Architektenkammer diskutierte über Umgang mit Bauten der Wiederaufbauzeit

9.11.2007, 00:00 Uhr
Architektenkammer diskutierte über Umgang mit Bauten der Wiederaufbauzeit

© Gerardi

«Last oder Lust?», der fragende Titel einer von der Architektenkammer angezettelten Diskussionsveranstaltung schien rhetorisch gemeint. Architektonische Zeitzeugen sind ja immer eine (teure) Last und gerade nach Kriegsende wurde auch in Nürnberg so viel gebaut wie nie zuvor.

Entsprechend reichhaltig ist dieses Erbe, wenn auch manches längst abgerissen oder kaputt saniert ist. «In viele Häuser regnet es rein», sagte Architekturprofessor Max Bächer (82), mit Entertainer-Qualitäten gesegneter Senior der Branche aus Darmstadt. «Wertvolle Substanz aus den 50er Jahren wird pausenlos vernichtet.»

In Nürnberg ist das, folgt man den Experten, nicht anders. Zeitlos schöne Objekte wie die Kunstakademie von Sep Ruf, der elegante Schlachthof von Theo Kief oder die mit Kunst am Bau reich bedachte Wohnsiedlung am Planetenring von Günther Dittrich sind nur einige prominentere Beispiele. Ihr Schicksal freilich ist ganz unterschiedlich. In der Debatte darüber kam der Denkmalschutz gar nicht gut weg.

«Wer hat die geschmiert?»

Die Pavillons der Kunstakademie sollen nach ersten Fehlern wohl sensibel saniert werden. Vom eleganten Schlachthof Theo Kiefs jedoch ist nur noch ein schamhafter Rest übrig geblieben, und den bröckelnden Planetenring behandeln globale Investoren zurzeit mehr als lieblos.

Oft, so die Architektin Heidi Kief-Niederwöhrmeier, komme der Denkmalschutz zu spät. Wenn er überhaupt kommt. Zitat Max Bächer: «Wo sind da die dünnen Stellen? Wer hat die geschmiert, dass die alles abwickeln?»

Auf der Nürnberger Verlustliste stehen neben dem Schlachthof die Kaufhof-Fassade (Architekt Franz Reichel), der Flughafen (Friedrich Seegy), das Hertie-Haus (Hans Soll) und der Atlantik-Palast in der Karolinenstraße (Paul Bode). Das Publikum teilte die Ansicht, dass die amtlichen Wächter über architektonische Erbstücke zurückweichen, wenn Investoren Druck machen.

Entsprechend wurde der Milchhof (Jahrgang 1930) betrauert, dessen Abriss gerade beginnt; dabei steht der marode Bau für eine andere, frühere Zeit. Der Verlust schmerzt dennoch. Wen wundert’s also, dass sich auf die Frage, ob jemand vom Denkmalschutz im Raum sei, niemand melden mochte . . .

Die Nierentischzeit ist offenbar zu nah, als dass viel in den Bauunterhalt gesteckt und bei einer Sanierung vorsichtig vorgegangen würde. «Nürnberg hat gut gebaut damals», hielt Kief-Niederwöhrmeier dagegen. Die Bayerische Staatsbank am Lorenzer Platz und das frisch renovierte Konservatorium beweisen, dass sich solche Investitionen lohnen.

Gegen eine Heiligsprechung sämtlicher 50er-Bauten wandte sich Inez Florschütz vom Germanischen Nationalmuseum. Sie habe eigene Erfahrungen mit der Frage «Last oder Lust?» gemacht hat. Der Sommer sei wieder sehr heiß gewesen, sagte die Historikerin, deren Büro im Sep-Ruf-Bau des Museums liegt.

Immer wenn die Nutzung fehle, werde es gefährlich für Baudenkmäler, hieß es. Der Milchhof, jahrelang leer, ist das beste Beispiel dafür. Oberstes Ziel einer Kommune müsse es sein, kreative Ideen für neue Inhalte zu finden. Längst gibt es Kirchen, in denen Sport getrieben wird. CLAUDINE STAUBER