Anwohner fühlen sich aus Gostenhof verdrängt

5.3.2014, 06:00 Uhr
Anwohner fühlen sich aus Gostenhof verdrängt

© Günter Distler

Luxussanierungen machen Wohnraum für viele unbezahlbar. Aber droht Gostenhof tatsächlich die Gentrifizierung wie den Berliner Kiezen Kreuzberg und Neukölln?

Einige Anzeichen am Jamnitzer Platz lassen diesen Schluss zu: Wohlweislich hat der Bauherr Verblendungen vor den Fenstern des Neubaus angebracht. So landete die gesprühte Beschimpfung „Fuck off Yuppies“ (deutsch etwa: Verpisst euch, Yuppies) dort, wo sie leicht wieder zu entfernen war. Ein paar Straßen weiter hat jemand „Against the Upperclass“ (Gegen die Oberschicht) an die Häuserwand geschmiert. „Saubere Wände = teure Mieten“ befürchtet ein anderer Sprayer.

Besorgniserregend ist das nicht, findet Gerd Geißendörfer. Der Immobilienmakler hat einige Wohnungen des Neubaus am Jamnitzer Platz vermittelt. „Es mag Leute geben, die sich wegen solcher Graffiti unwohl fühlen. Aber die sind hier einfach lagebedingt.“ Durch den Neubau wurde niemand verdrängt - das Gebäude, das vorher an seiner Stelle war, stand jahrelang leer.

Ironischerweise, weiß Ralph Heimerl, sind es überwiegend alteingesessene Gostenhofer, die in das schicke neue Haus eingezogen sind. „Das sind Leute, die jahrelang auf Wohneigentum gespart haben“, sagt der Immobilienbesitzer und -makler, der sich schon vor einigen Jahren auf Gostenhof spezialisiert hat und dort 40 Wohnungen besitzt. Er selbst lebt auch mittendrin.

"Mach’ mal lauter, das Lied kenne ich"

Heimerl sieht die Entwicklung in seinem Viertel entspannt: „Das hat eine ganz andere Qualität als in Berlin oder Hamburg. Den letzten großen Mietpreis-Anstieg gab es in Gostenhof in den 1990er Jahren.“ Derzeit liege man sogar unter der allgemeinen Preissteigerung in Nürnberg.

Neubauten entstünden meist auf Gewerbe- und Brachflächen. Von Luxussanierung könne kaum die Rede sein. „Es gibt hier immer noch viele unsanierte Häuser.“ Die Erklärung: Sanieren lohne sich für den Vermieter kaum. „Wenn ich 70.000 Euro in die Wohnung reinstecke, kann ich hinterher vielleicht acht statt sechs Euro pro Quadratmeter verlangen. Es ist lohnender, eine Bruchbude zu vermieten.“

"Against the Upperclass" hat ein Sprayer an eine Hauswand geschrieben.

"Against the Upperclass" hat ein Sprayer an eine Hauswand geschrieben. © NZ

Dass er ein bedauerlicher Einzelfall sein soll, nützt Helmut M. (Name von der Redaktion geändert) nichts. Der Gostenhofer muss bis Mitte des Jahres seine Wohnung räumen, weil der neue Hauseigentümer sie entkernen will - für den Eigenbedarf, wie er sagt. Seit Monaten sucht M. bereits nach einer neuen Bleibe, bislang vergeblich. „Überall wird umgebaut und saniert, es gibt kaum mehr kleine, günstige Wohnungen. In fast jedem Hinterhof stehen Bauutensilien.“ Sogar eine alte Bäckerei, die er erst aufwendig selbst hätte renovieren müssen, hat M. als neues Domizil in Betracht gezogen. Doch auch das klappte nicht.

Dabei hat Helmut M. noch Glück: Sein Vermieter sagte ihm rechtzeitig Bescheid und bietet sogar an, sich an den Umzugskosten zu beteiligen. „Da kann ich mich nicht beschweren. Aber ich will in meinem Viertel bleiben!“ Seit über zehn Jahren lebt er hier und fühlt sich mit seiner Umgebung eng verbunden. „Hier meckert im Sommer keiner, wenn einer die Musik im Garten aufdreht, da heißt es eher: Mach’ mal lauter, das Lied kenne ich“, schwärmt Helmut M. „Man kennt sich und hält auch mal über den Zaun hinweg einen Plausch.“

"Veränderung muss nicht immer schlecht sein"

Immobilieneigentümer Ralph Heimerl ist davon überzeugt, dass diese Atmosphäre auch nicht verloren geht: „Dass mehr wohlhabende Menschen nach Gostenhof ziehen, diese Entwicklung kann man nicht aufhalten. Aber solange man nicht Großinvestoren ganze Blöcke kaufen lässt, nimmt das nicht überhand.“

Hinzu komme, dass die Fluktuation in den Neubauten sehr hoch sei: „Das sind oft Menschen, die nichts mit dem Viertel zu tun haben. Im Schnitt leben sie nur sechs bis sieben Jahre in einer Wohnung, in anderen Vierteln sind es zwölf Jahre.“ Das spreche - neben der hohen Spielhallendichte - gegen eine Gentrifizierung. „Die zeichnet sich ja dadurch aus, dass junge Paare Wohneigentum erwerben und dann eine Familie gründen.“ Und: Die Wohnungen in Gostenhof seien überwiegend klein, auch das spricht gegen die gefürchtete Verdrängung durch Reiche.

Dass zum Teil eine Verdrängung stattfindet, will Ralph Heimerl nicht bestreiten - aber die Aufwertung des Viertels bringe auch Vorteile mit sich. Das sieht Daniela Müller vom Stadtteilarbeitskreis Gostenhof ebenfalls so. Als sie vor Jahren in die Gostenhofer Hauptstraße zog, gab es dort noch viel Leerstand. „Das hat sich wirklich gut entwickelt.“ Und: „Veränderung muss ja nicht immer schlecht sein.“

Auch Gerald Raschke, planungspolitischer Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion, sieht die Entwicklung in Gostenhof positiv: „Je besser durchmischt ein Viertel ist, desto attraktiver ist es auch.“ Dennoch hat die SPD bei der Stadtverwaltung einen Bericht zum Thema Gentrifizierung beantragt. Raschke: „Wir wollen Tendenzen erkennen, bevor die Gentrifizierung in vollem Gange ist, und diesen entgegenwirken.“ Derzeit gebe es im Stadtgebiet keinen Anlass zur Sorge.

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