500 Millionen und mehr: Wird Opernhaus-Sanierung noch teurer?

17.12.2020, 06:02 Uhr
500 Millionen und mehr: Wird Opernhaus-Sanierung noch teurer?

© Foto: Christian Weber

Bereits im Jahr 2012, damals entstand ein Vorgängergutachten, hätte offenbar akuter Handlungsbedarf bestanden.

In der brandschutztechnischen Stellungnahme, die am 27. Oktober 2020 von den Experten der "HHP Süd Sachverständige für Brandschutz" (HHP Süd) erstellt worden ist, heißt es mit Verweis auf das acht Jahre alte Gutachten: "Viele der wesentlichen Mängel mussten hierbei jedoch auf die anstehende Generalsanierung verschoben werden, da diese Mängel aufgrund ihrer Komplexität im gewöhnlichen Bauunterhalt nicht abgedeckt werden."

Diese Generalsanierung ist bislang nicht erfolgt. In die Alltagssprache übersetzt heißt das: Es ist nicht allzu viel passiert seit jenem ersten Gutachten, das ebenfalls von der HHP Süd stammt. Deshalb kamen die Fachleute (der 35-seitige Bericht liegt der Redaktion vor) auch zu jenem bemerkenswerten Satz, den die jetzige Leitung des Staatstheaters als sofortigen Handlungsauftrag begriffen hat: "In Anbetracht der derzeit baulichen Gegebenheiten kann eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Zuschauer nicht ausgeschlossen werden." Wie berichtet, haben Staatsintendant Jens-Daniel Herzog und der geschäftsführende Direktor der Stiftung Staatstheater, Christian Ruppert, nach Lektüre dieses Berichts sofort die Notbremse gezogen.

Ingenieure sprechen von "Totalverlust"

"Wir machen aus der Corona-Not eine Brandschutz-Tugend", kleidete Intendant Herzog in blumige Worte, was nun passieren soll: Es werden zwei getrennte Fluchtwege geschaffen. Dafür wird im Foyer des Opernhauses eine Trennwand errichtet, bereits im März soll das Haus wieder spielbereit sein. Vorher hätte aller Voraussicht nach wegen der Corona-Einschränkungen der Betrieb ohnehin nicht wiederaufgenommen werden können.

Ohne den Einbau der Trennwand wären künftig nur mehr 200 Zuschauer zugelassen, insgesamt fasst das Opernhaus bis zu 1050 Gäste. Zumindest in den vergangenen Jahren, seit die erheblichen Brandschutzmängel diagnostiziert worden sind, war es offenbar ein großer Glücksfall, dass es nicht zu einem Brandereignis gekommen ist. Die HHP-Ingenieure hatten für dieses Fall nüchtern den "Totalverlust", sprich: ein Abbrennen bis auf die Grundmauern, in Aussicht gestellt.

"2012 haben alle gemeinsam die Augen zugemacht"

Bleibt die Frage, ob die Kommunalpolitik in den vergangenen Jahren beide Augen zugedrückt hat. Baureferent Daniel F. Ulrich (parteilos) will da gar nicht widersprechen. Das 1905 errichtete Gebäude gehört jedenfalls der Stadt. Für den Unterhalt, zumindest wenn es um Arbeiten bis zu einer Summe von einer Million Euro geht, ist die Stiftung des Opernhauses selbst zuständig. Die geforderten Brandschutzmaßnahmen würden diese Summe deutlich überschreiten. Rückblickend stellt Ulrich fest: "2012 haben alle gemeinsam die Augen zugemacht."

Ulrich betont allerdings auch, dass das Gutachten aus seiner Sicht "nicht wirklich dramatisch" sei. Was für den Laien bedrohlich klinge, sei für den Fachmann anders einzuordnen. Dennoch hätte schon früher gehandelt werden sollen. Das sei aus heutiger Sicht auch der Kern des Problems: "Es traute sich keiner so richtig ran." Ulrich selbst war damals noch nicht Baureferent, die Kritik kann also allenfalls seinem Vorgänger im Amte gelten – und vielleicht auch dem damaligen Stadtoberhaupt.

Den Chefsessel im Rathaus besetzte 2012 Alt-OB Ulrich Maly. Er hat die überfällige Sanierung des Opernhauses seinem Nachfolger Marcus König übergeben. Dabei hätte, so hieß es seinerzeit, zwischen 2020 und 2025 das neu sanierte Opernhaus wieder bezogen werden sollen. Davon kann nun nicht mehr die Rede sein.

Brandschutz ist schon lange Thema

Dass so lange nichts passiert ist, kann auch mit dem Intendantenwechsel zusammenhängen. Denn bis 2018 hatte Peter Theiler die Leitung in Nürnberg inne. Mittlerweile ist der Schweizer an der Semperoper in Dresden tätig. So richtig brannte Theiler in seinen letzten Amtsjahren offenkundig nicht mehr für die Thematik Brandschutzsanierung.

Theiler wusste allerdings um die schwierige Situation. Am 11. Oktober 2017 schrieb ihn die Feuerwehr der Stadt mit einer langen Mängelliste, die das Ergebnis einer zuvor durchgeführten Feuerbeschau war, an: "Bis zur vollständigen Beseitigung der Mängel haftet der Betreiber im Unglücksfalle für die dadurch verursachten Schäden und es kann eine strafrechtliche Verfolgung stattfinden." Daraufhin sind die gröbsten Mängel beseitigt worden.

Der Brandschutz und das Opernhaus – eine nicht enden wollende Geschichte. Entwarnung kann übrigens auch nach dem Einbau der Zwischenwand im Foyer nicht gegeben werden: Denn die bereits 2019 erfolgte Begehung der Brandschutzexperten der HHP Süd listet weitere "erhebliche Mängel" auf. Vor allem der "Zustand des Deckenbereichs über dem Zuschauersaal der Staatsoper Nürnberg" sei ein Risiko, das einer "kurz- bzw. mittelfristigen brandschutztechnischen Ertüchtigung" bedarf.

500 Millionen Euro sind eingeplant

Auf lange Sicht, auch das bekräftigen die Gutachter erneut, sei ein Weiterbetrieb "unter brandschutztechnischen Schutzzielaspekten nicht zu vertreten". Ein weiteres Aufschieben der Sanierung verbietet sich also. Das sieht auch Ulrich so. Auf "drei bis fünf Jahre" taxiert er den Zeitgewinn, der durch die jetzigen Maßnahmen vorhanden ist. Nicht viel, um eine Interims-Spielstätte zu etablieren. Zumal es im Moment noch keine Einigung auf einen Standort gibt.

Immerhin sind Finanzmittel eingeplant. Kämmerer Harald Riedel (SPD) kalkuliert mit 500 Millionen Euro. Eine Summe, die vielen Beobachtern als zu niedrig erscheint. Vergleichbare Projekte haben sich jeweils der Milliardengrenze angenähert. Die Oper bleibt also in jeder Hinsicht ein heißes kommunalpolitisches Eisen.

Übrigens: Mit den jetzt begonnen Brandschutzarbeiten steht das Aus für den Opernball in den Folgejahren fest – zumindest im Opernhaus kann das Ereignis mit bis zu 3500 Gästen nicht mehr über die Bühne gehen. Erst nach einer Sanierung wäre dies wieder denkbar. Optimisten können sich dafür das Jahr 2030 vorstellen. Eine lange Durststrecke für das
größte gesellschaftliche Ereignis der Stadt.

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