Attacken im Öffentlichen Dienst: So schützen sich Behörden

18.2.2020, 06:00 Uhr
Attacken im Öffentlichen Dienst: So schützen sich Behörden

© Daniel Karmann/dpa

"Wir bemerken eine zunehmende Aggression gegenüber unseren Mitarbeitern, das geht bis zur Zerstörung ganzer Büros", sagt Olaf Kuch, Leiter des Einwohneramts. Die meisten Vorfälle gebe es in der Ausländerbehörde, denn hier ist die Anspannung der Kunden oft am größten, für viele geht es um ihre Zukunft.

Seit Jahren schon gibt es im Einwohneramt Taschenkontrollen, alles, was als Waffe benutzt werden kann, muss draußen bleiben. "Dass Leute ein Messer oder eine Schreckschusspistole dabei haben, ist schon an der Tagesordnung", so Kuch. Kreuzt jemand mit Messer, Schusswaffen oder Fixerbesteck auf, wird die Polizei hinzugezogen.

 

 

Die Mitarbeiter der Behörde sind inzwischen daran gewöhnt, sich mit Bedrohungen und Beleidigungen auseinanderzusetzen. Doch die Stadt versucht, sie durch Deeskalationstrainings zu schulen und sie durch technische Sicherheitsmaßnahmen im Büro zu schützen. Vorfälle werden regelmäßig zur Anzeige gebracht, im Namen des Oberbürgermeisters. Man habe im Amt lange diskutiert, so Kuch, ob die Mitarbeiter unter Pseudonymen arbeiten sollen, habe sich aber darauf geeinigt, es im Einzelfall zu prüfen, sollte ein Mitarbeiter das wünschen. "Wir entwickeln immer wieder neue Konzepte für unsere Mitarbeiter, aktuell mit dem Krisendienst, auch, weil diese Bedrohungslage uns als Arbeitgeber natürlich nicht attraktiver macht", so Kuch.

Mitarbeiter des Jobcenters sind betroffen

Auch die Mitarbeiter des Jobcenters Nürnberg sind immer wieder Schmähungen und Bedrohungen ausgesetzt. Daran, wie weit die Aggression mancher Kunden gehen kann, wurde ihnen erst kürzlich wieder bewusst, als im Jobcenter Rottweil in Baden-Württemberg am 16. Januar eine Mitarbeiterin von einem Mann mit einem Messer schwer verletzt wurde. Matthias Kleindienst, Pressesprecher des Jobcenters Nürnberg, sagt, dass körperliche oder verbale Attacken nicht an der Tagesordnung seien. In Einzelfällen käme es vor, dass – gerade im Umfeld von Hartz-IV-Problematiken – Mitarbeitern gedroht werde. "Auch Beleidigungen und Sachbeschädigungen kommen vor."


Rettungskräfte und Polizei: Der Respekt geht verloren


Die Mitarbeiter erhalten regelmäßig umfassende Deeskalationstrainings, um solche Situationen zu schlichten. Hilft das nicht, greift ein Sicherheitskonzept, das Teil eines Bedrohungsmanagements ist. In der Realität heißt das, ein Sicherheitsdienst ist dauerhaft vor Ort. Weigert sich jemand, das Gebäude zu verlassen, wird die Polizei hinzugezogen. Das Jobcenter kann ein Hausverbot für den Kunden aussprechen, 2019 war das 18-mal der Fall. In der Regel darf der Kunde dann ein halbes Jahr (eine Ausweitung auf zwei Jahre ist möglich) das Jobcenter nicht betreten und kann dann nur noch schriftlich mit der Behörde kommunizieren.

Die Büros der Mitarbeiter sind geprüft, Fluchtmöglichkeiten wurden geschaffen. In der Nicolaistraße gibt es zudem seit September 2019 Taschenkontrollen. Das Jobcenter legt vor allem einen Schwerpunkt auf Prävention, um Bedrohungslagen gar nicht erst entstehen zu lassen. Doch das greift nicht immer, in zwei Fällen in den vergangenen Jahren wurden Mitarbeiter sogar außerhalb der Dienststelle bedroht. Doch auch hier hätten sich "die Mechanismen des Bedrohungsmanagements bewährt", so Kleindienst. Der Schutz der Mitarbeiter höre nicht an der Bürotür auf. Grundsätzlich würden alle Angriffe dokumentiert und zur Anzeige gebracht. Die rückläufige Zahl der Hausverbote zeige, dass vor allem umfangreiche Schulungen, das Durchspielen schwieriger Gespräche in Trainingssituationen, Nachbesprechungen und das Bedrohungsmanagement greifen.

24-Stunden-Sicherheitsdienst im Klinikum

Dass immer mehr Einrichtungen mit Besucherverkehr in Sicherheitsfragen aufrüsten, zeigt sich vor allem im Klinikum dramatisch, dort ist der 24-Stunden-Sicherheitsdienst inzwischen Standard.

"In den letzten Jahren hat es eine deutliche Zunahme bei verbaler und körperlicher Gewalt gegen Mitarbeiter im Klinikum Nürnberg gegeben", erklärt Pressesprecherin Doris Strahler. Die Attacken reichen "von einfachen Beschimpfungen, subtilen Beleidigungen, Anschreien, über das Werfen von Gegenständen und Randalieren bis zu Körperverletzungen". Die meisten Vorfälle gibt es in der Notaufnahme, der psychiatrischen Klinik und der Toxikologie. Das Klinikum versucht, seine Mitarbeiter mit einem strukturierten Konzept zu schützen, in den vergangenen Jahren wurden 22 Mitarbeiter als Deeskalationstrainer ausgebildet. Nach einem Übergriff wird psychische, rechtliche und anderweitige Unterstützung angeboten, Anzeige wird stets im Namen des Klinikums erstattet.

