Brot, Eier und Bier für 24 000 Arme

8.1.2009, 00:00 Uhr
Brot, Eier und Bier für 24 000 Arme

© Sippel

Der Neorenaissancebrunnen wurde 1897, zum 101. Geburtstag des Künstlers, hier aufgestellt. Der Entwurf stammte von Fritz Zadow, die Bronzefigur wurde von Ernst Lenz gegossen. Die Skulptur hält eine Statuette und einen Ziselierhammer in den Händen und trägt die Arbeitskleidung eines Gießers des 16. Jahrhunderts. Die Darstellung erinnert stark an Peter Vischer, dem Burgschmiet in seinen letzten Lebensjahren nicht nur nacheiferte, sondern dem er auch äußerlich ähnlich zu werden versuchte.

Burgschmiets Karriere begann als Spielwarendrechsler – ein Handwerk, das der Waise bereits als Elfjähriger erlernte. Er ließ sich in Nürnberg später als Miniaturenmaler und Mechanikus nieder, war aber bereits damals an der Bildhauerei interessiert, die er autodidaktisch erlernte. Sein erster großer Auftrag in Nürnberg war das Denkmal von Melanchthon (1825), das er noch in Stein ausführte.

Da er in der Fachwelt großes Ansehen erworben hatte, bekam er 1828 den Auftrag für das Dürerdenkmal. Um seine Kenntnisse im Bronzeguss zu vertiefen, reiste er nach Paris und beherrschte diese Kunst schließlich in Perfektion. 1829 richtete er seine erste Gießhütte auf der Insel Schütt ein. Dort entstanden in der Folgezeit zahlreiche, teils monumentale Denkmäler. Das Dürerdenkmal gilt heute als der erste perfekte Bronzeguss in der Geschichte der Gießkunst, waren doch keinerlei Nacharbeiten notwendig gewesen. In der Folgezeit wurde Burgschmiet mit Aufträgen aus ganz Europa überhäuft.

In der heutigen Burgschmietstraße 14 (damals hieß sie noch Seilergasse) gründete er zusammen mit seinem Schwiegersohn Christoph Lenz 1850 seine zweite Gießhütte, die noch heute betrieben wird. Hier entstanden seine letzten großen Werke: Eine Kolossalstatue von Kaiser Karl IV. zum Jubiläum der Universität Prag (1851), das Lutherstandbild für die Kleinstadt Möhra bei Eisenach (1858) und ein Radetzkydenkmal (Prag, 1859), dessen Guss er noch kurz vor seinem Tod vollenden konnte. Christoph Lenz stellte in der Gießerei das Hans-Sachs- und das Martin-Behaim-Denkmal her. Ernst Lenz goss in der Werkstatt 1902 die Kopie des Neptunbrunnens, die heute im Stadtpark steht. Die letzte Monumentalplastik entstand in den 20er Jahren für den Westfriedhof, die trauernde Noris. Seit 1988 steht die Gießerei im Besitz von Franz Jahn.

Das Grab von Daniel Burgschmiet befindet sich auf dem St. Johannisfriedhof (Grab F33). Das Epitaph zeigt den Gießer bei der Arbeit und wurde von Burgschmiet einige Jahre vor seinem Tod selbst entworfen und noch zu dessen Lebzeiten gegossen.

Auf dem Weg von der Gießhütte zum Johannisfriedhof lohnt sich ein Abstecher nach links in die St. Johannismühlgasse. Dort befindet sich in einem Hinterhof, durch eine unscheinbare Hofeinfahrt erreichbar, die Ruine der Heilig-Kreuz-Kirche. 1354 wurde das Pilgerspital Heilig-Kreuz, eine fromme Stiftung der Patrizierfamilie Haller, erstmals urkundlich erwähnt. Es war keineswegs, wie man vermuten könnte, eine Einrichtung der Krankenpflege, sondern eine Unterkunft für «Bilgram und Weller» (Pilger und Wallfahrer). Die Pilger waren sicher dankbar, eine Bleibe für die Nacht vor den Toren der Stadt gefunden zu haben, denn nach Einbruch der Dunkelheit wurden damals die Stadttore geschlossen, und im schlimmsten Fall mussten die Menschen vor der Stadt im Freien übernachten.

