Auf den Spuren frommer Pilger

5.3.2009, 00:00 Uhr
Auf den Spuren frommer Pilger

Wir folgen heute den Spuren frommer Pilger in St. Johannis. Der Startpunkt liegt allerdings noch in der Altstadt am Tiergärtnertor. In der Oberen Schmiedgasse 66 befindet sich das sogenannte Pilatushaus. Diese Bezeichnung trägt das schöne spätgotische Fachwerkhaus erst seit dem 17. Jahrhundert. Der ursprüngliche Name war «Haus zum geharnischten Mann», denn an der südlichen Hausecke befindet sich noch heute eine Figur des Heiligen Georg, der in glänzender Rüstung einen Drachen besiegt. Das Gebäude wurde 1489 von dem Plattnermeister Hans Grünewald erbaut. Der Name Pilatushaus bürgerte sich ein, weil man annahm, dass hier der Startpunkt des Kreuzweges wäre.

Der Nürnberger Kreuzweg bestand ursprünglich aus sieben Steinreliefs, einem Kalvarienberg mit Kreuzigungsgruppe und einer Grablege. Die Steintafeln stammen nach neueren Forschungen wohl bereits aus den 1490er Jahren, die Grablege in der Heilig-Grab-Kappelle, besser bekannt als Holzschuherkapelle, kann auf das Jahr 1508 datiert werden.

Geschaffen wurde der Kreuzweg von dem bedeutenden Nürnberger Bildhauer Adam Kraft (1455-1508/9). Er wird als ein Hauptwerk der deutschen Renaissance angesehen. Der oder die Auftraggeber lassen sich nicht zweifelsfrei ermitteln, da kein schriftlicher Vertrag erhalten blieb. Der Name Marschalk von Rauheneck und die Patrizierfamilie Ketzel werden in der Fachliteratur in diesem Zusammenhang oft genannt.

Der Grund für die Errichtung des Nürnberger Kreuzwegs ist in der tiefen Gläubigkeit der Menschen des 15. Jahrhunderts zu suchen. Pilger brachten aus dem Heiligen Land Beschreibungen der Heiligen Stätten nach Nürnberg und weckten das Bedürfnis, das Leiden Christi nachzuerleben. Dargestellt wird der Weg Jesu zu seiner Kreuzigung und schließlich die Grablegung. Der fromme Gläubige konnte vor den Stationen andächtig innehalten, mitleiden und mittrauern.

Der Entwurf von Adam Kraft orientierte sich an Kupferstichen und Holzschnitten. Zudem ließ er die 1479 entstandenen Reiseberichte der Pilger Sebald Rieter und Johann Tucher in seine Konzeption für die Nürnberger «via dolorosa» einfließen. Als Quelle dienten Kraft zudem fromme Legenden, die sogenannten Apokryphen, da die Bibel wenig über den Kreuzweg zu berichten weiß. 1731 wurde von Papst Clemens XII. die Tradition der Kreuzwegandacht neu begründet und dabei die Anzahl der Stationen auf 14 erhöht.

Die Kreuzwegstationen wurden zwischen 1889 und 1910 nach und nach durch Kopien ersetzt. Die Originale befinden sich in der Karthäuserkirche im Germanischen Nationalmuseum. Die Figuren der Kreuzigungsgruppe befinden sich im Heilig-Geist-Spital im sogenannten Kreuzigungshof.

Die erste Kreuzwegstation befindet sich in der Burgschmietstraße 6. Die Inschrift lautet «Hir begegnet Cristus seiner wirdigen lieben Mutter die vor großen hertzensleit anmechtig ward iic Srit von Pilatus Haus». Jesus mit dem Kreuz begegnet seiner Mutter Maria, die beim Anblick ihres leidenden Sohnes ohnmächtig zusammenbricht.

Auf den Tafeln I – VI werden auch die Schritte vom Haus des Pilatus bis zur jeweiligen Station angegeben. Die Zahlen stammen aus den Reiseberichten der Jerusalempilger. Die erste Station wird mit «200 Schritt von des Pilatus Haus» angegeben. Wer seine Schritte mitgezählt hat, wird feststellen, dass es vom heutigen Pilatushaus zu der ersten Station etwa 330 Schritte braucht. Das kann nur bedeuten, dass der Ursprung des Nürnberger Kreuzwegs nicht das heutige Pilatushaus gewesen sein konnte. Möglich wäre auch, dass die Stationen früher woanders aufgestellt waren. Dies zu klären, bleibt der Forschung überlassen.