Es sei nicht hinzunehmen, dass immer häufiger Pfleger und Ärzte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit bedroht und teilweise körperlich angegriffen würden. "Diese gesellschaftliche Entwicklung erfüllt das Klinikum mit Sorge", so Strahler.


Rettungskräfte wollen hilflosem Mann helfen - und werden attackiert


Dass Helfer Opfer werden, beobachten die Rettungsdienste Bayerisches Rote Kreuz, ASB, Johanniter und Malteser seit Jahren. Beleidigungen oder verbale Aggression habe es schon immer gegeben, gerade wenn Rauschmittel im Spiel sind, sagen alle unisono. Aber die Qualität habe sich verändert, sagt Roland Schiffmann, Rettungsdienstleiter der Malteser. "Die körperlichen Angriffe nehmen zu." Zwei bis drei Körperverletzungen gebe es beim Rettungspersonal pro Jahr. Es werde häufiger mit Gegenständen geworfen oder ein Messer gezogen. Im Dezember zerschlug ein 17-Jähriger die Scheibe eines Rettungswagen der Johanniter, eine Sanitäterin wurde verletzt. "Übergriffe passieren schneller und sie passieren aggressiver", so Schiffmann. Seit Aggressionen durch soziale Medien befeuert werden, trügen seine Kollegen keine Namensschilder mehr. Alle Rettungsdienste setzen auf Deeskalationstrainings, trainieren Selbstverteidigungsmaßnahmen und bieten Supervision an. Manchmal bleibt jedoch nur der Rückzug in den Rettungswagen, bis die Polizei kommt.

Attacken im Öffentlichen Dienst: So schützen sich Behörden

© Foto: dpa / Andreas Arnold

Insgesamt sei der Respekt gegenüber Rettern gesunken, sagen alle Befragten. Das spüre man auch im Straßenverkehr. Die Menschen fühlten sich gestört, wenn der Rettungswagen die Straße zuparkt, es gebe sogar Anrufe, warum sie nachts mit Signal führen, so Roland Schiffmann. Ob Mitarbeiter der Rettungsdienste Anzeige erstatten, bleibt ihnen überlassen. "Da bei Angriffen gegen Rettungskräfte fast nie ein öffentliches Interesse festgestellt und die Ermittlungen eingestellt werden, sinkt die Motivation der Mitarbeiter, solche Fälle zur Anzeige zu bringen", sagt Marc Lechner, stellvertretender Leiter des BRK-Rettungsdiensts.

Auch Polizei von Attacken betroffen

Die Polizei bleibt ebenfalls von Attacken nicht verschont. Im Jahr 2018 wurden in Nürnberg 467 Fälle von Gewalt gegen Polizisten aktenkundig. Die Palette reicht von Beleidigungen über Schlagen, Treten bis hin zur Verwendung von Gegenständen oder Fahrzeugen als Waffe. Die Fallzahlen steigen in Mittelfranken von Jahr zu Jahr, so die Polizei. Vor allem beklagt sie die zunehmende Respektlosigkeit gegenüber den Beamten. Deeskalationstrainings sind Teil der Ausbildung, aber die Beamten können spezielle Anlaufstellen nutzen.

Die Feuerwehr erlebt hingegen seltener Attacken, sagt Sprecher Thomas Schertl. "Das liegt vermutlich daran, dass es oft um Leben und Tod geht, wenn wir gerufen werden."

Viel aushalten müssen Mitarbeiter vom Servicebetrieb Öffentlicher Raum, der VAG und der Kommunalen Verkehrsüberwachung, die ebenfalls regelmäßig darin geschult werden, Situationen zu beruhigen. "Die Bereitschaft der Menschen, behördliche Maßnahmen zu akzeptieren, sinkt", sagt Markus Hübner, Geschäftsleiter der Verkehrsüberwachung. Die Gegenwehr werde auf allen Ebenen größer. Immer mehr Menschen fechten zudem vor Gericht Bußgeldbescheide an. Beleidigungen seien an der Tagesordnung, tätliche Angriffe zwar selten, aber im April 2019 wurde ein Mitarbeiter in Erlangen von hinten überfallartig angegriffen, erlitt eine Gehirnblutung, Hämatome und einen Schaden an der Halswirbelsäule. Der 25-jährige Täter wurde später zu eineinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Eine Mitarbeiterin sei, nachdem sie einen Strafzettel verteilt hatte, auf Facebook Opfer von Hass geworden.


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Auch bei der VAG lässt sich insgesamt ein Anstieg an Taten aus dem Bereich Tätlichkeiten, Übergriffe, Beleidigungen und Diebstähle beobachten, schreibt die VAG auf NZ-Anfrage. Angriffe auf Mitarbeiter sind tendenziell gestiegen. Es habe einen größeren Sprung zwischen den Jahren 2015 und 2016 gegeben. Seitdem bleibt die Zahl konstant bei rund 50 Fällen pro Jahr. 2018 zum Beispiel gab es zwölf Fälle von Bedrohung und 17 von Beleidigung gegenüber dem VAG-Personal. Aber nicht alle VAG-ler melden die Vorfälle. Hochgerechnet auf die Anzahl der Kundenkontakte relativierten sich die Zahlen doch ein wenig. Und auch die VAG habe umfangreiche Hilfen für ihre Angestellten installiert.

Die Attacken reichen von einfachen Beschimpfungen, subtilen Beleidigungen, Anschreien, über das Werfen von Gegenständen und Randalieren bis zu Körperverletzungen.


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