Armut im Visier

17.08.2007, 00:00 Uhr
Armut im Visier

© Hippel

Die Bezeichnung «Sozialhilfe» ist verschwunden, doch geblieben ist die Aufgabe, auch Menschen ein Auskommen zu ermöglichen, die dazu nicht oder nicht mehr aus eigener Kraft in der Lage sind. Da sind rund 1200 Bürger, die als nicht erwerbsfähig gelten, aber (noch) keine entsprechende Rente erhalten. Die größte Gruppe unter den rund 9000 Leistungsempfängern, wie es im trockenen Amtsdeutsch heißt, sind freilich Senioren: Immerhin gut 5420 Nürnberger und Nürnbergerinnen erhalten Grundsicherung, davon mehr als drei Viertel als Ergänzung zu einer allzu bescheidenen Rente.

«Wir rechnen damit, dass die Zahl dieser Betroffenen in den kommenden Jahren deutlich steigt, weil Leute ins Rentenalter hineinwachsen, die über Jahre hinweg mit Aushilfsjobs auskommen mussten oder arbeitslos waren und daher wenig Beiträge einzahlen konnten», sagt Dieter Maly, der vom Chefzimmer im Allgemeinen Sozialdienst in das des Sozialamtes gezogen ist.

Dass für Bezieher von Grundsicherung aus allen Stadtteilen derzeit nur eine Anlaufstelle existiert, nämlich in der Glockenhofstraße, und damit gerade älteren Leuten zum Teil weite Wege zugemutet werden, sei nur eine Übergangslösung, beteuert Maly. Denn die Stadt gebe die dort gemieteten Räume zum Jahreswechsel auf - dann sollen wenigstens eine Außenstelle im Norden und eine im Süden der Stadt geschaffen werden.

Neue Bezeichnung

Das aber ist nur ein Teil einer weitreichenden Umorganisation, die nun auch im neuen, etwas schwerfälligen Namen «Amt für Existenzsicherung und soziale Integration» Ausdruck findet. Die für Außenstehende auffälligste Neuerung ist die Einrichtung einer Telefonberatung. Gekoppelt an das Beschwerdemanagement, gehen bei Gabriele Wollnik täglich um die 20 Anfragen ein, «Die meisten wollen einfach wissen, ob sie oder Angehörige einen Anspruch auf Leistungen haben, ob etwas angerechnet wird und wohin sie sich wenden können», erläutert Wollnik. Während die meisten Anrufer für die praktischen Auskünfte unter der Hotline (0911) 231-23 15 dankbar sind, bekommt die Mitarbeiterin umgekehrt den Unmut derer ab, denen Leistungen verweigert oder die, wie sie meinen, durch Anforderungen «schikaniert» werden.

Herzstück der Reform ist die Schaffung eines neuen Bereichs «Prävention und Zielgruppen».

Zur klassischen Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe gesellt sich hier nun ein sozialpädagogischer Fachdienst, der sich vor allem um Alleinstehende und vereinsamte Ältere kümmern soll. Auch hier rechnet Maly mit steigendem Bedarf - und räumt ein, dass die Mitarbeiter auf den bisher zehn Stellen nach kurzer Zeit überrannt worden sind und daher überplanmäßig erste Verstärkung erhalten haben.

Aushängeschild ist in den Augen von Sozialreferent Reiner Prölß allerdings eine neue Stabsgruppe um den städtischen Suchtbeauftragten und Amts-Vize Georg Hopfengärtner. Ihr Auftrag: Modelle und Initiativen zur Armutsprävention zu entwickeln. Ein umfassendes Projekt, das das Entstehen und Anwachsen von Energieschulden verhindern soll, ist (wie berichtet) bereits angelaufen Weiter geplant sind etwa Aktionstage zum Thema Mobilfunk-Schulden oder zu preiswertem und gesundem Kochen.

Die eigentlichen Ursachen von Armut kann die Kommune freilich nicht beseitigen - möglich scheint allenfalls, wie Maly sagt, ein «Überleben in Armut» zu sichern. Die Zielgruppe ist groß: Allein 15 000 Inhaber des Nürnberg-Passes gehören dazu.

Auf soziale Integration - den zweiten großen «Block» der Tätigkeit - sind zum einen die ambulanten Eingliederungshilfen für einige Tausend Behinderte und die ambulanten Hilfen zur Pflege (bei entsprechender Bedürftigkeit) ausgerichtet. Allerdings sollen hier in den kommenden Jahren die Karten in den Zuständigkeiten zwischen Stadt und Bezirk neu gemischt werden.

Durch die Zuständigkeit für derzeit rund 650 Asylsuchende und Begegnungsstätten wie das Nachbarschaftshaus Gostenhof, das FrauenZimmer in der Hessestraße und die Stadtteilläden Nordost und Dianastraße will das «neue» Sozialamt aber zugleich das Miteinander von Stadtbewohnern verschiedener Herkunft fördern.

(Siehe StandPunkt Seite 10)