Die Station II befindet sich an der Einmündung der Weigelstraße in die Burgschmietstraße. Das Relief zeigt Simon von Kyrene, der von den Soldaten gezwungen wird Jesus beim Tragen des Kreuzes zu helfen. Dieser Vorfall soll sich 295 Schritte von Pilatus Haus entfernt ereignet haben. Die Inschrift lautet: «Hir ward Symo gezwungen Cristo sein Kreutz helfen tragen».

Die dritte Station an der Burgschmietstraße 18 befindet sich 395 Schritte vom Pilatushaus entfernt und thematisiert ein Wort Christi aus dem Evangelium (Lukas 23). Die Inschrift lautet: «Hir sprach Cristus Ir döchter vo Jherusale nit weynt über mich sunder über euch und ewre kinder». Jesus spielt dabei auf das Schicksal des jüdischen Volkes an, das sich mit der Zerstörung des Tempels durch die Römer und die Vertreibung aus dem Heiligen Land erfüllen sollte.

Die Station IV an der Ecke Campestraße zeigt Veronika, die dem Heiland den Schweiß vom Gesicht abwischt. Das Antlitz Jesu blieb als Abdruck auf dem Tuch zurück. In Byzanz wurde das Tuch als Reliquie verehrt, verschwand dort aber im 14. Jahrhundert. Die Inschrift lautet: «Hier hat Cristus sein heiligs Angesicht der heiligen Fraw Veronica auf iren Slayer gedruckt vor irem Haus». Das Antlitz Christi auf dem Schweißtuch wird auch als «vera icon», das heißt wahres Bild Christi bezeichnet. Das Ganze soll 500 Schritte vom Pilatushaus entfernt stattgefunden haben. Die Station wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und erst 1986 wieder errichtet.

Die Station V an der Einmündung der Burgschmiet- in die Johannisstraße zeigt Christus, der sein Kreuz trägt und von seinen Bewachern geschlagen wird. Die Inschrift lautet «Hier tregt Cristus das Creutz und wird von den Juden ser hart geslagen». 780 Schritte vom Pilatushaus entfernt. Die Station ist ein Beispiel für die antisemitische Politik des Nürnberger Rates im ausgehenden 15. Jahrhundert. 1499 wurden die Juden aus Nürnberg vertrieben. Etwa ein Drittel der Relieftafel ging bei einer früheren Renovierung verloren. Station VI, Johannisstr. 46, 1100 Schritte musste Jesus bis hier zurücklegen. «Hier felt Cristus vor großer unmacht auf die Erden». Die Darstellung lässt die Last des Kreuzes spürbar werden.

Die monumentale Kreuzigungsgruppe auf dem Kalvarienberg in der Nähe des oberen Osteingangs des Johannisfriedhofs entstand in Jahren 1505-08, sie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Heute befindet sich dort ein Kruzifix, geschaffen 1952 von Luis Rauschhuber.

Die letzte Relieftafel befindet sich südlich des Friedhofeingangs und hat die Beweinung Christi zum Thema. «Hier leyt Cristus vor seiner gebenedeiten wirdigen muter die in mit großem Hertzenleyt und bitterlichen Smerz klaget und beweynet». Der Jünger Johannes stützt den Leichnam Christi, der auf einem Leichentuch liegt und von Maria beweint wird. Im Hintergrund stehen die drei klagenden Frauen, Nikodemus und Joseph von Arimathäa. Auch diese Station wurde ein Opfer des Bombenkriegs und erst 1983 wieder hergestellt.

Eine kleinere Kreuzigungsgruppe und die siebte Relieftafel sind bereits auf dem Aquarell von Albrecht Dürer «St. Johans Kirchen» von 1494 zu erkennen. Die Holzschuherkapelle (eigentlich Heilig-Grab-Kapelle) ist auf Dürers Bild noch nicht vorhanden. Es stand damals noch der Vorgängerbau, die Stephanuskapelle, 1395 als Pestkapelle errichtet.

Die Holzschuherkapelle wurde von dem Stadtbaumeister Hans Behaim d. Ä. 1513 erbaut. Die Grablege befindet sich in einer südlichen Nische. Den Hintergrund bildet ein Mosaik der Stadt Jerusalem. Die Figuren wurden nicht so meisterhaft wie die sieben Relieftafeln. Adam Kraft war vermutlich gesundheitlich schon stark angeschlagen als an dieser Station gearbeitet wurde und hat die Arbeit vermutlich seinen Gesellen überlassen. Ende 1508 starb der Bildhauer und wurde auf dem damals noch vorhandenen Friedhof an der Lorenzkirche beigesetzt, nicht weit von seinem berühmten Sakramentshäuschen entfernt.

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