat und kühle Posters den Weg weisen: der Racing Simulator der BP. In dieses schwarze Zelt geht man voller Optimismus mit seinem Mädchen hinein und verläßt es wenig später als geknicktes Etwas, während um die Mundwinkel der Holden spöttisches Lächeln spielt.

Das Geheimnis dieses für harte Männer entwürdigenden Vorganges ist ein grün gestrichener Lotus-Rennwagen auf schwarzem Podest vor weißer Leinwand. Ein Original-Rennwagen, dem nur so entscheidende Dinge, wie Motor und Getriebe fehlen. Doch was nicht vorhanden ist, wird ersetzt. Ein elektronisches System gaukelt die Rennillusion perfekt vor, einschließlich der Motorgeräusche.

Man nimmt Platz in dem harten Schalensitz, sucht mit dem rechten Fuß das Gaspedal – das sich, wenn der Motor nicht anspringen will, als Bremse erweist schaltet mit der linken Hand in den ersten Gang und rollt über die Startlinie, die auf der Leinwand eingeblendet wird. Nun wäre dies halb so schlimm, würde dort ein Film abgespult. Doch nein, hier wird wirklichkeitsnah simuliert.

Ein komplizierter Mechanismus sorgt dafür, daß vor dem Fahrer die Strecke so abläuft, wie er sie entsprechend des mehr oder weniger durchgetretenen Gaspedals tatsächlich fährt. Man kann über die Bahn hinausschießen, das Ziel in der verkehrten Richtung anfahren, die Kurven ignorieren und fortwährend gegen Tribünen bumbsen. Und bleibt heil, nur im Kopf dreht sich‘s.

Zwei Trainingsrunden sind erlaubt, dann wird gestoppt. Wer sich zwei Runden lang über die Strecke gemogelt hat, muß Farbe bekennen. Ein Kontrollgerät registriert jede Abweichung von der Bahn. Jedes Aufflackern des Rotlichtes bedeutet Strafzeit.

Man kann die Strecke im Zickzack fahren, dann dauert es länger, man kann auf die Tube drücken und dabei den halben Weg über die Wiese jagen, dann gibt es Fehlersekunden. Selten sind einem Kurven so schnell entgegengekommen, selten Straßen so schmal erschienen.

Lenken, Gas geben, denken und dann auch noch schalten, das schlafft ganz schön ab. Es hat sich inzwischen zwar herumgesprochen, daß man im vierten einen fliegenden Start hinlegt, im zweiten die erste Kurve nimmt und dann den Rest der Strecke im dritten fährt. Doch Theorie ist grau. Bis der Pilot vor der ersten Kurve herunterschaltet, ist er schon in der zweiten – oder in den Strohballen gelandet.

Hat man seine drei Runden überstanden, sich siegessicher aus dem Cockpit gezogen, hat man einen Nackenschlag in Form der Zeitansage hingenommen, dann, ganz am Ende, wird man für seine Mühen belohnt: jeder Fahrer erhält eine Urkunde. Das ist immerhin ein Trost. Denn, wie heißt es so schön, nicht siegen ist wichtig, sondern dabei gewesen zu sein. Und das sollte man.

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