Zu dieser Zeit war es für einen frommen Christen selbstverständlich, sofern er es sich leisten konnte, eine Wallfahrt durchzuführen. Ein beliebtes Ziel war damals wie heute Santiago de Compostella.

Bis zu 34 Personen konnten in zwei getrennten Schlafsälen kostenlos eine Übernachtung inklusive «Speis und Trank» erhalten. Das einfache Mahl bestand in der Regel aus Brot, Erbsen, Schmalz und Bier. Am nächsten Morgen musste die Herberge wieder verlassen werden. Eine Ausnahme wurde nur gewährt, wenn ein Übernachtungsgast erkrankte oder wenn ein schweres Unwetter nahte. Die Hausgewalt hatte der Spitalmeister inne, der bestimmen konnte, wer einen Schlafplatz für die Nacht erhielt und wer nicht.

Es gab eine strenge Regel, die besagte, dass neben den frommen Pilgern auch «arm priester, arm studenten und schuler, die ir gereth mit ine tragen» aufgenommen werden durften. Aber es war auch geregelt, wer keine Aufnahme fand: «Kainen mit kindern, keinen blinden mit einem hundt, kainen lantfahrer, kainen kruppel und gayler (Gaukler), kainen mit hinfallenden sichtumb, kainen außsetzel und kainen mit einem kram oder refe» (Rückentrage). Aber auch Arme und Bedürftige wurden in Heilig-Kreuz versorgt. Bis 1575 fand hier in der Karwoche eine Osterspeisung statt. Brot, Eier und Bier wurden an bis zu 24 000 Menschen (1574) ausgegeben. Es ist heute kaum vorstellbar, wie viele arme Menschen es damals gegeben haben muss. Gleichzeitig kann man nur Hochachtung vor der logistischen Leistung der Spitalbediensteten haben, in nur einer Woche diese immense Zahl an Essen auszugeben.

Im 2. Markgrafenkrieg 1552 wurde das Pilgerspital zerstört, aber 1561 bis 1564 wieder aufgebaut. Zum Spital gehörte auch die Heilig-Kreuz-Kirche, die bei der Zerstörung ihrer Inneneinrichtung beraubt wurde. Die Kirche konnte mit Kunstgegenständen des aufgelösten Augustinerklosters ausgestattet werden. Dazu gehörte auch der Peringsdörferaltar, der 1486 von Michael Wolgemut, dem Lehrherrn Albrecht Dürers, geschaffen wurde. Zur weiteren Ausstattung gehörte auch der Vierzehnnothelferaltar. Die Kunstwerke befinden sich heute in der Friedenskirche in St. Johannis.

Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Pilgerspital bestimmungsgemäß verwendet, nur in Krisenzeiten diente die Einrichtung auch zur Aufnahme von Kranken und Verwundeten. Nach dem Übergang an das Königreich Bayern wurde 1808 die Stiftung aufgelöst. Die Kirche wurde geschlossen und fiel in eine Art Dornröschenschlaf, bis der Buchhändler Campe sie wieder entdeckte. Er konnte den Nürnberger Rat überzeugen, den Peringsdörferaltar, der inzwischen von Singvögeln als Brutstätte genutzt wurde, renovieren zu lassen. In einem Gebäude an der Johannisstraße wurde ab 1809 eine Gaststätte betrieben, zu der auch ein Biergarten im Spitalhof gehörte. In der Folgezeit galt das alte Pilgerspital als eines der malerischsten Anwesen in Nürnberg.

Das schmerzliche Ende für das «Kreuzle» kam schließlich am 2. Januar 1945. In der Bombennacht wurde das Pilgerspital vollständig zerstört. Glücklicherweise waren alle Kunstwerke längst in den Kunstbunker im Neutorturm gebracht worden und überstanden den Krieg.

An einen Wiederaufbau war allerdings in der Nachkriegzeit nicht zu denken. Wohnraum war knapp in der zerstörten Stadt, und deshalb wurden auf dem Grundstück in den 50er Jahren zweckmäßige Wohnbauten durch das evangelische Siedlungswerk errichtet. Die Ruine der Heilig-Kreuz-Kirche wurde als Mahnmal gegen den Bombenkrieg erhalten. An das alte Pilgerspital erinnert heute neben Ruine und Gedenktafel noch das für die 50er Jahre so typische Wandbild an der Westseite der Wohnanlage (Ecke Burgschmietstraße/Johannismühlgasse).

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