Dachboden-Schatz zeigt Nürnberg nach dem Krieg
03.01.2019, 05:50 Uhr
Mit geschultem Auge nahm der Architekt und Künstler Baustellen ins Visier, die ihm bei seinen Rundgängen vor die Kameralinse gekommen sind. So hat der Hobby-Fotograf die Veränderung im Stadtbild über Jahre hinweg dokumentiert. Auf manchen Bildern sind Fußgänger mit Kinderwagen, einzelne Passanten und Autos zu sehen, so dass Neubauer ganz nebenbei auch die Mode jener Zeit festgehalten hat.
Dann wieder entdeckt man, dass noch in den 1960ern die Straßenbahn durch die heutige Fußgängerzone Karolinenstraße gerumpelt ist. Oder dass von der Heilig-Geist-Kirche am Hans-Sachs-Platz nur mehr eine gespenstische Ruine stehen geblieben war. Oder dass es vor etlichen Jahrzehnten in der Lorenzer Straße noch eine Bierbrauerei gegeben hat.
Wohnhaus und Möbelgeschäft
Architekt Neubauer war übrigens selbst direkt vom Wiederaufbau betroffen: Das Haus seiner Familie in der Lorenzer Straße 5 war nämlich wie 90 Prozent der Altstadt zerstört worden - beim Fliegerangriff vom 2. Januar 1945. Sein Bruder hat das Gebäude 1953 bis zum zweiten Stockwerk wiedererrichten lassen, 1974 wurde das Hinterhaus gebaut und 1985 das Vorderhaus aufgestockt. Dort befindet sich heute das Möbelgeschäft der Familie.

Friedrich Neubauer hatte im oberen Geschoss sein Maler-Atelier und seine Wohnung. Er hatte nämlich eine ausgeprägte kreative Ader und fertigte zahlreiche Ölgemälde und Kaltnadelradierungen an. Aus dem Fenster konnte er die Bauarbeiten in der Lorenzer Straße sehen und fotografisch festhalten. Friedrich Neubauer starb 2004 im Alter von 92 Jahren. Er war bis zuletzt agil, an seiner Umwelt interessiert und gesellig, erinnert sich seine Nichte und Nachlassverwalterin Claudia Schweizer.
Sie hatte den Lederkoffer mit Neubauers Fotografien und Rollfilmen aus der Nachkriegszeit gefunden. Zum Teil sind die Aufnahmen bereits zeitlich und örtlich zugeordnet, teilweise harren die Rollfilme aber noch der Aufarbeitung. Schweizer will das Material dem Nürnberger Stadtarchiv zur Verfügung stellen. Zwar finden sich dort bereits rund 80.000 Aufnahmen aus den Jahren 1945 bis 1995 im Bestand A 39/III.
Dachbodenfunde und Nachlässe
"Doch grundsätzlich sind wir immer interessiert", erklärt Thomas Dütsch, Mitarbeiter des Stadtarchivs. In dem Hauptbestand A39/III sind ausschließlich Aufnahmen und Negative von Fotografen hinterlegt, die für das städtische Hochbauamt gearbeitet hatten. Daneben gibt es weitere Teilbestände, in denen Bilder anderer Fotografen nach Orten zusammengefasst sind. Es sind Dachbodenfunde oder auch Nachlässe, berichtet Dütsch. Immer wieder einmal bieten Erben entsprechendes Material an.
Übrigens: Die Fotografien Neubauers sind nicht öffentlich ausgestellt, sondern auf dieser Website erstmals zu sehen. Wer sich darüber hinaus vom künstlerischen Können Friedrich Neubauers ein Bild machen will, kann die originelle Galerie im Keller des Möbel-Geschäfts während der Ladenöffnungszeiten besuchen.
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