Barrierefreiheit in Nürnberg: Da ist noch Luft nach oben

28.8.2019, 05:03 Uhr
So nah am Geschehen wie bei den Nürnberg Falcons wäre Christoph Cunz (vorne rechts) gerne auch andernorts. Der vielseitig interessierte Rollstuhlfahrer ist nicht nur bei Nürnbergs besten Basketballern Stammgast. Er fährt auch regelmäßig zu Konzerten und Festivals. Seine zum Teil bitteren Erfahrungen dort schreibt der 31-Jährige seit kurzem für die Initiative "Barrierefrei feiern" nieder.

© Foto: Sportfoto Zink So nah am Geschehen wie bei den Nürnberg Falcons wäre Christoph Cunz (vorne rechts) gerne auch andernorts. Der vielseitig interessierte Rollstuhlfahrer ist nicht nur bei Nürnbergs besten Basketballern Stammgast. Er fährt auch regelmäßig zu Konzerten und Festivals. Seine zum Teil bitteren Erfahrungen dort schreibt der 31-Jährige seit kurzem für die Initiative "Barrierefrei feiern" nieder.

Am 13. September starten die Thomas Sabo Ice Tigers in die neue Saison. Florian Maltritz (Name von der Redaktion geändert) ist heiß auf die Kufenduelle in der Deutschen Eishockey-Liga. Etwas Bauchgrimmen hat der Tigers-Fan allerdings, was die Anreise betrifft. Maltritz sitzt im Rollstuhl und nimmt meist ohne Begleiter das Auto. Vergangene Saison durfte er beim letzten Playoff-Heimspiel aber nicht direkt zur Arena vorfahren. Er musste auf Parkplatz S5 ausweichen, der etwa 300 bis 400 Meter entfernt zwischen Hans-Kalb- und Karl-Steigelmann-Straße liegt.

Arena Nürnberger Versicherung

Da die Ice Tigers überwiegend zur nassen und kalten Jahreszeit antreten, kann es auf dem Weg zur Halle schon mal ungemütlich werden. Einen Schirm kann Maltritz nicht tragen. Er braucht beide Hände, um seinen Rollstuhl anzutreiben. Pitschnass aufs Eis zu schauen, macht ihm natürlich keinen Spaß.

Gibt es an der Arena zu wenige Stellplätze für Schwerbehinderte? Vier befinden sich am Eingang Nord und einer am Eingang Süd. Bei Spielen der Ice Tigers stellt die Arena zusätzlich bis zu zehn Parkplätze mit Bügel in unmittelbarer Hallennähe zur Verfügung, wie Arena-Geschäftsführer Jürgen Fottner erklärt. Problematisch werde es, wenn zeitgleich der Club spielt. Dann sind die zusätzlichen Plätze aufgrund der Absperrungen nicht zugänglich. Am Parkplatz S5 sind jedoch 100 der 500 Stellplätze für Besucher vorgesehen, die einen blauen europäischen Behinderten-Parkausweis haben.

Michael Mertel, Vorsitzender des Behindertenrates der Stadt Nürnberg, hält die Parkplatzsituation für Rollstuhlfahrer am Stadion und an der Arena für zumutbar. Zwar empfinde jeder Entfernungen anders, Inklusion heiße aber auch, mit den gleichen Bedingungen umgehen zu können. Wenn es regne, könne man sich auch eine Regenjacke überziehen und entsprechend der äußeren Bedingungen kleiden, sagt Mertel, der selbst im Rolli sitzt, unaufgeregt.

Vereinzelt gebe es schon Beschwerden von Rollstuhlfahrern, erklärt Beate Barthmann. Laut der stellvertretenden Inklusionsbeauftragten der Stadt Nürnberg muss man stets berücksichtigen, welche Behinderung der oder die Einzelne hat und wie schwer sie ist. "Die Bedürfnisse sind ganz, ganz unterschiedlich", sagt Barthmann. Es gebe aber immer wieder auch sehr positive Rückmeldungen. "Ich habe mich gefühlt wie ein VIP", habe kürzlich ein Fan nach dem Besuch eines Club-Heimspiels gesagt.

