Damit Immobilien im rechten Licht erscheinen

25.2.2021, 19:13 Uhr
Damit Immobilien im rechten Licht erscheinen

© Foto: Roland Fengler

Die komplett leer geräumten Räume wirkten klein, düster und abgewohnt, berichtet Olaf Tiedje. Wer so ein Haus verkaufen möchte, wird vermutlich länger nach einem Käufer suchen müssen. Wobei Immobilien, die lange Zeit am Markt sind, als "verbrannt" gelten. Und das mindert den Preis.

Gut eine Woche hat Tiedje benötigt, um dem in die Jahre gekommenen Wohnobjekt neues Leben einzuhauchen. Als Home Stager macht er Immobilen gewissermaßen bühnenreif für Verkauf oder Vermietung. So lassen sich ihre Stärken und Nutzungsmöglichkeiten auch für Laien schnell erkennen.

"Käufer wissen nur, was sie sehen – nicht, wie es sein kann", lässt sich die Erfinderin des Home Stagings, die US-Amerikanerin Barbara Schwarz, gerne zitieren. Das deckt sich mit einer Studie, die besagt, dass sich 80 Prozent der Menschen einen Raum nicht anders vorstellen können, als sie ihn sehen. Tiedje versteht das Problem.

"Was bleibt denn den Leuten im Gedächtnis, die sich schon jede Menge Häuser oder Wohnungen angeschaut haben, wenn die Räume alle leer sind?", fragt er. Nach Tiedjes Einsatz macht der lichtdurchflutete Eingangsbereich des von ihm neu in Szene gesetzten Hauses nun den Besucher neugierig auf das, was noch kommt.

Der Blick auf den großzügigen Essplatz im Wohnzimmer etwa lässt im Nu die Fantasie anspringen: Da kann man doch herrlich mit Familie und Freunden tafeln. Im Obergeschoss entdeckt der Nachwuchs ein Zelt und fängt an, Indianer zu spielen. Nicht auszudenken, wenn er auch gleich noch die Kinderzimmer untereinander aufteilt . . .

"Wäre gegen den Ehrenkodex"

Doch genau so sei es gedacht. "Kaufinteressenten sollen auf Anhieb sehen, was in der Immobilie steckt, und spüren, wie gut es sich hier wohnen lässt", erläutert Tiedje. Und das ganz schnell. Das Haus erscheint so bezugsfertig. Was noch fehlt, ist eine Küche. Aber auch das macht eine Attrappe wett.

Damit Immobilien im rechten Licht erscheinen

© Foto: Roland Fengler

Den Verdacht, dass eventuelle Mängel wie Schimmel unter der weiß gestrichenen Tapete verschwunden sein könnten, weist Tiedje entschieden zurück und betont: "Das würde sowohl meiner ganz persönlichen Ethik als auch dem Ehrenkodex der Deutschen Gesellschaft für Home Staging und Redesign (DGHR) widersprechen." Als Mitglied des Berufsverbandes habe er dafür unterschrieben, keine Mängel zu verdecken. Sollten Mängel, wie Schimmel, Stockflecken oder Feuchtigkeitsschäden vorhanden sein, stelle der Home Stager zunächst die Arbeit ein und informiere den Eigentümer, betont Tiedje.

Beide überlegten dann zusammen, ob diese Mängel entweder vorher fachgerecht behoben würden oder ob sie bleiben – sichtbar für die potentiellen Käufer. Wenn der Eigentümer beides ablehne, führe der Home Stager seinen Auftrag nicht weiter aus. "Home Staging hebt die Vorzüge der Immobilie hervor – es wird nichts vorgetäuscht oder verdeckt."

Falls ein Verkauf mit kaschiertem Mangel dennoch klappen sollte, kommt das mitunter als Boomerang zurück. Denn kann dem Verkäufer später eine arglistige Täuschung nachgewiesen werden gemäß § 123 Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB), ist er schadenersatzpflichtig. Darüber hinaus kann sogar der komplette Verkauf angefochten und rückabgewickelt werden.

Ehe er Immobilien vom hässlichen Entlein in einen schönen Schwan verwandelt hat, heißt es für Tiedje: Jede Menge Möbel und Umzugskisten mit Dekorationsmaterialien – Kissen, Vasen, Bildern und, und, und – ein- und auszupacken und natürlich zu schleppen. Ein gutes Home Staging bedeutet laut DGHR, dass die Immobilie zu rund 80 Prozent möbliert ist, so dass sie für den Laien komplett eingerichtet wirkt. Einen Teppich reinlegen, zwei Lampen aufstellen und drei Polster an die Wand lehnen, ist also kein Home Staging, sondern bestenfalls eine Art Dekoration.

Mit dem Möblieren und Dekorieren ist es aber auch längst nicht getan. Vielmehr sei es erforderlich, den Charakter des Hauses und der Umgebung zu erfassen, um ein harmonisches Gesamtbild zu entwerfen. "So ein Konzept zu entwickeln, erfordert viel Nachdenken", berichtet Tiedje. Als Fotodesigner – er fertigt auch die Exposés für die von ihm gestalteten Objekte – ist er detailverliebt und hat ein Auge für Schönheit.

Farbtupfer und echte Hingucker

Wie vergessen wirken zum Beispiel das aufgeschlagene Magazin und die Stifte auf dem zweiten Tisch im Arbeitszimmer. Doch sie sind ein Farbtupfer und ein echter Hingucker, der im Gedächtnis bleibt – ein wichtiger Aspekt beim Eindruck, den eine Immobilie hinterlässt. Als ehemaliger Waldorfschüler hat Tiedje, wie er sagt, auch das Handwerkliche drauf.

Nach drei Monaten werden Möbel und Ausstattung wieder abtransportiert. Bis dahin sollte das Objekt einen Käufer oder Mieter gefunden haben. "Und das gelingt auch meist", weiß Tiedje aus Erfahrung. Neben leeren Immobilen erweckt er auch noch bewohnte, zum Verkauf stehende aus dem Dornröschenschlaf. In diesem Fall werde alles Persönliche der Menschen, die noch hier leben, entfernt, damit sich andere mit dem Haus oder der Wohnung identifizieren könnten.

Manchmal will jemand auch nur einfach frischen Wind in sein Zuhause, sein Büro oder seinen Laden bringen. "Das bedeutet beileibe nicht, dass alle alten Sachen rausgeschmissen und neue gekauft werden müssen", berichtet Tiedje. Vielmehr biete sich hier "Re-Design" an – eine nachhaltige und ökonomische Lösung. Dabei werde unter anderem Vorhandenes neu inszeniert, mit Formen gespielt und ein passendes Farbkonzept entwickelt.

"Manchmal genügt es auch einfach, nur die Rollos ganz hoch zu ziehen, damit Licht in die Räume kommt. So geschehen bei einer alten Dame, die mich wegen ihrer dunklen Räume zurate gezogen hatte", resümiert Tiedje. Der Lohn des Home Stagers in diesem Fall nahm sich bescheiden aus: eine Schachtel Mon Cherie.

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