Sitzblockaden-Streit geht weiter

"Appellieren an Sie als Vater": Klimaaktivisten kritisieren Nürnbergs OB mit historischem Vergleich

Max Söllner

Redaktion Nürnberg

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26.8.2022, 15:44 Uhr
""Wir brauchen jetzt eine Störung des Alltags, um noch größere in der Zukunft zu verhindern": Die Klima-Sitzblockade vor dem Nürnberger Hauptbahnhof im August 2022.

© Eduard Weigert ""Wir brauchen jetzt eine Störung des Alltags, um noch größere in der Zukunft zu verhindern": Die Klima-Sitzblockade vor dem Nürnberger Hauptbahnhof im August 2022.

Rund eineinhalb Wochen ist es her, dass sich Klimaaktivisten auf den Fahrspuren vor dem Nürnberger Hauptbahnhof festgeklebt und ein Autochaos ausgelöst hatten. "Wir brauchen jetzt eine Störung des Alltags, um noch größere in der Zukunft zu verhindern", erklärte eine Aktivistin damals.

"Für mich sind das keine geeigneten Formen des Protests und des demokratischen Dialogs", reagierte Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU). "Wo kommen wir hin, wenn jeder für seine politischen Ziele Rechtsbrüche in Anspruch nimmt? Ich rufe dazu auf, den in einer freiheitlichen Gesellschaft üblichen politischen Diskurs zu suchen."

Eine deutliche Kritik, die die an der Auto-Blockade beteiligten Aktivisten der Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion so nicht stehen lassen wollen. In einem offenen Brief an König reagieren sie nun mit Gegenfragen: "Hätten Sie den Protest gegen die Rassentrennung in den USA der 60er Jahre auch so kommentiert? Hätten Sie zu Rosa Parks Protest in Montgomery im US-Bundesstaat Alabama gesagt: 'Junge Frau, beruhigen Sie sich bitte und lassen Sie den weißen Herren Platz nehmen. Besorgen Sie die Mehrheiten im Parlament, dann können Sie die Apartheid beenden'?"

Wann ist ziviler Ungehorsam legitim?

Hintergrund des Streits ist die Frage, ob ziviler Ungehorsam, also der bewusste Verstoß gegen Gesetze für politische Ziele, angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise angemessen ist. Im Fall der Nürnberger Sitzblockade ermittelt die Polizei gegen die Aktivisten. Geprüft wird, ob Nötigung vorliegt. Im offenen Brief von Extinction Rebellion heißt es, dass Ungehorsam dann legitim ist, "wenn alle anderen Möglichkeiten des politischen Einflusses aufgebraucht und ergebnislos geblieben sind". Und weiter: "In dieser Situation sehen wir uns."

Anschließend wird UN-Generalsekretär António Guterres zitiert, der jüngst von einer Wahl zwischen gemeinsamem Handeln oder kollektivem Suizid sprach. "In dieser drastischen Situation wählen wir das kollektive Handeln und dies schließt ausdrücklich den zivilen Ungehorsam ein", wie es im offenen Brief heißt.

Persönlicher Appell

Von Nürnbergs Oberbürgermeister König erwartet Extinction Rebellion eine "ehrliche Klima- und Umweltschutzpolitik" und dass "auf Basis wissenschaftlicher Evidenzen" gehandelt wird. Treibhausgasemissionen müssten jetzt sehr schnell und drastisch gesenkt werden, um die Klimakatastrophe noch abzuwenden.

"Ein solches entschlossenes Handeln sehen wir in Nürnberg nicht einmal ansatzweise", bemängeln die Aktivisten. Am Ende des Briefs wenden sie sich noch einmal direkt an König: "Wir appellieren an Sie als Vater und als Mensch: Werden Sie sich Ihrer demokratischen politischen Pflichten wieder bewusst."

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