Max-Morlock-Stadion

Im Max-Morlock-Stadion gibt es 95 Rollstuhlplätze auf der Haupttribüne, neun davon für Gästefans. Für jeweils eine Begleitperson ist der Eintritt frei. Im ligaweiten Vergleich bietet der Club "eine hohe Anzahl an Plätzen für Rollstuhlfahrer zu sehr günstigen Preisen", betont die FCN-Behindertenbeauftragte Roswitha Friedrich. Dennoch können nicht alle Kartenwünsche erfüllt werden. Einen Großteil der Plätze haben sich Dauerkarteninhaber gesichert. Zu jedem Heimspiel gehen zwar Tickets in den freien Verkauf, die Nachfrage übersteigt aber das Angebot, wie Friedrich einräumt.

"Ein weiteres Problem ist, dass man von diesen Plätzen nie das ganze Spielfeld im Blick hat", weiß Rollstuhlfahrer Christoph Cunz aus Erfahrung. Schuld seien die Ersatzbänke, die die Sicht auf die Tore oder das Mittelfeld einschränken. Außerdem komme es – wie bei sämtlichen Großveranstaltungen – zu Engpässen, wenn etwa in der Halbzeit viele Besucher gleichzeitig aufs Klo wollen.

Zwar hat sich Roswitha Friedrich im Vorfeld der WM 2006 erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Zahl barrierefreier Toiletten von drei auf sieben erhöht wurde. Sie möchte aber nochmals den Kontakt zur Stadt suchen, kündigt die Behindertenbeauftragte des FCN an.

Eventhalle am Flughafen

Barrierefreiheit in Nürnberg: Da ist noch Luft nach oben

© privat

Sportfan Christoph Cunz kennt sich nicht nur im Stadion und der Arena bestens aus. Als glühender Fan der Nürnberg Falcons hat er sich trotz des am grünen Tisch verweigerten Aufstiegs in die Bundesliga auch zur neuen Saison eine Dauerkarte geholt. Über eine problematische Anfahrt oder schlechte Sicht kann sich der 31-Jährige nicht beschweren. In der 1500 Zuschauer fassenden Eventhalle am Flughafen, seit vergangener Saison Heimspielstätte der Basketballer, sitzt er im Stimmungsblock E direkt am Spielfeld.

Das Gründungsmitglied des Fanclubs "Noris BlockErs" geht aber nicht nur zu Sportveranstaltungen, sondern auch zu Konzerten und Festivals. Kürzlich hat er angefangen, seine Erfahrungen dort für die "Initiative barrierefrei feiern" niederzuschreiben. Beim Metal-Festival Summer Breeze in Dinkelsbühl war er mit Abstrichen bei der Toilettensituation und den Anfahrtswegen zufrieden.

Doch er hat schon ganz anderes erlebt. Als er kürzlich ein Rammstein-Konzert im Münchner Olympiastadion besuchte, versperrte ihm eine zweite Bühne, auf der die Vorband auftrat, die Sicht. So verpasste er fast die gesamte Bühnenshow.

Die Logistik macht Rollstuhlfahrern bei Großveranstaltungen immer wieder einen Strich durch die Rechnung, wie auch Cunz aus leidvoller Erfahrung weiß. So nutzt eine extra ausgewiesene Fläche nichts, wenn schon der erste stehende Zuschauer die Sicht versperrt.

Meistersingerhalle

In der Nürnberger Meistersingerhalle etwa werden die Rollstuhlfahrer direkt an den Türen platziert. Das Gedränge in den Pausen, vor oder zum Ende der Veranstaltungen, kann die Nerven der Betroffenen ganz schön auf die Probe stellen. Eine Alternative dafür gebe es in der Meistersingerhalle mit Blick auf gesetzliche vorgeschriebene Flucht- und Rettungswege sowie den Brandschutz leider nicht, erklärt Christian Vogel. Noch nicht. Mit Blick auf die Sanierung des in die Jahre gekommen Baudenkmals möchte der Bürgermeister Möglichkeiten ausloten, wie man die Situation für Rollifahrer verbessern kann. Womöglich, indem eine extra Reihe für Rollstuhlfahrer eingezogen wird.

Vorerst muss Cunz aber weiterhin abwägen, ob er Strapazen und mögliche Einschränken in Kauf nimmt, um seine Lieblingsbands zu sehen.

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