Auf den Spuren eines Kunstgießers

6.3.2008, 00:00 Uhr
Auf den Spuren eines Kunstgießers

© Gerullis

Unseren Rundgang beginnen wir im Johannisfriedhof. Das «Bildhauer Burgschmietische Begräbnis» (F33) erkennen wir am redenden Epitaph mit den 1834 datierten Initialen; also ein Originalwerk. Auch die Familie Lenz ist hier bestattet. Dass sich Burgschmiet in jungen Jahren vor allem als bildender Künstler versteht, erklärt ein Blick auf sein Leben.

Als 11jährige Vollwaise lernt er Spielwarendrechsler. Er zeichnet, schnitzt und tüftelt gerne. Er zeigt auch bildhauerische Fähigkeiten, wird von Heideloff und Campe gefördert und ist schließlich Mitte der 1820er Jahre an Restaurierungsarbeiten am Schönen Brunnen und an den Originalen der Kraftschen Leidensstationen beteiligt. Er arbeitet und wirkt so überzeugend, dass der 30jährige zur 300-Jahr-Feier des Gymnasiums eine Steinfigur des Melanchthon gestalten darf, und noch im selben Jahr 1826 erhält er einen Lehrauftrag für Bildhauerei an der Polytechnischen Schule (heute FH), den er bis zu seinem Tod wahrnimmt. Beim Gang durch die Johannis- und Burgschmietstrasse begleiten uns die Kopien des Kraftschen Kreuzwegs.

War anfangs nicht von einem Erzgießer die Rede? Als Steinbildhauer war Burgschmiet eine lokale Größe. Als Erzgießer erreichte er (wie auch seine Nachfolger) europäischen Rang!

Einen Fingerzeig erhalten wir beim barockartigen Anwesen Johannisstrasse 39. Eine Bronzebüste (Gießerei Lenz 1984) blickt auf uns herab, und wir lesen, dass hier Johannes Scharrer wohnte, den wir in Zusammenhang mit der Ludwigseisenbahn kennen. Der Herr 2. Bürgermeister ermöglichte Burgschmiet mit einem «städt. Stipendium» eine «Erzgießerfortbildung» in Paris. Hintergrund war, dass die Stadt 1828 ihren großen Sohn Albrecht Dürer zum 300. Todestag mit einem Standbild ehren wollte. Gegen starke Münchener Konkurrenz wurde Burgschmiet als Gießer durchgesetzt. Wer nicht nur kleine Teile gießen will, braucht eine moderne Gießhütte. So entstand in den 1840er Jahren in der Seilersgasse (heute Burgschmietstr. 14) der noch bestehende eingeschossige Sandsteinbau als leistungsfähige Betriebsstätte.

Einige Schritte weiter, in der bescheidenen Grünanlage zum Neutorgraben hin, hat Ernst Lenz seinem Großvater 1896 zu dessen 100. Geburtstag ein kleines Denkmal gegossen. Da steht er sinnend-betrachtend in seiner Arbeitskluft.

Einen echten Burgschmiet finden wir am Dürerhaus: ein Dürermedaillon, 1828 entstanden. Für das Jamnitzerhaus (Albrecht-Dürer-Str. 17) hat der Urenkel Christoph Lenz 1912 ein Medaillon gegossen und im Hof von Nr. 11 initiierten die Altstadtfreunde ein Brünnlein mit einem Putto als Delphinreiter (17. Jh.). Dieser Nachguss - in handwerklich vorzüglicher Weise - war 1976 das Meisterstück von Franz Jahn, des jetzigen Gießereibetreibers.

Durch die Agnesgasse laufen wir zum Dürerdenkmal. Der Berliner Bildhauer Christian Rauch war mit der Fertigung eines Modells beauftragt worden. Der Guss begründete Burgschmiets Ruf. 1840 war - unter großem Beifall und mit allerhöchster Anerkennung - endlich alles fertig. Das Dürer-Rundrelief am Haus Nr. 7 ist eine weitere Arbeit von F. Jahn (2003).

Eines sollte klargestellt werden: In der Regel hat ein bildender Künstler einen Auftrag oder eine Idee und fertigt einen Entwurf. Der Gießer verwirklicht das Stück. Dazu bedarf es handwerklichen Könnens, technischer Raffinesse und gestalterischen Einfühlungsvermögens. Erst dann ist ein «Kunst-Werk» entstanden.

Unser Weg führt uns zum Egidienberg, wo seit 1826 Burgschmiets Steindenkmal für Melanchthon steht. Zweimal haben Rabauken des Reformators linke Hand abgeschlagen. Burgschmiet wusste sich zu helfen. Er goss eine Bronzehand und verankerte sie tief im Stein. Das den Platz beherrschende Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. schuf Ernst Lenz 1905, während der heitere Grübelsbrunnen vor dem Laufer Schlagturm ein Werk seines Vaters Christoph ist (1881). Am Theresienplatz begegnet uns Christoph Lenz im Behaimdenkmal (1890) noch einmal und am Hans-Sachs-Platz schon wieder.

Die beiden Damen Noris und Fortuna an der Fassade der nächsten Station Königstrasse 33, ursprünglich Giebelfiguren, stammen von Ernst Lenz (1903), ebenso wie das Peter-Henlein-Denkmal (1905) am Hefnersplatz.

Wer weiß schon, dass zwischen Adler- und Kaiserstraße der Köpfleinsberg liegt? Zwei Gusswerke sind hier bemerkenswert: Die Viktoria (Christoph Lenz 1875) als Bekrönung des Gefallenendenkmals und zur Kaiserstraße hin die «Welthandels»-Plastik (Heinrich Lenz/Franz Jahn 1972).

Am Unschlitthaus finden wir auf Initiative der Altstadtfreunde den ausgezeichneten Nachguss einer fast 600-jährigen Brunnenmaske (H. Lenz/F. Jahn 1974). Das Original des «Hieserlein» liegt im Germanischen Nationalmuseum. Nun noch über die Pegnitz zum Geiersberg mit dem Geiersbrunnen (Chr. Lenz 1890), und beim Heimatvertriebenenrelief (Heinrich Lenz 1968) im Neutorzwinger beenden wir unseren Rundgang.

Diese Zeilen, liebe Leser, sollen Sie auffordern, sich mit offenen Augen auf den Weg zu machen. In Europa, in Deutschland und selbstverständlich in Nürnberg gibt es noch eine Vielzahl von Werken aus unserer Gießhütte, z. B. den Neptunbrunnen im Stadtpark, die «Trauernde Noris» im Westfriedhof, den Storchenbrunnen in Wöhrd, die Löwengruppen vor dem Tiergarten . . .

Apropos Tiergarten: Sie gehen doch sicher auch «Flocke gucken». Da fällt mir noch ein, dass sich vor dem Eisbärengehege eine Eisbärenmutter mit einer «Flocke» tummelt. Woher Stifter Bruno Schnell, Künstler Josif Tabachnik und Franz Jahn das bereits 2007 gewusst haben?

Als Nachschlagewerke empfehlen sich das Stadtlexikon und die gut bebilderte Dokumentation der «Freiplastiken in Nürnberg» von Elke Masa.

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