9. Dezember 1962: Pakete türmen sich

9.12.2012, 06:57 Uhr
9. Dezember 1962: Pakete türmen sich

© Slevogt

Mit einem Wort: Der Strom der Weihnachtspakete schwillt an und droht über die Ufer zu treten. Der „heiße“ Tag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt brachte dem Postamt 3, einem der größten Paketumschlagsämter des Bundesgebietes, Berge an Arbeit. Hier zeigte sich wieder einmal, daß das Amt, in den 30er Jahren für die damals große Menge von 80 000 bis 100 000 Paketen gebaut, dem gestiegenen Bedarf nur noch mit Mühe nachkommen kann.

Um trotzdem dem Spitzenverkehr, wie er nun einmal an den Vorfesttagen auftritt, die Spitze zu nehmen, mußten Ausweichstellen errichtet werden. Da gibt es die Paketumschlagstelle (in der Bu-Po-Sprache originell „Pakum“ genannt) Fürth, die vor allem Sendungen eines Großversandhauses verarbeitet, dann die „Teilpakum I“ beim Hauptbahnhof, eine Leichtbauhalle mit 1000 Quadratmetern Bodenfläche, und noch ein Zelt von 700 Quadratmetern Bodenfläche. Alle sind mit Entlade- und Verteilerbändern ausgestattet. Im nächsten Jahr will man in die Paketstelle I eine mechanische Verteilanlage einbauen, um den Weihnachtsverkehr noch besser abwickeln zu können.

Das Postamt 3, zwischen Allersberger und Marientunnel gelegen, sitzt in Nordbayern wie eine Spinne im Netz. Dort kommen alle Paketsendungen aus Nord-, Nordwestdeutschland und Nordbayern an und gehen nach Süden und Südosten weiter und umgekehrt. Mit Eisenbahn und Lastwagen ergießt sich 24 Stunden am Tag eine wahre Flut an Paketen in die Handwagen und Förderstraßen. Nur mit Mühe kommen die flinken Elektrokarren durch.

So lebhaft es bei den Eisenbahnwaggons und auf der 1,2 Kilometer langen Förder- und Verteileranlage zugeht, so geschäftig rollen die knallgelben Lastwagen der Post in die große Abladehalle der Paketumschlagstelle oder zu den Zweigstellen. Die Fernsehanlage, vor Jahren eingebaut, regelt noch immer den Strom der Fahrzeuge in der Badstraße.

700 Fahrten im Spitzenverkehr

Im Spitzenverkehr bringen die 246 Kraftwagen rund 700 Fahrten jeden Tag hinter sich, wobei sie jetzt auch Pakete zwischen Bamberg und Weißenburg, Ansbach und Bayreuth, holen und verteilen, weil einfach die Bahn nicht mehr in der Lage ist, die Paketflut zu bewältigen. Immer wieder beeindruckt die Geschäftigkeit in der Paketumschlagstelle. Dort fließen die Paketströme auf drei Förderbändern zu der sogenannten „Beschreiberbühne“. Jedes Paket erhält hier sein Leitzeichen.

Demnächst stellt auch der Paketdienst auf die neuen Postleitzahlen um, so daß keine Spezialkräfte mit umfangreichen geographischen Kenntnissen mehr nötig sind. Die Sendungen wandern nun auf Bandstraßen weiter zu „Abschiebeplätzen“ und Paketmulden. Die Pakete werden auf Handwagen umgeladen, genau nach den Leitzeichen geordnet. Der Postladebahnhof ist die letzte Station. Die sortierten Sendungen werden in Bahnpost- und Güterwagen eingeladen. Vier Gleise und drei Bahnsteige stehen dafür zur Verfügung. Und trotzdem herrscht eine drangvolle Enge, gerade in diesen Tagen vor Weihnachten.

9. Dezember 1962: Pakete türmen sich

© Slevogt

Um einen Begriff von den Mengen zu geben, die im Postladebahnhof umgeschlagen werden: am 24. November wurde die Spitze mit 151 abgefertigten und 37 entladenen Güterwagen erreicht, das sind 188 Waggons. Und das an einem Tag!

Eine große Hilfe für das Postamt 3 – es steht unter der Leitung von Oberpostdirektor Dr. Martin Lang – ist in den Tagen vor Weihnachten und Neujahr wieder ein fester Stamm treuer Arbeitskräfte aus Mittelfranken und der Oberpfalz. 570 Mitarbeiter, die Hälfte davon Frauen, sorgen für den schnellen und reibungslosen Umschlag der Pakete. Sie werden unterstützt von 70 Beamten und Arbeitern aus dem Bezirk der OPD Nürnberg. Vom 22. Dezember an sollen noch 30 bis 40 Oberschüler helfen, den letzten Ansturm zu bewältigen.

Doch bis dahin hat die Post noch einige Wünsche an die Absender: Weihnachtssendungen möglichst frühzeitig und gut verpackt einliefern, besonders Pakete nach dem Ausland und der Sowjetzone. Zerbrechliche Gegenstände sollen als Sperrgut versandt werden. Außerdem wird um Angabe der Postleitzahl bei Empfänger und Absender gebeten. Bei Sendungen nach Orten mit mehreren Zustellämtern soll die Nummer bzw. die Vorortsbezeichnung des Zustellpostamtes angegeben werden.

Wie wichtig genaue Anschriften und Absenderangaben sind, geht daraus hervor, daß im Bundesgebiet von rund neun Milliarden Briefsendungen im letzten Jahr 1,9 Millionen Briefe und 3,6 Millionen Postkarten nicht zugestellt werden konnten. Zwar wurden bei 61 v. H. der Briefe und 12 v. H. der Postkarten noch Empfänger oder Absender ermittelt, der Rest aber mußte vernichtet werden. Im Bereich der Oberpostdirektion Nürnberg waren es 1961 mehr als 20 000 Weihnachts- und Neujahrsglückwunschbriefe und -karten, die nicht an den Empfänger kamen und schließlich vernichtet werden mußten.

Aus den Nürnberger Nachrichten vom 8./9. Dezember 1962

 

 

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