Stau nach Protest mit Sekundenkleber

Aktivisten kleben sich am Frankenschnellweg fest: Chaos in Nürnberg - USK vor Ort

Tobi Lang

Redakteur

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22.2.2022, 12:11 Uhr
Aktivisten kleben sich am Frankenschnellweg fest: Chaos in Nürnberg - USK vor Ort

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Maskierte Polizisten des Unterstützungskommandos (USK) riegeln eine kleine Gruppe Menschen ab. Sie sitzen bei eisigen Temperaturen auf dem Asphalt der Jansenbrücke, die über den Frankenschnellweg führt. Hier blockierten Aktivisten am Dienstagmorgen eine der Hauptverkehrsachsen Nürnbergs - und das zur Stoßzeit im Berufsverkehr. Der Stau war immens. Die Polizei riet, das Areal weiträumig zu umfahren. Vier Mitglieder der Gruppierung "Aufstand der letzten Generation" befestigten sich mit Sekundenkleber auf der Fahrbahn. Laut Polizei demonstrierten insgesamt 13 Menschen für mehr Klimaschutz.

Der Protest begann gegen 7.15 Uhr, dann, wenn eigentlich Tausende Autos und Laster über den Frankenschnellweg rollen. Die Ausfahrt "Westring" an der Jansenbrücke musste in Richtung Stadtmitte gesperrt werden. Zwischenzeitlich konnte der Verkehr vorsichtig an den festgeklebten Aktivisten vorbeigeführt werden. Mindestens einen Demonstranten musste die Feuerwehr mit Aceton vom Asphalt lösen. Gegen 9 Uhr, so die Polizei, konnte der Frankenschnellweg wieder vollständig freigegeben werden.

Justizminister: "Versammlungsfreiheit endet, wo das Strafrecht beginnt"

"Wir prüfen verschiedene versammlungsrechtliche Verstöße", erklärt Polizeisprecher Michael Petzold. Dabei geht es darum, dass der Protest nicht angemeldet war. "Zudem muss man auch sehen, ob durch das Aufkleben auf die Fahrbahn der Straftatbestand der Nötigung vollendet ist." Der Vorfall könnte also für die Aktivisten durchaus juristische Konsequenzen haben. Im Extremfall drohen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Die Blockierer wurden vorerst festgenommen.

Am Dienstag meldete sich auch das bayerische Justizministerium zu Wort. "Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut unserer Verfassung", sagt Ressortchef Georg Eisenreich. Der CSU-Politiker wird deutlich: "Man darf andere aber nicht in Gefahr bringen und zum Beispiel Rettungskräfte blockieren. Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit enden dort, wo das Strafrecht beginnt."

Im Stau selbst sorgte die Aktion für gemischte Reaktionen. Ein Autofahrer beschimpfte die Aktivisten als "Wohlstandsleichen", andere unterstützten die Demonstranten trotz der massiven Behinderungen im Berufsverkehr. "Sowas macht man nicht", sagte ein genervter Mann, der erst wenige Minuten im Stau stand, der Agentur News5. "So Leute kann man gleich wegräumen. Da muss man gar nicht lange rumfackeln."

Proteste bereits in Hamburg und Berlin

Neu ist die Protestart nicht. Bereits am Montagmorgen klebten sich in Aktivisten auf dem Asphalt einer Hamburger Hafenbrücke fest - und lösten damit auch dort Chaos aus. Hunderte Laster standen über Stunden im Stau. Die Mitglieder der Gruppe "Aufstand der letzten Generation", wie in Nürnberg, hatten ihre Hände mit Sekundenkleber und Bauschaum auf die Fahrbahn geklebt. In Berlin gab es ähnliche Proteste.

Dabei, das erklärt der "Aufstand der letzten Generation", soll es nicht bleiben. Die Klimaaktivisten kündigten eine Ausweitung ihrer Proteste auch auf Flughäfen an. Sie fordern von der Bundesregierung im ersten Schritt ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung. In Nürnberg verteilte die Gruppierung am Montag aus dem Müll gerettetes Essen vor der Lorenzkirche. Mehr dazu lesen Sie hier.

Am Sonntag lief ein Ultimatum ab, das "Aufstand der letzten Generation" der Regierung gestellt hatte. Bis vergangenen Sonntag müsse es konkrete Bewegungen bei einem Lebensmittelrettungsgesetz geben. Sonst drohen neue Proteste. "Die massiven Störungen im Hafen (in Hamburg, Anmerkung der Redaktion) sind nichts im Vergleich zu Störungen durch Fluten, Dürren, Essensknappheit", schreiben die Aktivisten. "Es ist unsere Pflicht, gegen eine todbringende Politik Widerstand zu leisten."

Özdemir: "Demokratie lässt sich nicht erpressen"

Hungerstreik und Blockaden, Straßensperrungen und konkrete Ultimaten - die Proteste zeigen Wirkung. Doch die Kritik an den Aktionen von "Die letzte Generation" wächst. Selbst der Bundeslandwirtschaftsminister reagierte. "Total egal, wer was will, eine Demokratie lässt sich nicht erpressen", teilte der Cem Özdemir am Montag mit. "Ich rate dazu, sich wieder darauf zu besinnen, um was es eigentlich geht, sicher nicht darum, denen Steilvorlagen zu geben, die möglichst wenig Klimaschutz wollen."

Das Ziel, sagte der Grünen-Politiker, teile er vielleicht - mehr Klimaschutz sei dringend notwendig. "Und genau deshalb habe ich eigentlich überhaupt keine Lust, dass gerade ganz wenige mit Lärm dazu beitragen, Mehrheiten für den Klimaschutz zu gefährden."