Bekommt die Zeppelintribüne eine gläserne Hülle?

3.11.2020, 05:51 Uhr
Neue Idee für die Zeppelintribüne: Sie könnte mit einem einfachen, gläsernen Quader überformt werden. 

Neue Idee für die Zeppelintribüne: Sie könnte mit einem einfachen, gläsernen Quader überformt werden. 

Die Zeppelintribüne war in den vergangenen Tagen großes Thema in Nürnberg. Kurz vor der Entscheidung im Rennen um den Titel "Kulturhauptstadt 2025" setzte ein bis dato unbekanntes Künstlerkollektiv mit dem "Regenbogen-Präludium" ein buntes Ausrufezeichen auf den umstrittenen NS-Koloss, worauf die Stadt sogleich die Staatsanwaltschaft einschaltete. Da ging es fast unter, dass kürzlich auch neue, kühne Pläne für die Umgestaltung der Tribüne publik wurden, um deren Zukunft es seit vielen Jahren Diskussionen gibt.

So schlägt das renommierte Nürnberger Architekturbüro Glöckner³ eine gläserne Hülle für die Zeppelintribüne vor. Im Inneren soll Raum für Künstler entstehen. Um der Kunst den notwendigen Raum zur Entfaltung zu bieten, soll die Zeppelintribüne mit einem einfachen gläsernen Quader überformt werden. Im Dach könnte ein internationales Institut für politische Bildung entstehen. In der Hülle soll Platz für Kulturveranstaltungen geschaffen werden. Aspekte des Denkmalschutzes – seit 1973 sind die Bauten geschützt – spielten bei Glöckners Überlegungen ebenso wenig eine Rolle wie die Frage der Finanzierbarkeit.

 Im Inneren wäre Platz für einen weiteren Kubus, in dem Kulturveranstaltungen stattfinden könnten.

 Im Inneren wäre Platz für einen weiteren Kubus, in dem Kulturveranstaltungen stattfinden könnten. © Illustration: Gerrik Steffen/Glöckner3

Die Kongresshalle hingegen könnte nach dem Vorbild der Biennale in Venedig ab 2025 eine "Internationale Kunstdevennale" beherbergen. Ein neues Format, das den 47 europäischen und weiteren Gastländern eine Bühne bietet. Jedes Land soll einen der Sektoren des nach dem Vorbild des römischen Kolosseums erbauten Torso bespielen.

Laut Thomas Glöckner, dem Inhaber des Architekturbüros, sei es an der Zeit, dass seine Zunft sich in die Debatte um die künftige Nutzung des Reichsparteitagsgeländes einmischt. "Seit 20 Jahren, also seit Günther Domenig den Bau des Dokuzentrums entworfen hat, haben wir Architekten geschwiegen." Für den Verein BauLust trifft dies nicht zu – 2014 meldete sich die Initiative für Architektur und Öffentlichkeit zu dem Thema zu Wort. Allerdings ohne konkreten Entwurf. Einen solchen legt nun Glöckners Büro vor. Das Areal kennt das Team gut, denn der vormalige Inhaber Günther W. Wörrlein zeichnete für den Stadionumbau verantwortlich und auch die Arena wurde von dem Büro entwickelt. "Die Umgebung ist uns also nicht fremd."

"Das geht nicht weit genug"

Nicht anfreunden kann sich der Planer mit den bisherigen Konzepten für eine Nutzung des Geländes. So sollen die Zeppelintribüne und das angrenzende Zeppelinfeld für viel Geld im jetzigen Zustand erhalten werden. Für Teile der Kongresshalle ist eine künstlerische Nutzung angedacht. Die Pläne seien "fränkisch-bescheiden. Da muss echt Power rein", fordert Glöckner.

"Der Spagat zwischen Erhalt und Verfall konnte im gesellschaftlichen und politischen Diskurs nicht gelöst werden und geht nicht weit genug. Der Umgang mit den architektonischen Hinterlassenschaften Albert Speers ist nur möglich über die kompromisslose Respektlosigkeit der Kunst."

Es darf weitergebaut werden

Die Kongresshalle möchte Glöckner dauerhaft öffnen. Die jeweils einem Staat übertragenen Sektoren können verändert werden: "Der Umgang mit der Bausubstanz steht jedem Land frei, solange das Nachbarland nicht beeinträchtigt wird. Das Gebäude darf ausdrücklich weitergebaut werden, solange jede Veränderung zurückgebaut werden kann."

Das Ziel seiner Planungen fasst der Architekt in einem Satz zusammen: "Der toxische Hauch, der auf diesem Areal weht, muss vertrieben werden – ohne die Geschichte zu verdrängen." Als Triebfeder nennt Glöckner die bisherige Debatte um das Gelände. Es habe sich gezeigt, wie wichtig dieses NS-Erbe für die Stadt sei, gleichzeitig sei aber auch deutlich geworden, "wie wenig der Umgang damit vorangebracht wurde".

Dies könne sich jetzt ändern: "Nürnberg war Stadt der Reichsparteitage und daher bereits ,NS-Kulturhauptstadt 1933 bis 1945‘. Insofern wäre der aktuelle Titel eine große Chance zum Korrektiv."

Ein Ansatz, der auch in der Stadtverwaltung mit "großem Interesse" zur Kenntnis genommen wurde: Der Vorschlag zeige, so Annekatrin Fries aus dem Kulturreferat, "dass sich die jahrzehntelange Nürnberger Diskussion nicht auf einfache Formeln reduzieren lässt". Die Wichtigkeit der Debatte verdeutlicht sie mit dem Zusatz: "Vor Ort am Zeppelinfeld werden die leider auch heute aktuellen Themen wie Rassismus und Propaganda-Inszenierungen deutlich."

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