8. Juni 1967: Fürther wollen endlich bezahlen

8.6.2017, 07:00 Uhr
8. Juni 1967: Fürther wollen endlich bezahlen

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Damit ist ein Stein ins Rollen gekommen, den man seit zehn Jahren nicht von der Stelle brachte. Es geht um eine Kostenbeteiligung der Stadt Fürth an dem Verkehrsunternehmen, das beide Städte bedient, dessen Lasten aber aufgrund eines Vertrags aus dem Jahr 1926 nur von Nürnberg getragen werden.

Generaldirektor Dr. Ipfelkofer und die VAG-Direktoren Vogel und Wacker umrissen die Situation der VAG, die 1966 einen Gesamtverlust von 20,3 Millionen verzeichnete. Aus Gewinnen der EWAG konnte diese Summe bis auf 4,6 Millionen verringert werden. Dieser Rest war nicht zu decken.

Rationalisierung und Personaleinsparungen werden auch in Zukunft das Defizit nicht mindern können, da Löhne und Preise weiter steigen. Angesichts der gespannten Finanzlage muß die Stadt Nürnberg nun endlich verlangen, daß sich Fürth an den Kosten beteiligt.

Ein Gutachten der Wirtschaftsberatungs-AG ergab, daß Nürnberg im Jahr 1965 4,57 Millionen DM aufwenden mußte, um die Nachbarstadt im Nahverkehr zu bedienen. Hätte Fürth das vorhandene Netz allein betrieben, so wäre ein Verlust von 4,15 Millionen entstanden. Bei Umstellung auf reinen Busverkehr in eigener Regie hätte Fürth 2,7 Millionen DM zusetzen müssen.

„Bisher unvergleichlich großzügig“

Oberbürgermeister Dr. Urschlechter ergänzte die Feststellungen des Gutachtens mit dem Hinweis, daß Fürths Versorgungsbetriebe mit Gewinn arbeiten. Er gab zu bedenken, ob die Kostenbeteiligung Fürths nicht in Form von Aktienerwerb bei der VAG erfolgen könne, was unter Umständen steuerliche Vorteile bringe.

8. Juni 1967: Fürther wollen endlich bezahlen

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Nach dem Sachvortrag wurden die Nürnberger in der Diskussion im Rittersaal von Hoheneck deutlicher: Bürgermeister Haas: „Nürnberg war bisher unvergleichlich großzügig. Härtere Überlegungen sind einfach nicht mehr zu umgehen. Wir sollten miteinander raufen.“

Stadtrat Willy Prölß, der Fraktionsvorsitzende der SPD, machte seinen Fürther Kollegen einen Beitrag damit schmackhaft, daß er ebenfalls auf eventuelle Steuervorteile hinwies, um dann klipp und klar zu sagen, die Fürther sollten sich bereiterklären, ab 1. Januar 1967 rückwirkend zu zahlen. Dr. Oscar Schneider (CSU) erklärte, man sei sich im Grunde wohl einig, aber Fürth müsse einfach mehr leisten. Auch er plädierte für den 1.1.1967 als Stichtag.

Otto Gellinger, der SPD-Vorsitzende aus Fürth stellte daraufhin ernüchtert fest: „Da entfallen zarte Bande, eine harte Linie wird sichtbar.“ Die genannten Zahlen schreckten ihn und seine Kollegen, aber Fürth wolle den Dingen nicht durch Verzögerung aus dem Wege gehen. „Das wäre Feigheit.“ Nur mit der Rückwirkungsklausel war Gellinger ebensowenig einverstanden wie Stadtrat Wilde von der Fürther CSU. Und der Finanzreferent der Nachbarstadt, Dr. Georg Eckstein, pflichtete bei, versicherte aber, Fürth wolle sich nichts schenken lassen.

Rückwirkend ab 1. Januar?

Mit juristischen Argumenten verteidigte Stadtrat Dr. Friedrich Bergold von der Nürnberger FDP den 1. Januar. Fürths Oberbürgermeister Scherzer widersprach, und schließlich regte Stadtrat Prölß an, den 1. Januar der Kommission als Verhandlungspunkt mit ins Programm zu legen. Damit waren dann beide Gremien einverstanden.

Man war einsichtig genug, eine eventuelle Trennung der Nahverkehrsmittel als „Schildbürgerstreich“ – so Stadtrat Prölß – abzutun, der vor der Bevölkerung nicht verantwortet werden könnte. Und sein Freund und Widerpart Gellinger meinte: „Die Nürnberger sollen um ein möglichst günstiges Ergebnis kämpfen, aber den Fürthern steht gleiches Recht zu.“

Die sachliche Debatte nahm einigemale tumultartige Formen an, als der Fürther NPD-Stadtrat Dr. Mertens die Nürnberger angriff und ihnen zu bedenken gab, daß sie keinen henkten, es sei denn, sie hätten ihn.

Nach über zweistündigem Straßenbahn-Gefecht drängte man zur Eile. OB Dr. Urschlechter mußte den Fürthern mitteilen, daß ihr Zuschuß zu den Nürnberg-Fürther Bühnen zu niedrig sei. Dies habe der Bayerischen Oberste Rechnungshof festgestellt. Fürth bringe zur Zeit 350.000 DM ein, der Staat schieße nur 1,9 statt der erwarteten 2,3 Millionen zu und Nürnberg bleiben 8,6 Millionen Zuschuß.

Dem widersprach Oberbürgermeister Scherzer: zu den 350.000 DM kämen 220.000 DM aus Kartenverkauf und Unterhaltungskosten des Fürther Theaters, so daß die Gesamtsumme bei 900.000 DM liege. Außerdem habe Nürnberg die Symphoniekonzerte, die große Oper, die Kammerspiele und das Experimentiertheater. Man beschloß, den gemeinsamen Theaterausschuß, der seit 1956 nicht mehr tagte, weil er sich laut Protokoll „nichts mehr zu sagen hatte“, mit diesen Problemen zu beschäftigen.

Gemeinsame Verkehrsfragen werden seit Jahren gemeinsam erörtert, stellten Baureferent Stadtrat Schmeißner und sein Fürther Kollege Schneider fest. Trotzdem wurde ein Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion beider Stadträte angenommen und gebilligt, in dem man sich verpflichtet, „alle Planungsaufträge, die gemeinsame Interessen der beiden Städte Nürnberg und Fürth unmittelbar oder mittelbar berühren, ab sofort im gemeinsamen gegenseitigen Benehmen in Auftrag zu geben. Die Vorschläge für die Vergabe dieser Planungsaufträge sind gemeinsam von den Verwaltungen der Städte Nürnberg und Fürth auszuarbeiten“.

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